Der MBA als Karrierebeschleuniger

28.04.2006
Von 
Winfried Gertz ist Journalist in München. Er arbeitet in einem Netzwerk von zahlreichen Anbietern kreativer Dienstleistungen. Das Spektrum reicht von redaktioneller Hörfunk- und Fernsehproduktion über professionelle Fotografie bis zu Werbetexten für Industrieunternehmen und Non-Profit-Organisationen.
Viele IT-Experten sind auf Führungsaufgaben nicht vorbereitet. Mit einem Master of Business Administration (MBA) können sie diese Scharte auswetzen, versprechen Business Schools.

Die vergangenen 18 Monate hatten es in sich. Für die 17 Teilnehmer des MBA-Kurses "IT Management and Information Systems", der Anfang 2005 von den Fachhochschulen Ansbach, Deggendorf und Ingolstadt gemeinsam mit der Bay-Tech-Akademie aus der Taufe gehoben wurde, geht die anstrengende Zeit des berufsbegleitenden Büffelns im Juli zu Ende. Jörg Bindner, Softwareentwickler bei der Siemens Audiologische Technik GmbH in Nürnberg, knüpft hohe Erwartungen an den Titel, der internationales Flair verströmt: "Mit dem MBA möchte ich Management-Aufgaben, für die ich als Informatiker nicht ausgebildet wurde, besser bewältigen und mich für weitere Aufgaben empfehlen."

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Klassisches Studium reicht nicht

Um in der IT nach oben zu kommen, reicht die im Studium sowie in herkömmlichen Trainings gewonnene Fachkompetenz nicht mehr aus. Davon sind wie Bindner immer mehr karriereorientierte Informatiker und Quereinsteiger überzeugt. IT könne nicht bestehen "ohne Verbindung zum Business", meint etwa der Wirtschaftsingenieur Stefan Ropers, der bei der Microsoft Deutschland GmbH in Unterschleißheim die Geschäftseinheit Server leitet. Um mehr über die Herausforderungen in anderen reifen Industrien zu lernen, besucht er einen MBA-Kurs an der jüngst eröffneten Duke Goethe Business School, eine gemeinsam mit der Duke University betriebene Stiftung der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Neben den Blockkursen, die an Wochenenden stattfinden, nimmt er sich pro Woche etwa 15 Stunden Zeit für den MBA. Ein Viertel entfällt auf Lektüre, den Rest verschlingt die Arbeit an Fallbeispielen und im Team.

"Der Kurs hilft mir, neue Perspektiven einzunehmen", ist Ropers überzeugt. Was er in der Business School durch Austausch mit Teilnehmern aus anderen Industrien gelernt hat, will Ropers bei Microsoft in kundenorientierte Angebote umsetzen. Ähnlich sieht es Ropers? Kommilitone Hermes Wienands, Senior Manager bei Accenture. Für ihn ist der IT-Professional heute nicht mehr allein Experte für Entwicklung und Betrieb von IT-Systemen, sondern müsse den Kunden "bei der Umsetzung seiner Vorhaben beraten und die Aktivitäten koordinieren".

So sehr die Ziele der MBA-Aspiranten sich ähneln, so eifgersüchtig beharren die Bildungsanbieter darauf, jeweils das einzig wahre Konzept zu haben. Kritik an "Nischenprogrammen" wie dem MBA-Kurs "IT Management and Information Systems" äußert etwa der Münchner Unternehmensberater Bernhard Schmid, selbst im Besitz eines MBA der holländischen Nimbas- Universität in Utrecht, die auch in Deutschland an vier Standorten vertreten ist. "Ein MBA verbessert die Führungsqualitäten der High-Potentials von heute und Unternehmensleiter von morgen und übermorgen. Das ist weit mehr als das Trainieren von Management-Tools." Der Informatiker Schmid hegt den Verdacht, Fachhochschulen würden nur ihr bestehendes Angebot auf "MBA" umetikettieren, um im Zuge des Bologna-Prozesses, der bis 2010 einen gemeinsamen europäischen Hochschulraum schaffen soll, Anlaufstation für orientierungslose Halbakademiker zu werden.

