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Der Mythos vom mündigen Online-Shopper wankt

02.06.2005

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Ein Anbieter, der einen Shop im Internet betreibt, muss allen Käufern zum selben Zeitpunkt auch denselben Preis anbieten - das glauben 64 Prozent der erwachsenen US-Amerikaner. In einer gerade veröffentlichten Studie räumt das Annenberg Public Policy Center (APPC) der University of Pennsylvania nicht nur mit diesem Irrglauben auf, sondern auch mit der Mär vom gut informierten Online-Kunden. Nur wenige Internet-Shopper seien sich darüber im Klaren, wie viele Informationen sie beim Web-Surfen hinterlassen und wie sich die daraus ableitbaren Kaufmuster auf den Preis einer Ware auswirken können, so das Fazit.

Die von Joseph Turow geleitete Untersuchung identifiziert "17 Fakten, die amerikanische Käufer wissen sollten"; die Studienteilnehmer lagen im Durchschnitt nicht einmal bei sieben davon richtig. Beispielsweise vertraten drei Viertel die Ansicht, dass ein Unternehmen mit einer veröffentlichten Privacy Policy keinerlei Informationen mit anderen Websites oder Firmen austauschen würde. De facto beschreibt ein solches Statement jedoch - häufig in verklausulierter Sprache - nur, welche (!) Informationen weitergegeben werden.

Was die Unternehmen mit diesen Daten anfangen, verraten sie selbstverständlich nicht. Und offenbar versagt in diesem Punkt auch die Vorstellungskraft vieler Konsumenten. Unwissenheit herrscht insbesondere darüber, was das Gesetz alles erlaubt - mit einer fatalen Konsequenz. "Käufer, die nicht wissen, wie Preisdiskriminierung funktioniert und welche Rechte sie hinsichtlich des Gebrauchs ihrer Daten durch die Unternehmen haben, zahlen am Ende möglicherweise für dieselben Produkte mehr als andere," warnt Turow: "Datenbank-gestützte Unterscheidungen werden sich mit einiger Wahrscheinlichkeit überall ausbreiten; eine wachsende Zahl von Händlern nutzt Informationen, von denen die Kunden nicht einmal wissen, dass sie sie überhaupt preisgegebenen haben."

Egal, ob durch die Naivität der Konsumenten oder durch bewusste Irreführung verursacht - der Mangel an Information ist eklatant. Deshalb schlägt die APPC-Studie drei Maßnahmen vor, mit denen er sich beheben ließe: Zum einen müssten die Anbieter verpflichtet werden, den Begriff Privacy Policy durch "Using your Information" zu ersetzen. Zweitens gehöre die Erziehung zum mündigen Konsumenten in die Curricula aller Schultypen. Last, but not least sollten die Händler offen legen müssen, welche Surfer-Daten sie gesammelt haben und wie die daraus generierten Informationen den Umfang mit dem Kunden beeinflussen.

Für die "Open to Exploitation: American Shoppers Online and Offline" genannte Studie hat das Marktforschungsunternehmen International Communication Research (ICR) im Februar und März dieses Jahres rund 1500 erwachsene Personen befragt, die nach eigenen Angaben innerhalb der vergangenen 30 Tage das Web genutzt hatten. Es ließ seine Mitarbeiter mit jedem Teilnehmer ein etwa 20-minütiges Telefon-Interview führen. Der ausführliche Bericht steht auf der Webpage des APPC zum Download bereit. (qua)