Hohe Wertschöpfung und externes Wachstum

Der Appetit von Cap Gemini auf Übernahmen ist ungebrochen

06.03.1992

CW-Mitarbeiter Lorenz Winter

PARIS - Für Kenner des französischen IT-Marktes steht es seit Jahren fest: Serge Kampf, Gründer und bis heute Hauptaktionär des multinational aktiven Softwarehauses Cap Gemini Sogeti (CGS), will eines Tages weltweit die Nummer eins in diesem Geschäft sein - auch wenn sich diese Absicht nur mit Verzicht auf totale Unabhängigkeit verwirklichen läßt.

Als sich im vergangenen Sommer Daimler-Benz mit 34 Prozent an Cap Gemini Sogeti beteiligte, war für das französische Software- und Systemhaus die Startbasis für einen neuen Wachstumsschub gelegt. Gezündet wurde der Schub Anfang Februar mit dem Erwerb des schwedischen Softwareherstellers Programator. Jetzt ging es weiter mit der Fusion der niederländisch-belgischen CGS-Aktivitäten mit denen des dortigen Marktführers Volmac. Durch diesen Verbund entsteht im Benelux-Raum nun ein, neuer Softwareblock mit einem Umsatz von insgesamt rund 2,7 Milliarden Franc (umgerechnet zirka 785 Millionen Mark) sowie gut 4000 Beschäftigten. Volmac selbst setzte vorher 1,7 Milliarden Franc um und machte 1991 etwa 210 Millionen Franc Gewinn.

Wie fast immer bei CGS Üblich, wurde auch dieser Deal durch gegenseitige Kapitalbeteiligungen verwirklicht: Kampfs Unternehmen und die World Software Group, bisheriger Hauptaktionär von Volmac, gründeten die gemeinsame Zwischenholding Newco, an der die Franzosen nun mit zwei, die Niederländer mit einem Drittel beteiligt sind. Newco selbst wiederum verfügt über 60 Prozent Mehrheit an den fusionierten Aktivitäten von Volmac und CGS in Holland und Belgien. Die World Software Group bleibt weiterhin mit zehn Prozent direkt an dem neuen Block beteiligt, weitere zehn Prozent halten institutionelle Anleger, die restlichen 20 Prozent das Börsenpublikum.

Übernahmeangebot ist nicht geplant

Darüber hinaus ist die World Software Group mit zehn Prozent am französischen Stammhaus von CGS beteiligt, und Franzosen sowie Niederländer partizipieren mit fünf beziehungsweise 15 Prozent an der amerikanischen Computer Task Force. Ein Übernahmeangebot zum Zweck der 100prozentigen Einverleibung von Volmac sei dagegen "weder vorgesehen gewesen noch für die Zukunft beabsichtigt", hieß es im Anschluß an die Unterzeichnung der diversen Vereinbarungen in Paris.

Den Franzosen verschafft die Operation in erster Linie neue Märkte für ihr Know-how in den Bereichen Facilities Management und IT-Beratung. Aber auch Volmac könnte von der so ausgelösten "technischen Hochrüstung" des Unternehmens nur profitieren, meint Michel Jalabert, Leiter der Abteilung Unternehmensentwicklung bei CGS. Außerdem kämen die Niederländer, die bislang 90 Prozent ihres Umsatzes auf dem Heimmarkt und in Belgien tätigten - nur zwei Prozent entsprangen der Zusammenarbeit mit Computer Task Force -, durch das Manöver aus ihrem regionalen Schlummerwinkel heraus und würden enger in die europäischen sowie internationalen Vorhaben von CGS eingebunden.

Die Geschäftsleitung von CGS wiederum räumt bereitwillig ein, daß auch nach den Vereinbarungen mit Volmac und Programator in den nächsten Monaten und Jahren noch weitere Zusammenschlüsse nötig seien, um das Gewicht der Gruppe soweit zu vergrößern, daß Aussicht auf prestigeträchtige internationale Aufträge bestehe. Dabei fällt immer wieder das Stichwort OIS - der Servicebereich von Olivetti. Bevor hier die Dinge aber spruchreif werden, will CGS erst einmal das Programator-Geschäft juristisch unter Dach und Fach bringen. Dies dürfte nach Auskunft Jalaberts noch bis Ende Mai 1992 dauern.

Etwa 500 Millionen Franc ließ sich Serge Kampf den schwedischen Softwarehersteller kosten. Bei einem Umsatz von 1,9 Milliarden Franc ist dies ein erstaunlich günstiger Preis, der sich jedoch in erster Linie durch die Verluste von rund 130 Millionen Franc erklärt, die Programator 1991 einfuhr. Somit tut erst einmal eine Sanierung not, wie sie CGS in ähnlichen Fällen schon früher mehrfach vorexerzieren mußte.

