70 Jahre ENIAC I

Der erste Universal-Computer der Welt

11.02.2016
Wer hat den Computer erfunden? Eine Antwort auf diese Frage fällt nicht leicht. Neben dem Deutschen Konrad Zuse kann ein Team aus den USA eine Pionierrolle beanspruchen: Vor 70 Jahren präsentierten die Forscher den ENIAC I - der erste elektronische Universal-Computer.

Mitten im Zweiten Weltkrieg machen sich zwei US-Wissenschaftler auf den Weg, um der US-Artillerie bei der komplizierten Berechnung von Flugbahnen zu helfen. Der Physiker John William Mauchly und der Ingenieur John Presper Eckert beginnen im Jahr 1942 eine gewaltige Maschine zu entwerfen, die unter dem Namen ENIAC I ("Electronical Numerical Integrator and Computer") in die Technik-Geschichte eingehen soll.

ENIAC I: 27 Tonnen, 17.468 Elektronenröhren

Die konkrete Entwicklung des ENIAC beginnt allerdings erst ein Jahr vor der Landung der Alliierten in der Normandie. Als der Universal-Computer schließlich am 15. Februar 1946 in einem Artikel der "New York Times" der Öffentlichkeit vorgestellt wird, haben die Alliierten Deutschland und Japan bereits niedergerungen. Mit dem aufziehenden Kalten Krieg ändert sich dann der Verwendungszweck des monströsen Rechners: ENIAC wird von US-Wissenschaftlern in Los Alamos verwendet, um die Zerstörungskraft der ersten Wasserstoffbombe zu berechnen.

Der ENIAC I ist 27 Tonnen schwer, verfügt aber nicht über einen Bildschirm. Für den Betrieb sind 17.468 Elektronenröhren und 7200 Dioden notwendig, die 150 Kilowatt elektrischer Leistung verschlingen. Da es immer wieder zum Ausfall einzelner Röhren kommt, ist der Universal-Computer ziemlich unzuverlässig. Allerdings arbeitet ENIAC im Vergleich zu seinen mechanischen Vorgängern seine Rechenschritte deutlich schneller ab: Rund 5000 Rechenoperationen pro Sekunde kann er bewältigen - das ist etwa 1000 Mal schneller als ein mechanische Rechner. Ein aktuelles Smartphone kann übrigens über 30 Milliarden Instruktionen stemmen - pro Sekunde.

Programmier-Pioniere: Die ENIAC-Frauen

Die Programmierung des ENIAC I gestaltet sich äußerst kompliziert, denn für jede Programmänderung müssen die technischen Komponenten neu verkabelt werden. "Das war eine anstrengende und anspruchsvolle Tätigkeit, die von den sogenannten ENIAC-Frauen erledigt wurde", erläutert Andreas Stolte vom Heinz Nixdorf Museums Forum (HNF) in Paderborn. Die ENIAC-Frauen Francis Betty Snyder Holberton, Betty Jean Jennings Bartik, Kathleen McNulty Mauchly Antonelli, Marlyn Wescoff Meltzer, Ruth Lichterman Teitelbaum und Frances Bilas Spence müssen sich lange Zeit gegen das Image der "Refrigerator Ladies" wehren. So werden damals die jungen Damen auf Werbefotos bezeichnet, die vor Kühlschränken posieren, um diese gut aussehen zu lassen. Inzwischen weisen Technik-Historiker den ENIAC-Frauen eine Pionierrolle zu.

Die führenden ENIAC-Entwickler Eckert und Mauchly werden 1947 von der Universität im Streit um die Verwertungsrechte an dem Universal-Computer entlassen. Sie versuchen später, ein offizielles Patent für die Erfindung des Computers anzumelden. Diesen Anspruch lehnt das US Federal Patent Court 1973 ab und verweist bei der Begründung auf Konzepte von John Vincent Atanasoff und Clifford Berry, die ebenfalls in dieser Zeit an der Entwicklung eines Computers gearbeitet hatten. Der Atanasoff-Berry-Computer wird bereits einige Jahre vor ENIAC entwickelt, kann allerdings nicht programmiert werden, sondern nur lineare Gleichungen lösen.

Zuse-Rechner vs. Universal-Computer ENIAC I

Als "Erfinder des modernen Computers" sehen viele Technik-Historiker aber weder Eckert und Mauchly noch Atanasoff und Berry - sondern Konrad Zuse. Der Bauingenieur entwickelt zwischen 1935 und 1938 seine mechanische Rechenmaschine Z1, die ihm monotone Statik-Kalkulationen abnehmen soll. Das Nachfolgegerät Z3 arbeitet bereits mit Elektro-Relais und ist der erste vollautomatische, programmgesteuerte und frei programmierbare Rechner der Welt. Der Z3 dürfte sich damit den Titel des ersten, funktionstüchtigen Computers der Welt verdient haben.

Konrad Zuse wird zwar während des Krieges auch finanziell von der Rüstungsindustrie unterstützt, doch für die militärische Strategie spielen die Zuse-Rechner keine Rolle mehr. Nach Kriegsende versucht auch Zuse, ein Patent für die Erfindung des Computers anzumelden. Doch auch er scheitert 1967 beim Bundespatentgericht. Während Zuse in Deutschland quasi als Computer-Alleinkämpfer agiert, löst der im Vergleich zu den Zuse-Rechnern konzeptionell unterlegene ENIAC I in den USA ein stürmische Entwicklung aus, die letztlich zur Geburt des Silicon Valley in Kalifornien führt, weil das US-Militär Firmen wie Hewlett-Packard mit Großaufträgen betreut.

Bis zum Jahr 1955 ist der Universal-Computer ENIAC I in Betrieb. Danach wird er auseinandergenommen, die Einzelteile (Racks) auf verschiedene Institutionen verteilt. Etliche ENIAC-Racks sind in Washington D.C. im American History Museum des Smithsonian Institute zu finden. Aber auch in Deutschland kann man sich einen Eindruck vom ENIAC I machen: Im HNF in Paderborn befindet sich seit 1996 ein Original-Rack mit ENIAC-Röhren, das die schieren Ausmaße des ersten elektronischen Universal-Computers der Welt erahnen lässt. (dpa/fm)