Utopie oder Sachzwang für die 80er Jahre?

Der Sachbearbeiter als sein eigener Programmierer

13.06.1980

Der technologische Fortschritt hat dazu geführt, daß eingangs der 80er Jahre Computerleistung und Speicherkapazitäten außerordentlich preiswert verfügbar sind. Gleichzeitig hat der Computer seine "Nützlichkeit" in vielen Unternehmen schon nachdrücklich unter Beweis gestellt. Die Herstel!er gingen darüber hinaus mit einem Auftragsbestand an Computerleistung und Speicherkapazitäten in die 80er Jahre, der wohl größer ist, als der gesamte derzeit installierte Bestand. Bringen uns demnach die 80er Jahre eine "heile Welt" fur Hersteller und Benutzer von Computern?

Nach Bewältigung der administrativen Aufgaben besteht zu Beginn des neuen Jahrzehnts eine zunehmende Tendenz zum Einsatz des "Denkverstärkers" Computer für dispositive und planerische Aufgaben. Die Mittel dafür stehen bereit, denn in den letzten fünf Jahren haben sich Rechenleistung und Speicherkapazitäten etwa verfünffacht. Einzig die Zahl der Programmierer hat mit der Entwicklung nicht Schritt gehalten - sie nahm allenfalls um zehn Prozent zu; Eine aufgrund neuer (und anspruchsvollerer) Anwendungen steigende Nachfrage trifft somit auf einen leergefegten Arbeitsmarkt.

Lassen sich die neuen Möglichkeiten, die leistungsfähigere Computer und größere Speichersysteme bieten dann überhaupt noch nutzen, wenn manche Unternehmen einen "Auftragsbestand" an unerledigten Programmierarbeiten von bis zu zwei Jahren vor sich herschieben und teilweise bis zu 80 Prozent der Programmierkapazität für die Wartung der bestehenden Programme gebunden ist? Die "Bewältigung der Vergangenheit" wird immer schwieriger, für Neues bleibt immer weniger Spielraum.

Weil die Computer mittlerweile über so große Massenspeicher vermögen, und Daten so schon speichern und aufbereiten können, haben wir uns daran gewohnt, die Datenarchivierung in der konventionellen/traditionellen Form aufzugeben und alles per Computer zu speichern. Damit sind Sachbearbeiter und Manager von ihrer gewohnten Datenversorgung zumindest teilweise abgeschnitten. Sie brauchen den Programmierer als "Dolmetscher", um wieder an "ihre" Daten heranzukommen. Der (Teufels-) Kreis scheint sich zu schließen. Auf der einen Seite immer mehr preiswerte Leistung und Speicherkapazität auf der anderen Seite immer weniger Programmierkapazität, um diese Leistung sinnvoll einzusetzen. Ist der Notstand durch fehlende Programmierkapazität nicht endgültig vorprogramrniert?

Vor einer vergleichbaren Situation standen wir in den 20er Jahren, als eine Studie der Bell Telephone Company für die 50er Jahre voraussagte, daß zu diesem Zeitpunkt 50 Prozent der Amerikaner damit beschäftigt sein werden, die Gespräche zu vermitteln, die die andere Hälfte der Amerikaner gerade führt. Die Prognose trat ein nur in leicht veränderter Form. Durch die Einführung des Selbstwählbetriebes waren die 50 Prozent Telefonierender gleichzeitig auch ihre eigenen Vermittler.

Wir wissen, daß sich die Programmierkapazität auch nicht annähernd in dem Umfang steigern läßt, wie die Leistung und Speicherkapazität der Computer. Welcher Ausweg bietet sich an? Der Erfolgversprechendste: immer stärkeres Ausnutzen des Computers selbst für die Programmierung.

Dadurch, daß man immer größere Teile (preiswerter Computerleistung) dafür einsetzt, um immer mehr Mitarbeitern den direkten Zugang und unkomplizierten Umgang mit dern Computer zu ermöglichen, soll dem Engpaß entgegengewirkt werden. Beispielsweise um generalisierte Abfragesysteme für Dateien und Datenbanken zu "treiben", oder um über einfach strukturierte Sprachen, die der Aufgabenstellung eines Sachbearbeiters angepaßt sind, diesem selbst die Problemformulierung zu ermöglichen - im "Selbstwählbetrieb" sozusagen ohne Umweg über die "Handvermittlung" durch den Programmierer.

Konkrete Beispiele dafür sind die bei dem neu angekündigten Dialog-Computer- System 80 von Sperry Univac vorhandene Abfragesprache Unique oder Escort, eine der Aufgabenstellung von Sachbearbeitern angepaßte Programmiersprache, die für einfach strukturierte Aufgaben die Problemformulierung in einer quasi natürlichen Sprache ohne großes EDV-Wissen ermöglicht.

Bei der Nutzung des Computers wird ein Sinneswandel eintreten müssen. Es wird auch künftig eine Vielfalt von Aufgaben geben, die man im Sinne der "klassischen Programmierung" auf den Computer überträgt. Es gibt aber immer mehr Einmal-/Einzweckaufgaben, die besser der Sachbearbeiter selbst in Form von "Wegwerf"-Programmen erledigt, die eine Programmierung im klassischen Sinne schon aus Kapazitäts- und Kastengründen nicht rechtfertigt.

Hand in Hand damit sollte in den Schulen die Methodik der Programmierung gelehrt werden. Im Sinne des Erlernens einer speziellen Fremdsprache, die der künftige Berufspartner Computer spricht und versteht. Denn in Zukunft wird der Berufserfolg unter anderem davon abhängen, wie gut man mit dem "Denkverstärker" Computer umgehen kann.

*Josef Pecher ist Direktor Marketing der Sperry GmbH, Geschäftsbereich Sperry Univac, Sulzbach.