Kunden-Management/Kundenbindung/Wie Unternehmen CRM-Strategien umsetzen können

Den Weg zum Kunden finden

12.03.2004
Viele Unternehmen haben in den letzten Jahren mit Customer-Relationship-Management (CRM) begonnen, um Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Nicht immer sanken die Kosten beziehungsweise wuchsen die Umsätze wie gewünscht. Gefragt sind nun praxiserprobte Lösungen.Von Michael Wittich und Martin Hack*

Die schwierigste Phase einer CRM-Initiative ist für viele Entscheidungsträger immer noch der Moment, an dem sie die Ziele, Strategie sowie den Projektumfang festlegen beziehungsweise abschätzen müssen. Mittlerweile gibt es aber strategische Lösungsansätze (Beispiel siehe Grafik "CRM-Strategie") die helfen sollen, unterschiedliche Vorstellungen über Inhalt, Nutzen und Ziele von CRM zu bündeln.

Im Rahmen von Workshops wird dabei ermittelt, was Kunden wollen und wie sie sich verhalten. Kunden mit gleichen Merkmalen werden zu Gruppen zusammengefasst, die bei der Interaktion mit dem Unternehmen in der Regel an verschiedenen Geschäftsprozessen teilhaben. Dabei können Situationen entstehen, welche die Beziehung der Kunden zu ihrem Unternehmen stärker oder weniger stark prägen und somit unterschiedlichen Einfluss auf Kundenzufriedenheit und Loyalität nehmen. Diese kritischen Berührungspunkte gilt es zu identifizieren. Im Anschluss lassen sich gezielte CRM-Maßnahmen erwägen und beispielsweise mit einer Value-Matrix (Wertmatrix) auf unternehmenskritische und innovative Aspekte hin bewerten. Nutzen, Risiken sowie technische, organisatorische und prozessgetriebene Anforderungen lassen sich so kalkulieren.

Um näher zu bestimmen, für welche Kunden sich welche Investitionen lohnen, können Unternehmen zu Methoden des analytischen CRM greifen, mit denen sich die Kundendaten auswerten und den definierten Kundengruppen zuordnen lassen. Zusätzlich sind vertiefende Segmentierungen und Profitabilitätsanalysen etwa mit Hilfe der Prozesskosten- und Kundendeckungsbeitragsrechnung angebracht. Die Erkenntnisse daraus erleichtern es zu entscheiden, in welche Kundengruppen gezielt investiert werden soll. Die ins Auge gefassten CRM-Projekte werden auf ihre Wirtschaftlichkeit hin durchkalkuliert. Hierzu stehen mittlerweile leistungsfähige Werkzeuge zur Verfügung.

Roadmap führt durchs Projekt

Sind die CRM-Ziele definiert muss zuletzt noch festgelegt werden, welche Projekte und Maßnahmen wann implementiert werden sollen. Hierbei hilft eine CRM-Roadmap, die diese Informationen in übersichtlicher Form darstellt. Anhand eines Scoring-Modells werden die Projekte auf Geschäftsbedeutung und Aufwand der Implementierung hin bewertet und in einer Prioritätenmatrix abgebildet. Bevorzugte und bereits initiierte Maßnahmen und Projekte gleichen Inhalts werden zu Themen zusammengefasst und hinsichtlich Dauer, Sequenz, Aufwand und Abhängigkeit abgebildet und beschrieben.

Wie eine Roadmap in der Praxis entstehen kann, zeigt das Beispiel eines Hightech-Unternehmens. Dieses musste mehrere nicht integrierte Kundendatenbanken im Sales und Service ablösen, weil die heterogenen Daten nicht mehr sinnvoll Marketing- und Strategieentscheidungen unterstützten und die Kosten für Systembetrieb und Pflege zu hoch wurden. Der Sales-Prozess war zudem zwar in seinen Phasen beschrieben, aber es fehlte eine Systemunterstützung. Die Geschäftsleitung beschloss deshalb eine integrierte CRM-Lösung einzuführen. Ziele waren ein einheitlicher Vertriebsprozess und eine unternehmensweite IT-Plattform als Kommunikations- und Informationsbasis. Ferner sollte eine vollständige Geschäftspartner-Datenbank aufgebaut werden, die als Grundlage für alle Vertriebs-, Service- und Marketing-Aktivitäten genutzt werden kann, und man wollte sich der zahlreichen "Insellösungen" im Vertrieb entledigen.

