Deutscher IT-Beratungsmarkt unter Druck

13.02.2003
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Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Einer aktuellen Erhebung des Münchner Marktforschungshauses Pierre Audoin Consultants (PAC ) zufolge war das Geschäft mit Projektservices im vergangenen Jahr um 7,5 Prozent rückläufig. Im laufenden Jahr schrumpft der Gesamtumsatz zwar weiter, jedoch nicht mehr so stark. Besserung ist in Sicht.

Das vergangene Jahr war schlecht, das laufende Jahr wird mäßig. Die Analysten von PAC erwarten jedoch langfristig wieder deutliche Zuwachsraten im positiven Bereich.

Das Marktvolumen für den hiesigen Projektservicemarkt belief sich im Jahr 2002 auf insgesamt 14,5 Milliarden Euro. Damit sah sich die IT-Dienstleistungsbranche - also Unternehmen wie Siemens Business Services (SBS), T-Systems, IBM Global Services oder Accenture - mit einem Marktrückgang von 7,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr konfrontiert. Einen dramatischen Verfall mussten insbesondere die Anbieter hinnehmen, die für Finanzdienstleister tätig waren. Das Auftragsaufkommen für bankenspezifische IT-Dienstleistungen in dieser Branche brach um mehr als 20 Prozent ein: „In der Vergangenheit waren die Banken diejenigen, die am besten gezahlt haben. Anwender aus der Fertigung haben beispielsweise schon immer viel intensiver auf die Kosten geachtet. Mit der Bankenkrise

sind die Auftraggeber zum Sparen angehalten. Das hat in dieser Branche für enormen Preisdruck auf die IT-Dienstleister gesorgt. Außerdem wurden zahlreiche Projekte gestoppt oder in kleinere Teilprojekte zerlegt“, erläutert PAC-Consultant Tobias Ortwein die Zahlen.

Langfristig deutliches Wachstum erwartet

Auch für das laufende Jahr geben die Analysten keine Entwarnung. Immerhin soll sich der Abwärtstrend verlangsamen: Der Gesamtmarkt für IT-Projektservices schrumpft demnach heuer nur noch um 1,8 Prozent auf 14,2 Milliarden Euro. Die Talsohle werde im Lauf dieses Jahres durchschritten. Im Rahmen ihres Studienprogramms „Software and IT Services Industry“ (Sitsi), das einzelne europäische Märkte, Branchen, Software- und Servicesegmente detailliert durchleuchtet, prognostizieren die Forscher nämlich ein durchschnittliches Jahreswachstum von sieben Prozent zwischen den Jahren 2002 und 2006 für IT-Projektservices in Deutschland.

Im vergangenen Jahr hat insbesondere das aufwandsbezogene Projektgeschäft (umgangssprachlich „Bodyleasing“, im PAC-Jorgan „Contract Staff“) gelitten. Die Anbieter hatten mit Aufträgen, die nach Zeit und Aufwand (Time and Material) abgerechnet wurden, im Jahr 2001 noch 5,5 Milliarden Euro eingenommen. Ein Jahr später waren es elf Prozent weniger. Das ist das Ergebnis einer für die Anbieter unheilvollen Konstellation. Zum einem ist es für die Auftraggeber in wirtschaftlich schweren Zeiten und unter Sparzwang am einfachsten, auf externe Leistungen wie beispielsweise Entwicklungsarbeiten zu verzichten. Die Verträge, von denen viele nur kurze Laufzeiten hatten, wurden daher im vergangenen Jahr oft nicht verlängert oder gar gekündigt. Zum anderen müssen externe Mitarbeiter dort, wo sie noch in Lohn und Brot

sind, häufig zu reduzierten Tagessätzen arbeiten. „Gerade dieses Segment ist unter erheblichen Preisdruck geraten“, schildert Ortwein.

