Bundesnetzagentur legt Regulierungsentwurf für letzte Meile vor

Deutschland bleibt mit Vectoring Breitband-Schlusslicht in Europa

07.04.2016
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Die Bundesnetzagentur hat ihren Entscheidungsentwurf zur Regulierung der letzten Meile in Brüssel vorgelegt. Dabei setzt die Bundesnetzagentur im Nahbereich vor allem auf Vectoring, statt die zukunftssichere Glasfaser-Technik zu fördern.
Mit ihrem Vectoring-II-Entwurf bremst die Bundesnetzagentur wahrscheinlich den Glasfaserausbau.
Mit ihrem Vectoring-II-Entwurf bremst die Bundesnetzagentur wahrscheinlich den Glasfaserausbau.
Foto: Mnet

Kritiker hatte es seit langem befürchtet, dass die Bundesnetzagentur (BNetzA) mit ihrer Entscheidung zum Vectoring der Breitbandzukunft in Deutschland einen Bärendienst erweisen wird. So kritisierte der BUGLAS, in dem Verband sind die Protagonisten eines bundesweiten Glasfaserausbaus zusammengeschlossen, den Entwurf bereits im Vorfeld als "erneutes Windhund-Prinzip und Wenn-Dann-Verfahren, das erneut finanzielle und personelle Mittel für Bürokratie bindet, die besser in den nachhaltigeren FTTB/H-Ausbau gesteckt gehörten(Fiber to the Building/Fiber to the Home)." Des Weiteren stärke die Bundesnetzagentur damit einseitig die Position der Telekom.

Seitens der kritisierten Bundesnetzagentur heißt es lediglich, "wir kommen auch nach nochmaliger intensiver Analyse zu dem Schluss, dass ein Vectoring-Ausbau der Nahbereiche hilft, den Breitbandausbau zu fördern. Es werden weder der Wettbewerb außer Kraft gesetzt noch werden andere Technologien ausgebremst. Verbrauchern wird auch künftig eine breite Auswahl zwischen verschiedenen Anbietern, Produkten, Preisen und Qualitäten garantiert", erklärt Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur. Zudem führt Homann weiter aus, dass "der Entscheidungsentwurf die Ausbau- und Investitionszusage berücksichtigt, mit der sich die Telekom einseitig verpflichten will, bundesweit alle Nahbereiche bis Ende 2018 mit Vectoring zu erschließen."

Outdoor-DSLAMs werden wohl dank der jüngsten Regulierungsentscheidung weiter zum Straßenbild gehören.
Outdoor-DSLAMs werden wohl dank der jüngsten Regulierungsentscheidung weiter zum Straßenbild gehören.
Foto: Deutsche Telekom

Naturgemäß sehen dies die Telekom-Konkurrenten anders. So kritisiert der BUGLAS, dass die Telekom für ihre Investitionszusage, die sie im Zweifel sowieso tätigen würde, eine klaren Wettbewerbsvorteil erhalte. Ebenso kritisiert Jürgen Grützner, Geschäftsführer des VATM - dort sind Telekom-Konkurrenten wie Vodafone, BT etc. organisiert -, den Vectoring-II-Entwurf: "Damit haben wir aus unserer Sicht weiterhin eine Remonopolisierung. Wie hoch der Grad dieser Remonopolisierung ist, hängt jetzt davon ab, wie viel Wettbewerber bauen können." Gleichzeitig sind die drei Interessenverbände BREKO, BUGLAS und VATM darüber verärgert, dass die BNetzA zwar eine Pressemitteilung herausgibt, den eigentlichen Vectoring-II-Entwurf aber erst später veröffentlichen will.

Aus Telekom-Sicht kann die Entscheidung der BNetzA nur begrüßt werden. Der Bonner Carrier erhält so die Möglichkeit, sein Kupfernetz - das zu den besten in Europa gehört, wie auch die Konkurrenten ohne Neid einräumen - mit der Vectoring-Technik weiter im Breitbandzeitalter zu nutzen, ohne dass er hohe Investitionen wie die Glasfaser-Netzbetreiber hat.

Im Zeitalter von Digitalisierung und Industrie 4.0 erweist die BNetzA der Wirtschaftsstandort Deutschland auf dem Weg in die Gigabit-Gesellschaft mit ihrem Entwurf zum Vectoring-II-Verfahren aber einen Bärendienst. Deutschland, bislang schon die rote Laterne beim Glasfaserausbau, droht so weiter ein Schlusslicht zu bleiben. Erst jüngst hatte es Deutschland erstmals geschafft vom FTTH Council Europe in seine Statistiken aufgenommen zu werden. Die Interessensgemeinschaft listet nämlich nur Länder, in denen mehr als 1 Prozent der Haushalte an ein Glasfasernetz angeschlossen sind. Mit 1,5 Prozent hat es nun Deutschland gerade geschafft, während Länder wie Litauen, Schweden aber auch Russland schon mit Anschlussquoten von 30 - 37 Prozent aufwarten können.