Der Skandal mit den behördlichen Formularen

11.04.1975

Der juristische Terminus heißt "Arbeitgeberfürsorgepflicht", - gemeint ist damit auch die Verpflichtung jeder Firma, für ihre Mitarbeiter Bescheinigungen und Bestätigungen auszufüllen, die aufgrund unterschiedlichster Gesetze, Erlässe und Verordnungen in Behörden aller Art benötigt werden. Insgesamt gibt es etwa 10 000 verschiedene Formulare zur Erhebung immer wieder der gleichen Daten über Arbeitsleistung und Entgelt. Die Auskunftsersuchen betreffs Umschulungsmaßnahmen, Wohnungsbau, Verdienstausfall, Drittschulderklärungen und vielerlei mehr kommen von Jugendämtern, Landesfeuerwehrschulen, Finanzbehörden, Kreiswehrersatzämtern, Berufsgenossenschaften, Polizeibehörden, Innungskrankenkassen und unendlich vielen anderen Institutionen aus allen Regionen, - jeweils auf eigenem Formular. Zudem gibt es oft genug in jedem Landkreis oder jeder Verwaltungsebene andere Begriffe, Formate und Schlüssel.

Desolater Zustand ineffizienter Bürokratie

Diese individuellen Formulare der Herren Oberkreisdirektoren und Gerichtspräsidenten, Konsuln und Obleute, oftmals unleserlich auf Billig-Saugpost hektographiert, dokumentieren den desolaten Zustand einer ineffizienten Bürokratie. Das ganze zudem in erbärmlichem Juristen-Deutsch, mit Begriffen aus dem Wörterbuch des Unmenschen: "Og." - das ist der "Obengenannte".

In ständiger Regelmäßigkeit werden staatlicherseits die Einkommensgrenzen für die Berechtigung auf Wohngelder, Kindergeld und Renten erhöht und jedesmal wird damit zugleich eine zusätzliche Bescheinigungsflut ausgelöst, denn die Neubewilligungen erfordern Neuanträge mit neuen Bescheinigungen.

Strapazierte Arbeitgeberfürsorgepflicht

Wenn schon der Staat die Arbeitsgeberfürsorgepflicht derartig strapaziert, dürfte zu erwarten sein, daß er Vorkehrungen trifft, damit diese Routine-Arbeiten auch automatisiert werden können. Wenn sich Wirtschaft und Staat auf einheitliche Einkommensbegriffe, Entgeltarten, Zeitfaktoren, Meldeintervalle und dergleichen einigen könnten, wäre das ganze behördliche Bescheinigungsunwesen ohne große Mühe per EDV zu erledigen. Ein Standard-Formular würde genügen, vielleicht auch einige wenige. Die Daten sind ohnehin in den Firmen gespeichert.

Was wäre das für ein schönes EDV-Förderprogramm, wenn hier Abhilfe geschaffen werden könnte. Aber das hauptsächlich zuständige Bonner Innenministerium schläft.