Das ist zwar auch bei Aufträgen der Fall, die Zeit- und Budgetvereinbarungen unterliegen, doch die Auswirkungen schlagen sich weniger heftig nieder. PAC fasst dieses größte Segment aller projektbezogenen IT-Dienstleistungen in dem Sitsi-Programm unter der Rubrik Festpreisprojekte/System-Integration zusammen und beziffert das damit in Deutschland 2002 erzielte Umsatzvolumen auf knapp sechs Milliarden Euro. Damit gaben die Anwender 6,5 Prozent weniger aus als im Jahr 2001. Einen kleinen Hoffnungsschimmer verbreitet PAC dennoch: Den Tiefpunkt habe der Markt hinter sich gelassen. Für das laufende Jahr sei eine stabile Situation zu erwarten, bevor die Nachfrage im Jahr 2004 wieder kräftig anziehen werde.

Schulungsmarkt ist rückläufig

Um den relativ milden Wert von 2,9 Prozent ist im vergangenen Jahr der Bereich IT-Consulting zurückgegangen. „Hier sind vornehmlich erfahrene Berater tätig, deren Urteil die Unternehmen schätzen. Das gilt insbesondere für Dienste, die Einsparungen zum Ziel haben“, erläutert Ortwein. Deutsche Anwender gaben PAC zufolge im letzten Jahr summa summarum 2,4 Milliarden Euro für IT-Consulting-Dienste aus. Auch hier schauen die PAC-Experten zuversichtlich in die Zukunft. Das durchschnittliche Jahreswachstum von 2002 bis 2006 beziffern sie auf neun Prozent. Im laufenden Jahr verharrt der Markt auf dem Niveau von 2002.

Das schleppende Beratungsgeschäft schlug sich auch auf dem Schulungsmarkt nieder. Zum einen haben die Consulting-Häuser aufgrund der angespannten wirtschaftlichen Lage ihren Mitarbeitern nicht in dem früher gekannten Maße Weiterbildungsmaßnahmen gewährt. „Projekte und Investitionen in neue Techniken wurden verschoben. Das heißt, es war nicht zwingend erforderlich, die Experten zu schulen“, erläutert Ortwein. Unterm Strich gab es einen Rückgang von sechs Prozent.

Applikation-Management wächst deutlich

Ebenfalls widmete sich PAC im Rahmen der Projektservices-Untersuchungen auch dem Thema Applikations-Management. Zwar wurde der Markt auch in früheren Analysen betrachtet, doch immer nur als Teil des Outsourcing-Segments. „Dieser Bereich wird zunehmend von vielen Anbietern adressiert, die aus dem Projektgeschäft kommen“, begründet Ortwein den Schritt. „Sie wollen von verschiedenen Vorteilen profitieren: Zum einen können sie auf Basis von langfristigen Verträgen arbeiten, also genau wie beim Outsourcing. Zum anderen benötigt das Applikations-Management keine großen Startinvestitionen in IT-Infrastruktur, weil die Anwendungen weiterhin dem Anwenderunternehmen gehören.“ Logisch erscheint das Interesse an diesem Service auch deshalb, weil die Projektdienstleister ihr im Rahmen von Implementierungsvorhaben erworbenes Know-how auch in den Betrieb einbringen können.

Vor allem die guten Aussichten dürften die Anbieter locken. Mit einem künftigen Marktwachstum zwischen 25 und 30 Prozent erinnert dieser Markt an die goldenen Zeiten des IT-Dienstleistungsmarkts Ende der 90er Jahre. Allerdings wächst das Geschäft von einer relativ geringen Basis aus: Im vergangenen Jahr zahlten Anwender landesweit nur etwas über 270 Millionen Euro für den Anwendungsbetrieb an externe Dienstleister (ausgenommen ist das Application-Management, das im Rahmen von Komplett-Outsourcing-Verträgen ausgelagert wird). Bis zum Jahr 2006 erwarten die Marktforscher, dass sich das Umsatzvolumen weit mehr als verdoppeln wird. Genauere Ergebnisse soll eine für Mitte des Jahres geplante PAC-Studie liefern.