Der Return - on - lnvestment ist nicht simpel zu berechnen, aber:Geschickte Terminalwahl spart Folgekosten

14.02.1986

DORTMUND - Noch immer wird Ergonomie bei der Gestaltung von Bildschirmarbeitsplätzen als Sozial - Klimbim oder Schnickschnack angesehen. Dennoch, ein korrekt gestalteter Arbeitsplatz kann einen erheblichen Teil an den Folgekosten sparen, die durch Fluktuation und geringe Produktivität verursacht werden. Dieter Bode von der Tandberg Data GmbH aus Dortmund bricht in seinem Beitrag eine Lanze für die "Bildschirm - Ergonomie".

Seit es bei cleveren Marketing - Leuten und Werbe - Sprüchlern Mode geworden ist, jede "runde Ecke" am neuen Schreibtischmodell als arbeitsmedizinische Großtat zu feiern, jeden Bürostuhl "sanatoriumsgerecht" zu nennen und Systeme bereits dann als "bedienerfreundlich" hinzustellen, wenn sich der Power - Knopf an der Elektronik -Schreibmaschine ohne Taschenlampe finden läßt, ist das Ergonomie - Getue beim Anwender in Verruf gekommen. Ganz besonders konzentriert sich die Diskussion auf die Bildschirmarbeitsplätze.

Kein Zweifel: Hersteller und auch Anwender sind bei der Gestaltung solcher Arbeitsplätze an Gesetze, Regeln und Normen gebunden, deren Sinn nicht immer auf den ersten Blick einsehbar ist. Aber ist Ergonomie am Arbeitsplatz deshalb - womöglich teurer - Unfug?

Keineswegs: Sie ist vielmehr über die eigentlich selbstverständliche Erfüllung rechtlicher oder gesetzesähnlicher Normen hinaus eine durchaus sinnvolle und wirtschaftliche Investition, auch wenn der "Return - on - Investment" sich nicht immer so einfach erschließt wie beim Kauf einer neuen Werkzeugmaschine.

Zunächst einmal zur Rechtslage. Professor Wittkämper von der Universität Münster stellte unlängst in einem Fachreferat vor Bürokommunikationsexperten fest: "Unter den westlichen Industriegesellschaften, möglicherweise aber auch darüber hinaus unter allen Staaten der Welt, ist die Bundesrepublik Deutschland derjenige Staat, der die bei weitem größte Regelungsdichte im Bereich des Arbeitsrechtes aufweist." Und er fährt fort: "Einen besonders eindrucksvollen Regelungsblock bildet das Arbeitsschutzrecht."

Dazu zählt im weitesten Sinne - auch wenn DIN - Normen und - Regeln der Berufsgenossenschaften nur unmittelbar Gesetzeskraft haben - das ganze Spektrum von Vereinbarungen und Vorschriften, nach denen Arbeitsplätze so gestaltet sein müssen, daß sie technische Sicherheit und arbeitsphysiologische und medizinische "Unbedenklichkeit" aufweisen.

Dazu zählen, zum Beispiel für die unmittelbare Gestaltung von Bildschirmarbeitsplätzen, etwa die "Sicherheitsregeln für Bildschirmarbeitsplätze" (ZH 1 / 618) der Berufsgenossenschaften ebenso wie DIN 66234 (Bildschirmarbeitsplätze / Beleuchtung und Anordnung), ganz allgemein aber auch VDE - Vorschriften, Arbeitsstättenverordnung, Arbeitsstättenrichtlinien, Sicherheitsregeln für Büroarbeitsplätze und rund zwei Dutzend weitere Normen und Regeln, die für Beleuchtung, Klima und Lärm "zuständig" sind.

Sicherlich ein "Gestrüpp von Regeln", bestimmt im einen oder anderen Punkt ein wenig bürokratisch und vielleicht überzogen, in anderen Punkten gar noch unbefriedigend - aber sie spiegeln ganz ohne Zweifel mindestens drei wichtige gesellschaftliche Zustände wider:

-- Kultur am Arbeitsplatz, und damit auch Unternehmenskultur, wie es in einem zivilisierten Industriestaat nur angemessen sein kann.

-- Rechtlich abgesicherte Rücksichtnahme auf Interessen und Gesundheit der Arbeitnehmer, immerhin noch der Mehrheit aller Berufstätigen. (Schon in wenigen Jahren werden die Bürobeschäftigten auch die Mehrheit aller Arbeitnehmer stellen, die Industriegesellschaft wandelt sich zur Dienstleistungsgesellschaft.)

- Unmittelbare Gesundheits - und Sozialfürsorge, da Berufskrankheiten und vorzeitige Invalidität die "Solidargemeinschaft" Staat finanziell durch die Folgekosten in ganz unangemessener Weise belasten. Unangemessen vor allem im Vergleich zu den geringfügigen Mehrkosten, die "regelgerecht" gestaltete Arbeitsplätze verursachen.