Dennoch war ein rascher Abschluß angezeigt, weil Börsengerüchte und ein konkurrierendes Übernahmeangebot des schwedischen Sandvik-Konzerns den Kurs der Programator-Aktie während der Kaufverhandlungen in die Höhe trieben. Sandvik war bei Programator bereits Teilhaber und wollte das Vorkaufsrecht nutzen. Kampf aber überbot den Konzern mit Aufpreisen zwischen 23 und 59 Prozent - je nach Aktientyp.

Zusammen machen CGS und Programator mit etwa 3600 Beschäftigten in Skandinavien jetzt etwa drei Milliarden Franc Umsatz. Das Schweden-Geschäft war jedoch nur ein weiterer Schachzug in Kampfs Strategie für ein systematisches externes Wachstum. 1990 hatte CGS bereits die SCS, die deutsche Tochter von SD-Sicon, und die britische Hoskyns-Gruppe erworben. In Frankreich selbst schmiedet das Softwarehaus erst einmal einen organisatorischen Brückenkopf, ehe es auf neue Eroberungen ausgeht.

So wurden unter Federführung der CGS-Division Cap Sesa nun die drei schon 1987 beziehungsweise 1990 gekauften Softwarefirmen Itmi, Apsis und Aptor (allesamt im Industriepark von Grenoble ansässig) zu einem High-Tech-Pool verschmolzen.

Innovative Produkte und Dienstleistungen

Dieser setzt mit etwa 200 Beschäftigten rund 130 Millionen Franc um und produziert Komponenten sowie Programme für die optische Mustererkennung, die Fernsteuerung und Robotik, die vor allem in der Luft- und Raumfahrt genutzt werden. Aber auch Prozeßsteuerungen und LANs für industriekonzerne der Stahl- und Chemiebranche gehören zum Angebot des neuen Pools.

Speziell Itmi besaß schon vor der Übernahme durch CGS Niederlassungen in Paris, Lille sowie Toulouse und hatte damit Standorte in der Nähe wichtiger Kunden. Mittlerweile ist das Unternehmen an 19 europäischen Projekten der Systementwicklung und -integration beteiligt. Gerard Mezin, früherer Itmi-Chef und heutiger Leiter des High-Tech-Pools von CGS, hält die möglichst lückenlose Beherrschung dieser Softwaretechniken für vordringlich, um das Unternehmen durch seinen spezifischen Beitrag "vorteilhaft vom Gesamtmarkt abzuheben". Nachdem der Low-end-Bereich des Geschäfts zusehends auch von Hardwareherstellern, Beratern, Mediengruppen und sogar Industriefirmen belagert wird (siehe CW Nr. 7 vom 14. Februar 1992, Seite 1: "Softwarebranche vor grundlegendem Wandel"), entsteht für die traditionellen Anbieter geradezu ein Zwang, verstärkt auf innovative Produkte und Dienstleistungen mit höherer Wertschöpfung

auszuweichen.

Hier bieten sich für CGS in den kommenden Monaten auch Chancen zur externen Erweiterung der technischen Kompetenz des Unternehmens. Im Rahmen der beabsichtigten Fusion der Industrieholding des Pariser Atomenergie-Kommissariats (CEA Industrie) mit dem Zivilelektronik-Bereich des Thomson-Konzerns steht nämlich auch eine eventuelle Veräußerung der Softwarefirmen Cisi, spezialisiert auf technischwissenschaftliche Programme sowie Tools, und Oris, die sich auf medizintechnische Anwendungen konzentriert, zur Debatte, bei denen CEA Industrie bisher Hauptaktionär war. Bei Cisi beläuft sich der Anteil der Holding auf 64 Prozent, während CGS bereits seit 1987 im Besitz der restlichen 36 Prozent ist.

Insbesondere bei Cisi gibt es zwar deutlich erkennbaren Widerstand dagegen, durch eine Veränderung der Eignerstruktur mit dem bisherigen Hauptaktionär CEA Industrie, vielleicht auch den Hauptkunden des Unternehmens zu verlieren, der heute immerhin 20 Prozent vom Gesamtumsatz des Softwarehauses liefert. Dennoch ließ CGS nie einen Zweifel daran, sofort das Vorkaufsrecht bei Cisi zu nutzen, böte sich eine Gelegenheit. Bei 5,7 Milliarden Franc Eigenmittel wäre die für den Erwerb der restlichen Cisi-Anteile erforderliche Investition von 300 Millionen Franc wohl auch unproblematisch.

Das Geschäftsjahr 1991/92 wird CGS voraussichtlich mit einem Umsatz von etwas über zehn Milliarden Franc (plus 9,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr) und einem Reingewinn von 560 Millionen Franc (minus zehn Prozent) abschließen. Cisi und Oris kamen zuletzt auf 1,38 beziehungsweise eine Milliarde Franc Umsatz und 64 beziehungsweise 30 Millionen Franc Gewinn. Damit würden sie zusammen mit dem zunächst zu verbuchenden 1,9-Milliarden-Franc-Umsatz von Programator keine schlechte Position in Serge Kampfs Traum vom World Champion der Branche einnehmen.