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Deutschland: Countdown für UMTS-Lizenz-Auktion läuft

28.04.2000
Den letzten beißen die Hunde

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Mit dem heutigen Tag läuft die Anmeldefrist für die Teilnahme an der UMTS-Lizenz-Versteigerung (Universal Mobile Telecommunications System) in Deutschland ab. Voraussichtlich werden sich zehn bis zwölf TK- und Finanzunternehmen um die begehrten Mobilfunklizenzen der dritten Generation bemühen. Nachdem die Lizenzversteigerung in Großbritannien der dortigen Regierung zirka 75 Milliarden Mark in die Kasse brachte, werden auch in Deutschland hohe Gebote erwartet, wenn im Juli der Startschuss für die Auktion fällt. Für die vier bis sechs zu vergebenden Lizenzen werden Erlöse von 100 bis 120 Milliarden Mark erwartet. Wie die Unternehmen diese Summen aufbringen wollen, ist unklar - sicher scheint indes, dass am Ende die Endverbraucher die Zeche zahlen müssen. Wer jedoch nicht mitbietet, kann sich aus dem Mobilfunkgeschäft der Zukunft verabschieden.

Die endgültige Zahl der Teilnehmer am deutschen Auktionsverfahren steht noch nicht fest. Bekannte Bieter sind bislang die Deutsche Telekom, Mannesmann/Vodafone, E-Plus/KPN und Viag Interkom/British Telecommunications. Von den kleineren Carriern wollen neben dem neuen Joint Venture von Mobilcom und France Télécom auch Talkline und Debitel teilnehmen. Ausländische Bewerber sind bislang die spanische Telefónica, TIW sowie MCI Worldcom. Marktexperten rechnen ferner mit einer Auktionsteilnahme der Telecom Italia sowie einiger Finanzinvestoren. Ob weitere US-Carrier bei dem Milliardenpoker mitmischen werden, ist noch offen.

Gestern ging in Großbritannien die Auktion um insgesamt fünf UMTS-Lizenzen zu Ende. Das Rennen machten die Telekom-Tochter One-2-One, die kanadische Telesystem International Wireless (TIW) sowie die britischen Carrier British Telecommunications, Vodafone Airtouch Plc. und Orange (CW Infonet berichtete).

Beflügelt durch den hohen Erlös von 75 Milliarden Mark rechnen Marktexperten für die vier bis sechs zur Versteigerung stehenden deutschen Lizenzen mit bis zu 20 Milliarden Mark je Lizenz. Bei maximal sechs Lizenzen könnte damit ein Erlös von bis zu 120 Milliarden Mark erzielt werden. Finanzminister Hans Eichel gibt sich indessen mit seiner offiziellen Erwartung von zehn bis 15 Milliarden Mark sehr konservativ. Den Gewinn will er zur Schuldentilgung einsetzen und den Bundeshaushalt planmäßig bis zum Jahr 2006 ausgleichen, hieß es. Auch die Telekom-Tochter T-Mobil rechnet hierzulande mit geringeren Kosten für UMTS-Lizenzen als in Großbritannien. Wie T-Mobil-Sprecher Philipp Schindera gestern im Hessischen Rundfunk erklärte, werde die Auktion in Deutschland schneller über die Bühne gehen als in England. Ein wochenlanges Preistreiben sei dadurch nicht möglich. Anderseits könne hierzulande im Gegensatz zu Großbritannien nicht auf eine Weiterveräußerung der Lizenz spekuliert werden. Schindera räumte jedoch ein, dass eine UMTS-Lizenz für den künftigen Erfolg seines Unternehmens unerlässlich sei.