Auch Mark Wahrenburg, auf Banken spezialisierter Betriebswirtschaftsprofessor an der Universität Frankfurt am Main und Dekan der Duke Goethe Business School, hält die Fachhochschul-MBAs für unzureichend. Für ihn zählt der Duke Goethe Executive MBA zur "Oberklasse der MBA-Programme mit einem sehr wettbewerbsfähigen Preis". Wie in eine In-Diskothek komme nicht jeder hinein. Zugang zur Management-Ausbildung und zu einem Netzwerk, auf das sie ihr Leben lang zurückgreifen könnten, erhielten lediglich "junge Führungskräfte mit großem Potenzial". Für eine Karriere in der IT-Branche sei es wichtig, über den eigenen Tellerrand zu schauen und Führungsprobleme mit Teilnehmern aus verschiedensten Branchen zu diskutieren.

Ropers etwa war bereits Produkt-Manager, Startup-Gründer sowie McKinsey-Berater, ehe er zu Microsoft stieß. Dort zählt er zu den Kandidaten, die gezielt für internationale Führungsaufgaben vorbereitet werden. Wie Wahrenburg beobachtet, praktizieren viele Konzerne eine solche Nachfolgeplanung, für die sich auch zunehmend IT-Professionals ins Gespräch bringen. "Von diesen Menschen wird Management-Kompetenz, strategischer Weitblick und Führungsstärke erwartet."

Profilierung wichtig

Überspitzt formuliert lautet die Wahl für karriereorientierte IT-Profis also: Bildungsstätte von Rang oder No-Name-Schmiede. Fakt ist: Während der Partner der Goethe Business School, die Duke University, in den einschlägigen MBA-Rankings, etwa der "Financial Times", ganz vorn mitspielt, steht dem MBA-Programm "IT Management and Information Systems" das Akkreditierungsverfahren, das die Qualität des Studiengangs untersucht, noch bevor. "Ein weiterer wichtiger Schritt zur Profilierung", hofft Studienleiter Werner Schmidt, Professor für Betriebswirtschaft und E-Business an der Fachhhochschule Ingolstadt.

Der Eindruck, dass die beiden MBA-Programme in verschiedenen Ligen spielen, scheint sich auch bei den Kosten zu bestätigen. Während der von Ropers gewählte und von Microsoft ohne Abstriche finanzierte MBA-Kurs an der Goethe Business School mit rund 50 000 Euro zu Buche schlägt, muss Bindners Arbeitgeber mit knapp 14 000 Euro weitaus weniger tief in die Tasche greifen. Geben sich in Frankfurt neben Teilnehmern aus anderen Branchen Mitarbeiter der IT-Größen wie Microsoft, IBM und Accenture die Klinke in die Hand, rekrutieren sich die Teilnehmer des Fachhochschul-MBA mit Ausnahme von Siemens allesamt aus mittelständischen Anwenderfirmen.

In Ehrfurcht erstarrt Doris Schneider, Leiterin der Bay-Tech-Akademie, deshalb nicht: "Wir sind beileibe kein Billiganbieter. Alle drei beteiligten Fachhochschulen haben im Ranking des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) einen Platz unter den zehn besten Fachhochschulen belegt." Für bestimmte Teilnehmer sei der MBA-Kurs "IT Management and Information Systems" (ITMIS) genau das Richtige.

IT unter Rechtfertigungsdruck

Für den Ingolstädter Studenleiter Schmidt liegt auf der Hand, warum MBA-Studiengänge mit speziellem Fachbezug wie ITMIS sich nicht hinter der teuren Konkurrenz verstecken müssen. Wollten diese ihren angehenden Executive MBAs grundlegendes betriebswirtschaftliches Wissen für eine internationale Karriere vermitteln, schärfe ITMIS gezielt auf IT gerichtete Management-Qualifikationen. Schmidt: "Unsere Lehrveranstaltungen beschäftigen sich mit IT-Controlling und IT-Strategie anstatt allgemein mit Controlling und Strategie."

