Benutzerbeteiligung: Ergebnisse einer empirischen Untersuchung (Teil I)

Der Zweck heiligt die Mittel -Akzeptanz rangiert erst danach

22.06.1990

Die Beteiligung der Benutzer am Einführungsprozeß von Bürokommunikations-Systemen hängt in erster Linie von den definierten Zielen der Unternehmensleitung ab. Eine qualitative Information der betroffenen Benutzer sowie eine sich anschließende umfassende Schulung sind unabdingbare Voraussetzungen für eine erfolgreiche Bürosystem-Implementierung.

Bürokommunikations-Systeme beschreiben einen hochaktuellen Diskussionsgegenstand in der Debatte um die Technisierung der Büroarbeit. Kaum ein Projekt in Forschung und Praxis läßt den Gesichtspunkt der Einführung von Bürokommunikations-Systemen unbeachtet.

So wird häufig das Grundproblem der Einführung von Bürotechniken in einer innovativen und komplexen Technik- und Organisationsdimension gesehen, wobei den Benutzern ein besonderer Stellenwert zuerkannt wird. Einschlägige Literatur empfiehlt im Zusammenhang mit dem "user involvement" daher die Beteiligung der Benutzer am Einführungsprozeß.

Doch wie stellt sich die Situation in der Praxis dar? Um der Frage der Ausgestaltung der Benutzerbeteiligung nachzugehen führten die Autoren eine Pilotstudie** mit dem Titel "Bürokommunikation und Benutzerbeteiligung" durch, deren wesentliche Ergebnisse in dieser und der nächsten Ausgabe vorgestellt werden.

Befragt wurden 37 Organisationen bedeutender Großunternehmen in der Bundesrepublik Deutschland, wobei sich die Betriebe auf die Wirtschaftszweige Industrie, Banken, Versicherungen und Handel verteilen. Die Befragung der Organisatoren, die sich in weiten Teilen an der Differenzierung der personellen Aufgabenträger, den Benutzerklassen, ausrichtet, leitet sich im Kontext mit der organisatorischen Gestaltung unmittelbar aus deren Aufgaben ab, da sich im Bereich der Bürokommunikation und des Einführungsprozesses ein deutlicher organisatorischer Tätigkeitsschwerpunkt entwickelt hat. Gleichermaßen konnte mit diesem Vorgehen die offiziöse Unternehmenspolitik erhoben werden.

Der Anteil der im Büro beschäftigten Mitarbeiter weist bei den untersuchten Unternehmen eine Bandbreite von 17 bis nahezu 100 Prozent auf: Ein wesentliches gemeinsames Merkmal der Untersuchungsfälle ist das relativ hohe technische Niveau der Bürokommunikation, das sich nicht nur in den eingesetzten Einzeltechniken, sondern insbesondere im Ausbauzustand der Bürokommunikations-Systeme zeigt. Im Vergleich zum jeweiligen Branchendurchschnitt geben danach 81,1 Prozent der befragten Unternehmen einen überdurchschnittlichen bis durchschnittlichen Ausbauzustand der Kommunikationssysteme im Büro an.

An erster Stelle der Ziele der Benutzerbeteiligung rangiert für die Organisatoren (Bewertungsskala 1 bis 5; 1 = sehr geringe Bedeutung, 5 = sehr hohe Bedeutung) die Steigerung der Nutzungsintensität von Bürokommunikations-Systemen (Mittelwert: 4,324)von der Erhöhung der Akzeptanz (4,0), der Steigerung der Qualität der Informationsverarbeitung (3,973), dem Abbau von Widerständen bei Mitarbeitern (3,892) und der Beseitigung ablauforganisatorischer Hemmnisse (3,838). Eine geringere Gewichtung kommt im Zielvergleich der Reduzierung von Abteilungskonflikten zu (3,027). Faßt man die Beteiligungsziele nach ihrem Objektbezug zusammen, ergeben sich Faktorenbewegungen in den jeweiligen Ausprägungen. Die Bewertung der Organisatoren ordnet den technischen Zielen die höchste Priorität zu (3,811), gefolgt von den personalen Zielen (3,670) und den organisatorischen Zielen (3,466).

Diese Analyse spricht für eine Ausrichtung der Benutzerbeteiligung auf zweckrationale Aspekte der Techniknutzung noch vor sozial-psychologischen Gesichtspunkten. Dies zeigt sich auch mit dem Verweis des Akzeptanzziels auf Platz zwei der Zielskala, obgleich die mangelnde Akzeptanz der Mitarbeiter gegenüber den neuen Techniksystemen häufig zur Begründung der Benutzerbeteiligung genannt wird.

Allerdings bleiben bei der Ordnung der Ziele Zweck-Mittel-Relationen wirksam, die in der Praxisbewertung nicht unmittelbar offenkundig werden. Beispielsweise läßt sich das Akzeptanzziel als Unterziel zum Ziel der Nutzungsintensität betrachten.

Wesentliche Voraussetzungen einer Beteiligung der Benutzer am Einführungsprozeß von Bürokommunikations-Systemen sind die ausreichende Information und Qualifizierung der Betroffenen.

Information

Hinsichtlich des Informationszeitpunktes zeigt sich eine deutliche Differenzierung nach den einzelnen Benutzerklassen: je höher die Mitarbeiter in der Hierarchie angesiedelt sind, desto früher werden sie informiert.