Datenqualität verbessern

Um dahin zu gelangen, wurde zunächst gezielt in die Qualität der Kundendaten investiert. Funktionale Lücken in der Automatisierung und Standardisierung des Sales-Prozesses wurden geschlossen. Als wesentliche neue Funktionen sind mit dem CRM-System das Management von Aktivitäten, Kontakten und Verkaufschancen möglich. Als Client steht ein integriertes "Sales-Cockpit" bereit, und Service-Informationen sind nun auch online verfügbar. Durch den zügigen Aufbau einer operativen CRM-Plattform konnten erhebliche Verbesserungen erzielt werden. Zeit und weitere Erkenntnisse wurden gewonnen, um die nächsten Schritte im CRM-Umfeld zu planen. Eine strukturierte Roadmap wird sukzessive entwickelt. Im nächsten Schritt ist die Nutzung der Kundeninformationen für das Marketing und analytisches CRM vorgesehen.

Grundsätzlich entsteht eine CRM-orientierte Unternehmenskultur nur, wenn die Geschäftleitung diese vorgibt und selber lebt. Führungskräfte sind deshalb frühzeitig in die Initiative einzubeziehen. Nützlich sind ein fundierter Business Case sowie eine detaillierte und verständliche Roadmap. Mitglieder der Geschäftsführung sollten zudem eine Sponsorenfunktion für das Projekt übernehmen und ausgewählte Führungskräfte zum Projektteam gehören. Ferner muss versucht werden, die oft geringe Akzeptanz bei den Endbenutzern durch einen Maßnahmenplan zu erhöhen. Dieser sollte zunächst darauf abzielen, Mitarbeitern zu verdeutlichen, wie CRM die Unternehmensergebnisse verbessern kann. Im Projektverlauf werden dann ausgewählte Mitarbeiter mit Kundenkontakt hinzugezogen und an der Situationsanalyse, Strategieentwicklung, Ausgestaltung der kundenbezogenen Prozesse sowie an der Auswahl der Softwarefunktionen (Business Blueprint) beteiligt.

Weitere projektbegleitende Maßnahmen sind ein internes, ausreichend budgetiertes Schulungsprogramm, eine Prototypen-Show und Incentives. Die Schulungen müssen rechtzeitig beginnen und den Mitarbeitern vermitteln, dass die CRM-Software ein Hilfsmittel und kein Kontrollinstrument sein soll. Des Weiteren wird empfohlen, einen "CRM Desk" für den internen Anwendersupport aufzubauen. Zudem müssen realistische und erreichbare Meilensteine definiert und Erfolge unmittelbar über interne Medien wie Intranet, E-Mail oder Firmenmagazin kommuniziert und vermarktet werden. Zugleich sollte die Benutzung des CRM-Systems für alle verbindlich sein und gegebenenfalls mit Hilfe von Incentives oder Sanktionen durchgesetzt werden. Hilfreich ist es auch, Key-User als "CRM Champions" zu vermarkten, die ihrerseits die CRM-Initiative im Unternehmen vorantreiben. Eine Schulung der Projekttrainer hilft zudem, die Fähigkeiten der Mitarbeiter kontinuierlich weiterzuentwickeln, damit auch nach der Inbetriebnahme der IT-Lösung die CRM-Initiative weiterentwickelt und gelebt wird.

Abgestimmte Teilprojekte bevorzugt

Letzterer Punkt ist umso wichtiger, als CRM-Lösungen heute meist nicht mehr in einem einzigen, oft zu ehrgeizigen und schwer steuerbaren Großprojekt eingeführt werden. Vielmehr sind es meist abgestimmte Teilprojekte mit überschaubaren Dimensionen, was die Arbeiten strafft und den Nutzen mit jeder neuen Teilfunktionalität leichter erkennbar macht. Bei einem fundierten und als sinnvoll erachteten Business Case werden so die Implementierungskosten durch den Nutzen mehr als ausgeglichen. Damit dieser auch wirklich eintritt, muss er systematisch kontrolliert werden - dies geschieht bisher nur selten.

Betriebswirtschaftliche Prüfungen

Außer den üblicherweise durch die CRM-Einführung erwarteten Effekten - erhöhte Kundenbindung und Umsatzsteigerung - sind weitere Größen einzubeziehen und zu überwachen. Das sind die Prozesskostensenkungen und die Produktivitätssteigerung, die sich zum Beispiel durch Standardisierung, verbesserte Workflow-Unterstützung, integrierte Kundendaten und stärkere Systemintegration ergeben. Ferner werden die Vertriebskanäle effizienter, wobei auch zu prüfen ist, ob sich nicht auch die Verlagerung auf einen preiswerteren Kanal lohnt.