Trotz allem: Grundvoraussetzung für die Bieter sind eine prall gefüllte Geldbörse oder finanzstarke Partner. Denn es gilt nicht nur, die hohen Summen für die Ersteigerung der UMTS-Lizenzen aufzubringen, sondern zudem, die teure Netzinfrastruktur aufzubauen. Gerade für den Netzausbau dürften neben einem voraussichtlich zweistelligem Milliardenbetrag für die Lizenz weitere fünf Milliarden Mark fällig werden, schätzen Experten. Während die Deutsche Telekom auf Finanzreserven aus ihrem zweiten Börsengang sowie dem Going Public der Internet-Tochter T-Online setzen kann, sind die kleineren Carrier auf Schützenhilfe durch die Konzernmütter und Partner angewiesen, um nicht frühzeitig aus dem Milliardenpoker aussteigen zu müssen. Debitel beispielsweise kann sich auf die Schweizer Swisscom stützen, die an dem Stuttgarter Carrier die Mehrheit hält. Gemunkelt wird zudem, der US-Carrier MCI Worldcom könne als Geldgeber mit einsteigen.

Die Elmshorner Talkline wiederum, die im vergangenen Geschäftsjahr einen Profit von "nur" 100 Millionen Mark erwirtschaftete, kann Finanzierungshilfen ihrer Gesellschafter Tele Danmark und SBC Communications aus Austin, Texas, erwarten. "Wir würden nicht antreten, wenn wir nicht gut gerüstet wären," erklärte Unternehmenssprecher Thomas Stormanns gegenüber CW Infonet. Details über die Finanzierung und Refinanzierung der Lizenzpreise wollte er jedoch nicht verraten. "Hinter den deutschen Kollegen wie Mobilcom mit France Télécom, die noch über kein eigenes Netz verfügen, müssen wir uns nicht verstecken," fügte er hinzu.

Der Milliardenpoker hat wie schon bei der britischen Auktion auch in Deutschland die Kritiker auf den Plan gerufen. Telekom-Chef Ron Sommer bezeichnete die Kostenexplosion als "volkswirtschaftlich höchst bedenklich". Wie der Aufwand refinanziert werden soll, könne keiner beantworten. Bei der Versteigerung in Großbritannien hätten die Auktionsgewinner zirka 1300 Mark pro Einwohner hingeblättert. Hierzulande befürchten nun Verbraucherschützer, Telefonieren im UMTS-Netz könne zu einem teuren Vergnügen werden. Ein Sprecher der Stiftung Warentest hält dem entgegen, sollten die neuen Netzkosten langfristig zu hoch liegen, blieben auch die Kunden aus. Auch in der EU ist ein Streit um die Vergabepraxis der neuen Mobilfunklizenzen entbrannt. Wie das Magazin "Focus Money" berichtet, haben EU-Beamte dem Kommissar Erkki Liikanen darauf hingewiesen, dass die hohen Auktionspreise zu einer Verteuerung der Gebühren für den Endverbraucher führten.

Ungehalten sind viele Mitbewerber um die deutschen Lizenzen allerdings auch wegen der in den EU-Ländern unterschiedlichen Vergabeverfahren. In Spanien wurden die Mobilfunklizenzen beispielsweise durch einen sogenannten "Beauty Contest" vergeben, bei dem interessierte Unternehmen sich bei einer Jury bewarben, jedoch keine Gebühren zahlten. So musste die Telefónica, die aus der spanischen Auktion als einer der Gewinner hervorging, keinen Pfennig für die begehrten Lizenzen berappen. Damit kann sie bei der deutschen Auktion mit gefüllten Kassen antreten. Frankreich und Skandinavien wollen ihre Lizenzen ebenfalls in einem "Schönheitswettbewerb" vergeben.

Animiert durch die hohen Auktionserlöse der Briten will Italien seine UMTS-Lizenzen nun auch versteigern, statt den ursprünglich geplanten Beauty Contest entscheiden zu lassen. Der neue Regierungschef Guiliano Amato erklärte in seiner gestrigen Antrittsrede, er rechne mit einem Erlös von mindestens 25,3 Milliarden Mark für die fünf zu vergebenden Lizenzen. Eine niedrigere Summe sei indiskutabel.