Schmidt zufolge will ITMIS überzeugende Antworten geben auf die jüngste Entwicklung in der IT, die in Unternehmen zuletzt stark an Bedeutung zugenommen habe und mancherorts sogar in den Rang eines strategischen Wettbewerbsfaktors vorgerückt sei. Einerseits beeinflussten sich IT- und Unternehmensstrategie gegenseitig ("Alignment"), andererseits eröffne IT neue strategische Optionen ("Enabling"). Im Business wird diese Sichtweise indes nicht allgemein geteilt. Dort halten sich hartnäckig Vorbehalte, etwa dass die IT-Investitionen viel zu wenig von der versprochenen Wertschöpfung brächten, sofern überhaupt eine zu erkennen sei. "IT ist unter Rechtfertigungsdruck geraten", fasst Schmidt die Diskussion zusammen. Deshalb sei es wichtig zu hinterfragen, "was sie tut und wie sie es tut".

Hieraus leitet Schmidt den integrativen Ansatz ab, der dem MBA-Kurs seinen Stempel verleihen und den Teilnehmern nützen soll. Schließlich müssen sie ihren Wertschöpfungsbeitrag den Business-Vertretern überzeugend darstellen können. Als Ergänzung zu den Fachkenntnissen der Teilnehmer, etwa in der Softwareentwicklung, will der MBA interdisziplinäres Wissen (Informatik, Betriebswirtschaft, Recht) sowie moderne Management-Konzepte vermitteln und soziale Kompetenzen wie Teamarbeit und Konfliktlösung schärfen. "Ich habe neue Ideen und Arbeitsansätze mit ins Unternehmen gebracht", sagt etwa Betriebswirt Matthias Kolberg, Softwareentwickler bei der Datev eG in Nürnberg. ITMIS bietet sich als gezielte Qualifikation gerade dort an, wo sich IT-Vertreter firmenintern mehr Gehör verschaffen wollen. Gerade hier zeigt sich der maßgebliche Unterschied zwischen den Konzepten. "Als Unternehmen profitieren wir von Best Practises anderer Branchen, die unsere Mitarbeiter aus den Kursen mitbringen", erläutert Tim Ackermann, Personal-Manager von Microsoft, warum sich für beide Seiten die Investition in ein Studium zum Executive MBA lohnt. "Unsere Mitarbeiter feilen an ihren Netzwerken und erwerben damit eine Schlüsselqualifikation für erfolgreiche Manager." Internationalität sowie die Chance, das individuelle Führungsprofil zu schärfen und intensiv berufliche Netzwerke zu spinnen, verleihen der MBA-Ausbildung von GBS wie auch der Gisma Business School in Hannover, der Mannheim Business School oder Nimbas das entscheidende Profil. Ihr durch Rankings und Akkreditierungen erworbener Ruf errichtet hohe Hürden für Herausforderer mit Nischenanspruch wie ITMIS. Die haben auch damit zu kämpfen, dass Personalleiter sich gerne an klangvollen Namen orientieren.

Firmen fördern MBA-Ausbildung

Doch Schmidt gibt nicht klein bei: "Wir wollen gezielt IT-Spezialisten mit Potenzial zur Führungskraft ansprechen, auf die nur wenige deutsche MBA-Programme zugeschnitten sind." Zudem scheint der wieder aufflammende Krieg um Talente FH-Programmen wie ITMIS in die Hände zu spielen. Schmidt zufolge rekrutieren Firmen deshalb für Führungspositionen verstärkt Mitarbeiter aus eigenen Reihen und "qualifizieren diese mit Studiengängen wie dem unsrigen". Kaum habe der Geschäftsführer einer Computerfirma den MBA absolviert, "schickt er seine Mitarbeiter zu uns". (hk)