Der PC-Unternehmer schreibt seine eigene Erfolgsgeschichte

Der Aufstieg des Michael Dell: Nur keine überflüssigen Schritte

10.12.1999
Laut dem amerikanischen Wirtschaftsblatt "Fortune" ist er der drittreichste Mann in den USA, direkt nach Bill Gates und Warren Buffet: Michael Dell, gerade mal 34 Jahre alt, hat aus dem Nichts in 15 Jahren einen Weltkonzern aufgebaut.

Den neuesten Wirtschaftszahlen zufolge hat Dell Computer Corp., der weltgrößte Direktvertreiber von Computern, in diesem Jahr erneut ein Rekordergebnis erzielt: Bis Ende Oktober konnte das Unternehmen seinen Umsatz um 41 Prozent auf 18,5 Milliarden Dollar steigern. In den USA hat Dell im dritten Quartal die Führungsposition unter den PC-Anbietern vor Compaq gehalten und liegt weltweit auf Platz zwei hinter diesem Konkurrenten. Dell verkauft inzwischen täglich Computer und andere Produkte im Wert von rund 35 Millionen Dollar über das Internet, 21 Prozent davon allein in Europa.

Strategische Schachzüge bleiben im Verborgenen

Wer ein wenig hinter die Kulissen dieser typisch amerikanischen Erfolgsstory schauen will, dem gestattet der Vorzeige-Unternehmer jetzt einen Einblick mit seinen jüngst im Campus Verlag veröffentlichten Memoiren: "Direkt von Dell. Die Erfolgsstrategie eines Branchenrevolutionärs." Von der ersten Zeile an kann der Leser der in schnörkelloser Sprache verfaßten Erinnerungen spüren: Hier spricht einer, der es eilig hat und seinen Zeitgenossen immer ein paar Schritte voraus ist; der schon zum nächsten Sprung ansetzt, während andere erst zu denken anfangen.

"Es hat mich schon immer begeistert, überflüssige Schritte zu vermeiden", leitet Dell sein Buch ein - und das ist auch schon fast das einzige Geheimnis, das er seiner Leserschaft verrät. Denn wer glaubt, daß der Multimilliardär tatsächlich aus dem Nähkästchen plaudert und seine strategischen Schachzüge offenlegt, der sieht sich schnell getäuscht. Im Plauderton führt Dell durch sein Lebenswerk, gerade so, als ob es nichts Leichteres gäbe, als einen Weltkonzern aufzubauen. Nur zwischen den Zeilen schimmert der Hinweis auf "ups and downs" durch, beispielsweise, wenn Dell die unerwartete Expansionsphase Ende der 80er Jahre beschreibt: "Man sagt, daß eine bis zum Exzeß ausgereizte Stärke zu einer Stärke werden kann, und das sollte sich auch für uns bewahrheiten."

Ansonsten versteckt er seinen Erfolg hinter Allgemeinplätzen und Anekdoten aus Kindheit und Jugend. Dort kann man dann andeutungsweise nachlesen, wie der junge Dell auf die geniale Idee kam, den PC-Handel auf den Kopf zu stellen, indem er die mächtigen Händler einfach umging und auf Direktvertrieb umstellte. Ebenso simpel stellt der Visionär seine Marktstrategien vor: "Der große Eishockeyspieler Wayne Gretzky erklärte seinen Erfolg einmal damit, daß er nicht dahin gelaufen war, wo der Puck war, sondern dahin, wo der Puck landen würde. Wir versuchen, schnell und wachsam zu sein - sobald unsere Mitbewerber sich dahin bewegen müssen, wo wir bereits waren, sind wir schon wieder woanders." Vielleicht ist das ja das eigentliche Erfolgsrezept des Michael Dell: daß er sich naiver gibt, als er ist und deshalb von der Konkurrenz unterschätzt wurde.

Michael Dell, Catherine Fredman: "Direkt von Dell. Die Erfolgsstrategie eines Branchenrevolutionärs." Campus Verlag 1999, 68,00 Mark, ISBN 3-593-36372-O.