Insgesamt haben sich in erfolgreichen Projekten der letzten drei Jahre eine Reihe messbarer Vorteile von CRM herauskristallisiert. So lassen sich Prozesse im Vertrieb, Service und Marketing automatisieren und standardisieren, und durch eine Konsolidierung von parallel existierenden Vertriebssystemen und Datenbanken konnten Kosten gesenkt werden. Ferner stieg die Qualität von Kundendaten durch eine Vereinheitlichung und Bereinigung. Auf dieser Basis wurde der Kundenservice besser. Darüber hinaus stehen heute dem Management verbesserte Vertriebs- und Steuerungsinformationen zur Verfügung. Der Vertrieb beispielsweise profitierte von einem strukturierten Verkaufsprozess mit entsprechender Systemunterstützung, so dass er den Außendienstmitarbeiter zeitlich entlasten kann. Teilweise wurde auch die Kommunikations durch die Steuerung von Vertriebskanäle billiger.

Art und Zahl der Benutzer wächst

Als ein Trend für die nächste Zeit zeichnet sich der Versuch ab, die Sales Pipeline mit Hilfe von CRM-Lösungen zu steuern. Damit verbunden ist ein ganzheitliches Verständnis des Verkaufszyklus und der Verkaufschancen. Gerade in börsennotierten und stark vom Forecast abhängigen Unternehmen spielt ein methodisches Pipeline-Management eine wesentliche Rolle. Zum anderen kommen neue Anwendergruppen hinzu. So steigt im Marketing die Zahl der Benutzer, welche das Kampagnen-Management und analytisches CRM betreuen. Andere arbeiten künftig im Vertriebs-Controlling, um Kundendeckungsbeitragsrechnungen um Erkenntnisse aus dem CRM-System und analytischem CRM zu ergänzen.

Ein anderes Arbeitsgebiet wird das Partner-Relationship-Management und Channel-Management sein, denn nach dem Auf- und Ausbau der Vertriebskompetenz im eigenen Hause (Direct Sales) gewinnt nun auch die Geschäftsausweitung über Vertriebspartner an Bedeutung. Die dabei zu erzielenden Skaleneffekte sind erheblich - allerdings sind Partner anspruchsvoll, was Betreuung und gemeinsamen Marktauftritt angeht. Erst die enge Abstimmung mit den Aktivitäten der eigenen Vertriebsmannschaft und dedizierte Unterstützung der Partner wird zu einem langfristigen Beziehungsgeflecht führen. Dabei können teilweise die Instrumente des direkten Kanals zum Einsatz kommen, die dann gezielt um spezifische Steuerungsfunktionen erweitert werden. (as)

*Michael Wittich ist Managing Director and CRM Leader Germanics Region bei der Bearingpoint GmbH. Martin Hack ist dort Senior Manager.

Was Anwender bewegt

Eine weltweite Umfrage der Unternehmensberatung Bearingpoint unter 167 Geschäftsführern aus großen und mittleren Firmen (Umsatz über eine Milliarde Euro) ergab, dass 90 Prozent aller CRM-Initiativen zumindest teilweise die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt haben. In 37 Prozent aller Fälle wurden die Ziele weitgehend erreicht. Ferner steht heute nicht mehr die Technik, sondern die Wirtschaftlichkeit von CRM im Vordergrund der Projekte. Wie sich die Investitionen auf den Umgang mit Kunden oder Geschäftspartnern auswirken, können jedoch viele Anwender nicht genau sagen.

Im Einzelnen bestimmen folgende Themen derzeit die CRM-Initiativen:

- Effiziente Gestaltung der Marketing-, Vertriebs- und Serviceprozesse;

- Konsolidierung von vorhandenen CRM-Anwendungen und Kundendatenbanken;

- funktionale Erweiterungen der CRM-Landschaft etwa im Marketing aufgrund zunehmender Praxiserfahrung der Anwender;

- technische Integration der Vertriebskanäle;

- CRM-"Mobilisierung" der Mitarbeiter und Verbesserung der internen CRM-Kultur;

- Ein stärkerer Bezug zu vertriebsstrategischen Fragen;

- mit preiswerteren und On-Demand-Lösungen nähert sich der Softwaremarkt dem Mittelstand.

Abb: Die Bestandteile einer CRM-Strategie

Nachdem die grundsätzliche Zielrichtung der CRM-Initiative geklärt ist, sollten Firmen ihre Kunden stärker klassifizieren, Fragen nach der Wirtschaftlichkeit des Projekts klären und eine realistische Roadmap erstellen. Erst dann folgt die technische Umsetzung. Quelle: Bearing Point