QUADRIGA #4

Der alte Brecht und das Netz

05.11.2014
Von 
Jan-Bernd Meyer betreute als leitender Redakteur Sonderpublikationen und -projekte der COMPUTERWOCHE. Auch für die im Auftrag der Deutschen Messe AG publizierten "CeBIT News" war Meyer zuständig. Inhaltlich betreute er darüber hinaus Hardware- und Green-IT- bzw. Nachhaltigkeitsthemen sowie alles was mit politischen Hintergründen in der ITK-Szene zu tun hat.
Wenn man so will, stammt die erste Definition des Internets und dessen, was es ausmacht, aus dem Jahr 1924. Damals gab es nur Radios. Erste Fernseh-Testübertragungen folgten ebenfalls in den 1920er-Jahren.

Radio und Fernsehen waren durch ein Charakteristikum gekennzeichnet: Sie empfingen nur, was von Sendeanstalten ausgestrahlt wurde. Sie konnten nicht antworten. Eine Ein-Weg-Kommunikation also.

Genau diesen Sachverhalt kritisierte der Schriftsteller Bertolt Brecht 1924 in seinen Radiotheorien: "Der Rundfunk ist aus einem Distributionsapparat in einen Kommunikationsapparat zu verwandeln. Der Rundfunk wäre der denkbar großartigste Kommunikationsapparat des öffentlichen Lebens, ein ungeheures Kanalsystem, das heißt, er wäre es, wenn er es verstünde, nicht nur auszusenden, sondern auch zu empfangen, also den Zuhörer nicht nur hören, sondern auch sprechen zu machen und ihn nicht zu isolieren, sondern ihn auch in Beziehung zu setzen."

Quadriga #4
Quadriga #4

Brecht hat damit die wesentliche Eigenschaft des Internets und dessen revolutionierende Kraft bereits vor 90 Jahren beschrieben: Das Medium Internet sendet nicht mehr einfach in eine Richtung an eine in die Millionen gehende Empfängerschaft, die passiv zuhört oder zusieht. Das Medium antwortet - es setzt also die Sender in Beziehung zu den Empfängern, ihren Meinungen, Botschaften, Ideen.

Für die Welt der Wirtschaft hat das gravierende Folgen: Erstmals ist es möglich, systematisch und detailliert die Unterstützung und das Feedback von Kunden, Partnern und der breiten Öffentlichkeit einzuholen. Diese Informationen können (und müssen) in die Gestaltung der eigenen Produkte und Services einfließen.

Der Kunde wird zum Ratgeber, Entwickler und Designer - er bewertet ganze Geschäftsmodelle. Die Sprengkraft dieser Entwicklung ist ungeheuerlich. Man dürfte auf der sicheren Seite sein mit der Prognose, dass Unternehmen, die diese Zeichen der Zeit nicht erkennen, schon bald nicht mehr da sein werden.