Wie sehr Staat und Gesellschaft diese Grundnormen der "Kultur am Arbeitsplatz" eingehalten wissen wollen, erhellt sich nicht zuletzt aus der Tatsache, daß Betriebs - und Personalräten stärker als in jedem anderen Land ein Mitspracherecht bei der Gestaltung von Büroarbeitsplätzen eingeräumt wird. Das gilt insbesondere bei "Innovationen", wie sie ja ohne Zweifel die Einführung von Bildschirmarbeitsplätzen bedeutet.

Sieht man den Bildschirm gar als Mittelpunkt zukünftiger Multifunktions - Arbeitsplätze im Rahmen der Bürokommunikation an, wird verständlich, warum sich Verordnungen, Sicher - heitsregeln und Normen gerade um dieses Medium "ranken".

Einer der Gründe ist natürlich der, daß wegen der besonderen Arbeitsbedingungen, die die Intelligenz und Psyche, den Sehapparat sowie die Motorik des Menschen tangieren, aber auch wegen der tiefgreifenden organisatorischen Veränderungen, die das Bildschirmterminal in der "Arbeitsgemeinschaft Büro" bewirkt, die Zusammenhänge zwischen diesem "Denkzeug" und den Empfindungen der Benutzer in vielen wissenschaftlichen Studien untersucht wurden. Diese Ergebnisse flossen in Normen und Regeln ein.

Die Frage, ob sich die Investition in ergonomisch gut oder gar ein bißchen besser gestaltete Bildschirmarbeitsplätze lohnt, ist in einem Punkt eindeutig mit "Ja" zu beantworten. Wenn gut gestaltete Arbeitsplätze zur Folge haben, daß Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen weniger oft erkranken und damit ausfallen, spart das Unternehmen enorme Ausfallzeiten und Folgekosten. Folgekosten, etwa für die Neuanwerbung von Personal, werden auch dann vermieden, wenn bessere Arbeitsplätze und insgesamt eine höhere "Unternehmenskultur" die Fluktuation herabsetzen.

Sehr viel schwieriger ist ein anderer Wirkungszusammenhang zu klären und zu untermauern. Etwa die Argumentationskette: Gute (Bildschirm -) Arbeitsplätze machen zufriedene und schaffen motivierte Mitarbeiter, die auch noch weniger häufig erkranken. Motivierte und gesunde Mitarbeiter leisten mehr, sie sind produktiver und engagierter.

Höhere Produktivität, verbunden mit mehr Kreativität, weil die Mitarbeiter durch ihr Arbeitsmittel informierter sind, schlägt um in Kostensenkung und verbesserte Wirtschaftlichkeit des Unternehmens. Die beiden Fliegen "Rationalisierung" und "Humanisierung" der Arbeitsplätze werden mit der gleichen ergonomischen Klappe erschlagen.

Allerdings: Bei dieser Argumentationskette, für deren Richtigkeit vieles spricht, ist trotzdem Vorsicht geboten. Denn streng wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem komplizierten Zusammenhang, die sich über längere Zeiträume erstrecken müßten, gibt es praktisch nicht. Allerdings ist auf eine Privatinitiative hin in Nordrhein - Westfalen ein solches Projekt im Entstehen: Dort wollen Terminalhersteller Büromaschinen - und Büromöbel zusammen mit Arbeitsmedizinern und Arbeitswissenschaftler verschiedener Disziplinen bei Anwender beziehungsweise Benutzern eine entsprechende Studie anfertigen. Immerhin gilt, was Professor Peter Mertens vom Betriebswirtschaftlichen Institut Nürnberg unlängst feststellte: Ergonomisch gut gestaltete Geräte, "menschenfreundliche" Bedienungsoberflächen (was ja auch eine Frage der Software - Ergonomie ist) und "Funktionsbündel", die eine flexible und hohe Anpassung an die Organisationsumwelt erlauben, erhöhen direkt die Motivation und damit die Produktivität der Mitarbeiter. In Hunderten von untersuchten Einzelfällen standen beim Einsatz gut gestalteter Informationstechnischer Equipments nach Aussagen der Anwender folgende Vorteile an der Spitze einer langen Liste von Auswirkungen: geringe Kosten, Zeitersparnis, höhere Produktivität und besseres Informationshanding.

Der letzte Punkt ist nicht zu unterschätzen. "Informationstechnologie", so Dr. Ahmet Cakir vom Berliner Ergonomic - Institut, "stellt den Schlüssel zur Nutzung einer neuen Ressource, der Information, dar, die, andere als die klassischen Unternehmensressourcen

Kapital, Arbeit und Energie, sich durch Nutzung vervielfachen und wertvoller werden kann, ohne verbraucht zu werden." Gut gestaltene Bildschirmarbeitsplätze sind die vornehmsten Werkzeuge dazu.