Online-Training/Lufthansa startet großflächiges E-Learning-Projekt

Der gelbe Kranich steuert eine neue Route bei der Weiterbildung an

11.08.2000
Die Lufthansa AG möchte bei der Aus- und Weiterbildung neue Wege gehen. Ein Projekt zur strategischen Neuausrichtung des Trainings für den Geschäftsbereich Passage bildete den Anfang einer neuen Bildungsära. Die Online-Lernplattform "Learnway" soll im Oktober online gehen. Von Ingrid Weidner*

Bereits 1998 entschieden die Bildungsexperten der Lufthansa AG, dass Web-basierendes Training (WBT) ein zentraler Be-standteil des neuen Trainingsprogramms sein wird. Eine zentrale Lernplattform soll allen Mitarbeitern weltweit zur Verfügung stehen und ausgewählte Bildungsangebote enthalten, so die Zielvorgabe. "Wir wollten mehr Flexibilität für die lernenden Mitarbeiter, unsere Themen schneller aktualisieren und Interaktivität über das Netz ermöglichen", so Ulrich Klein, Leiter Multimedia Training Passage Airline.

Das Weiterbildungszentrum in Seeheim-Jugenheim bei Darmstadt dient seit 1973 als zentrales Schulungszentrum für das Bodenpersonal der Lufthansa Passage. Insgesamt 5500 Mitarbeiter werden jährlich dort geschult und trainiert. Derzeit stehen 158 englischsprachige und 271 deutschsprachige Präsenzlehrgänge zur Verfügung. Auch in Zukunft steht das idyllisch gelegene Schulungs-zentrum nicht leer. Vielmehr planen die Bildungsstrategen einen Mix aus Online- und Präsenzlernphasen.

"Die Nähe zum Arbeitsplatz kann den Lernerfolg erhöhen", so Klein. In Zukunft sollen die Mitarbeiter vor der ersten Kursphase in Seeheim Basiswissen über das Netz selbständig lernen und erarbeiten. Ein vierwöchiger Kurs könnte sich in Zukunft auf zwei Wochen Online-Training und zwei Wochen Workshop in Seeheim verteilen. "Wir möchten die Präsenzphasen auf keinen Fall ganz streichen", erläutert Udo Sonne von Multimedia Passage Airline. Besonders beim Training der so genannten Soft Skills sieht Sonne das Live-Training als gute Möglichkeit, Erfahrungen auszutauschen und vom Feedback der Kollegen und Trainer im Workshop zu profitieren.

Während der Konzeption hat sich das Projektteam bei ähnlich großen Unternehmen umgesehen, wie diese ihr Bildungsangebot im Netz darbieten. "IBM beriet uns in strategischen Fragen, nachdem dort bereits Online-Lernen erfolgreich eingesetzt wurde", so Klein. Auf eine Ausschreibung hin gingen 16 Anbieter von Plattformen ins Rennen. In der zweiten Auswahlrunde blieben fünf übrig. "Wir hatten einen Wunschkatalog erstellt, welche techni-schen Details und Features das System enthalten sollte, das unseren Anforderungen entspricht", so Sonne.

Schließlich erhielt die IMC GmbH den Zuschlag. Die Standardsoftware Clix (Corporate Learning and Information Exchange) der Saarbrückener Firma bildet die Grundlage des Lernportals der Lufthansa AG. Beide Un-ternehmen entschlossen sich zu einer strategischen Partnerschaft. Die Weiterentwicklung und Ergänzung erfolgt in enger Zusammenarbeit. In der Testphase bis Ende Juli wurde die Software ständig erweitert und den speziellen Wünschen der Fluglinie angepasst.

Insgesamt 50 Mitarbeiter in London, Düsseldorf, Hannover, Paris und Zürich testeten die Funktionalität des Systems. In Zukunft können die Beschäftigten Online- und Präsenzkurse über die Plattform auswählen und bearbeiten. Nach der Anmeldung zum Kurs steht jedem Teilnehmer eine Art persönliche Homepage zur Verfügung, in der neben Namen, Arbeitsort und Tätigkeitsfelder persönliche Angaben wie Hobbys oder ein Foto die Kommunikation der Kursteilnehmer erleichtern soll.

Die Mediathek bietet den Mitarbeitern eine ganze Reihe von zusätzlichen Lernmodulen zum Selbstlernen. "Auf diese Weise möchten wir den Mitarbeitern Lernangebote zur Verfügung stellen und eine neue Lernkultur unterstützen", so Sonne.

Ein wesentliches Element des Online-Trainings bei Lufthansa ist das arbeitsplatznahe Lernen. Hier ergeben sich zahlreiche Her-ausforderungen, denn gerade viele Mitarbeiter im Servicebereich, etwa beim Einchecken am Flughafen, verfügen nicht über einen festen Arbeitsplatz, sondern teilen sich ein Computer-Terminal mit anderen Kollegen im Schichtdienst. "Hier überlegen wir, ob Lerninseln oder Lernzentren das Problem lösen könnten", so Klein.