Wie aus der Tabelle ersichtlich ist, erfahren Führungskräfte weit vor den übrigen Benutzerklassen von Einführungsabsichten (Mittelwert: 1,162). Dies ergibt sich wohl daraus, daß Führungskräfte maßgeblich derartige Entscheidungen mitbestimmen.

Später folgt die Information der Fachkräfte (1,838), danach die der Sachbearbeiter (2,297) und Sekretärinnen (2,378). Am spätesten erhalten die Unterstützungs- und Schreibkräfte (2,784) die notwendigen Informationen.

Der Umfang der Information ist ebenfalls für die einzelnen Benutzerklassen unterschiedlich. Das Informationsausmaß ist hier bei den Fachkräften am größten (4,081) und bei den Unterstützungs- und Schreibkräften am geringsten (2,722) ausgeprägt. Zwischen diesen beiden Werten sind die Sachbearbeiter (3,919), die Führungskräfte (3,784) und die Sekretärinnen (3,297) angesiedelt.

Die Einordnung der Führungskräfte kann zunächst verwirren, wird aber - abgesehen von dem Grad der Betroffenheit der Benutzerklasse - mit dem Informationsverhalten in Organisationen verständlich: Der Informationsumfang begrenzt sich auf die relevanten Informationen, die von den unteren Hierarchieebenen vorgefiltert werden.

Dominante Informationswege sind für Führungs- und Fachkräfte das Einzelgespräch und für die überigen Benutzerklassen betriebsinterne Versammlungen.

Schulung

Ähnlich wie die Informationsaktivitäten nach den Benutzerklassen zu unterscheiden sind, stellt sich die Situation im Bereich der Schulung der Mitarbeiter dar.

Die bestimmende Schulungsform ist für Führungskräfte die Einweisung am Arbeitsplatz (83,8 Prozent), gefolgt von betriebsinternen und betriebsexternen Seminaren (37,8 Prozent und 16,2 Prozent).

Fachkräfte werden in erster Linie durch betriebsinterne Seminare geschult (81,1 Prozent), daran schließt sich die Einweisung am Arbeitsplatz (70,3 Prozent) an. Bei den Sachbearbeitern und Sekretärinnen sind betriebsinterne Seminare (83,8 und 83,8 Prozent) und die Einweisung am Arbeitsplatz (70,3 und 75,7 Prozent) die wichtigsten Schulungsformen. Ein Fünftel der Sachbearbeiter und Sekretärinnen besuche betriebsexterne Schulungen.

Mit gleichlautenden Prozent wertangaben werden die Unterstützungs- und Schreibkräfte zu jeweils 69,4 Prozent durch Einweisungen am Arbeitsplatz und durch betriebsinterne Seminare geschult.

Die zeitliche Dauer der Schulungsmaßnahmen ist in den befragten Unternehmungen eher auf kurzfristigere Vorhaben begrenzt.

Längere Schulungsseminare wie zum Beispiel mehrwöchige Seminare oder Monatsseminare, nannte kein Probant. Selten wird auch das Wochenseminar praktiziert.

Sofern Schulungen durchgeführt werden, geschieht dies in Stunden-, Tages- und mehrtägigen Seminaren. Die Zeitanteile verteilen sich bei den einzelnen Benutzerklassen wie folgt:

- Führungskräfte: Stundenseminare (58,3 Prozent),

- Fachkräfte: Seminare mit mehrtägiger Dauer (69,4 Prozent),

- Sachbearbeiter: Seminare mit mehrtägiger Dauer (63,9 Prozent),

- Sekretärinnen: Tagesseminare (52,8 Prozent),

- Unterstützungs- und Schreibkräfte: Stundenseminare (45,7 Prozent).

Die Schulungsinhalte sind für die einzelnen Benutzerklassen relativ identisch, wenn auch zu beachten ist, daß sich die Gewichtungen innerhalb der jeweiligen Mitarbeitergruppe unterschiedlich darstellen.

Allen Benutzern wird das notwendige Wissen über die Handhabung der Techniken der Bürokommunikation vermittelt. Schulungsdefizite sind regelmäßig dort zu vermuten, wo es um die Vermittlung von weitergehenden Schulungsinhalten geht. So fallen vor allem die Angaben der Organisatoren für das arbeitsplatzübergreifende Wissen und das strategisch wichtigere Nutzungswissen über Systeme der Bürokommunikation gering aus. Dies gilt insbesondere für Führungskräfte, Sekretärinnen sowie Unterstützungs- und Schreibkräfte. Am ehesten erhalten noch Fachkräfte und zum Teil Sachbearbeiter über das reine Handling-Wissen hinausgehende Informationen vermittelt.

(Teil 2 folgt in der nächsten Ausgabe)

Dr. rer. pol. Michael Hoffmann und Dr. rer. pol. Reinhard Weck waren bis Ende 1988 beziehungsweise Anfang 1989 wissenschaftliche Mitarbeiter am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Kassel. Michael Hoffmann ist jetzt bei der AEG Westinghouse Transport-Systeme GmbH, Berlin, im Projekt-Controlling tätig. Reinhard Weck leitet jetzt beim Bundesverband der Deutschen Industrie in Köln den Bereich Bürokommunikation.

**Die vollständige Veröffentlichung der Ergebnisse der Untersuchung ist unter dem Titel "Bürokommunikation und Beutzerbeteiligung: Eine Analyse der Beteiligung der Benutzer am Einführungsprozeß von Bürokommunikations-Systemen und Ergebnisse einer empirischen

Untersuchung" beim Verlag Peter Lang, Frankfurt (M.), erhältlich.