Aber auch bei Beschäftigten mit festem Arbeitsplatz muss für die Kollegen und Vorgesetzten klar sein, wann ein Mitarbeiter lernt und nicht für Fragen des Tagesgeschäfts zur Verfügung steht. "Irgendwie muss es für andere erkennbar sein, dass der Kollege gerade lernt und nicht am Computer spielt", so Bernhard Tenger, Multimedia Training Passage Airline. Ob es ein Schild am Schreibtisch sein wird, das fragende Kollegen zum Schweigen bringt, darüber berät das Team noch.

Nach der Evaluationsphase im August beginnt das interne Marketing für das neue Lernsystem Learnway. "Wir wollen natürlich, dass so viele Mitarbeiter wie möglich den neuen Service nutzen", so Sonne. Der Erfolg des Projektes hängt ganz entscheidend davon ab, ob die Mitarbeiter Learnway nutzen und dass sie feste Lernzeiten in ihrem Arbeitsalltag einplanen.

Im Vorfeld diskutierte das Multimedia Trainingsteam die neuen Lernmöglichkeiten mit allen Beteiligten. Speziell die Trennung von Arbeits-, Lern- und Freizeit, Eingangstests und der "gläserne Lernende" waren wichtige Dis-kussionspunkte. Inzwischen sind die Fragen geklärt und die Betriebsvereinbarung "Media on Demand" abgeschlossen.

Gerade Einstiegstests vor Kursbeginn sollen sicherstellen, wie der Wissensstand der angehenden Teilnehmer ist, denn schließlich lernen gelangweilte oder überforderte Kursteilnehmer schlechter. Geplant ist, das Basiswissen für die erste Seminarrunde vorab online zu vermitteln. Selbsttests geben den Lernenden die Möglichkeit, ihren Lernfortschritt zu überprüfen. Ein Eingangstest zu Beginn der Präsenzphase stellt sicher, dass die Teilnehmer den Lehrgang gut vorbereitet beginnen. "Das didaktische Konzept basiert auf einem ganzheitlichen Ansatz, das exploratives und lineares Lernen verbindet", so die Experten in Seeheim, und sie fügen hinzu: "Außerdem soll Lernen Spaß machen."

Die Trainer arbeiteten bisher nur in Präsenzkursen. Die Lufthansa qualifiziert sie für die neuen Herausforderungen eines Teletutors. Mit Learnway möchte das Unternehmen seine Kosten für Weiterbildung etwa auf dem glei-chen Niveau halten. Zwar versprechen sich die Experten von der Lernplattform, Kosten einzu-sparen, aber das Geld soll in die Entwicklung neuer Kurse fließen.

Neben Standardkursen zur Softwareschulung, etwa das Office-Paket, entwickelt die Bil-dungsabteilung zahlreiche WBTs mit firmenspezifischen Schulungsthemen gemeinsam mit externen Dienstleistern. Die Teletutoren betreuen die Kurse weltweit. Feste Sprechzeiten und eine 48-stündige Reaktionszeit auf Teilnehmeranfragen per E-Mail sind die Zielvorgaben. "Die Testphase lässt erwarten, dass ein Tutor nicht mehr als drei Kurse mit jeweils zehn bis 15 Personen betreuen sollte", so Tenger, der in der Testphase als Teletutor und an der technischen Hotline alle Hände voll zu tun hatte.

Um skeptische Mitarbeiter von den neuen Möglichkeiten zu überzeugen, erwartet die Lernenden nach dem Einloggen bei Learnway zunächst eine "Guided Tour". Die Navigation und das Kursdesign sind bewusst schlicht und im Corporate Design in den Farben Gelb und Grau gehalten. "Wir haben uns gegen ständig blinkende Flashelemente entschieden", so Tenger, "weil sich die Mitarbeiter auf die Inhalte konzentrieren sollen. Außerdem ist unsere Erfahrung, dass sich solche Gags schnell abnutzen und irgendwann nur noch nerven."

Ein Chat gehört ebenso zur Lernplattform wie Diskussionsforen. Zwar drehten sich manche Diskussionen in der Testphase um ganz alltägliche Dinge, etwa das Wetter zwischen Zürich und London oder den Börsenkurs der Firma. Aber es motiviert die Mitarbeiter, die Lernplattform als Diskussionsforum zu nutzen, davon sind die Bildungsexperten bei Lufthansa überzeugt. In den späteren Kursen gehört es zu den Aufgaben des Tutors, die Teilnehmer immer wieder zum eigentlichen Kursthema zurückzuführen.

Für die gebuchten Kurse erhält der Lernende bestimmte Zeitvorgaben, in denen eine Lerneinheit erfolgreich abgeschlossen sein sollte. Mit jedem Einloggen erfährt der Teilnehmer, wie viel Zeit er schon für ein Kapitel benötigt hat und welcher zeitliche Rahmen vorgesehen ist. Der Tutor hat ebenfalls Einblick in die Zeitfenster seiner Kursteilnehmer. Braucht ein Teilnehmer doppelt so lange oder hat er sich noch kaum mit dem Kapitel beschäftigt, sollte der Tutor telefonisch oder per E-Mail nachfragen, ob der Kursteilnehmer keine Zeit zum Lernen oder inhaltliche Probleme hat.

*Ingrid Weidner ist freie Journalistin in München.