Den perfekten Porlable gibt's noch nicht

16.05.1986

MÜNCHEN (CW) - Sehr schleppend entwickelt sich der Markt der tragbaren Computer hierzulande. Das gilt nicht nur für den Anteil dieser Außendienst-Rechner am gesamten Computermarkt, sondern auch fürs Gewicht. Die Einsparungen an Kilogramm sind selbst bei neuesten Entwicklungen einiger Hersteller marginal. Was Leistung und Kapazität angeht, klaffen riesige Unterschiede zwischen den diversen Fabrikaten. Sehr unterschiedlich ist auch ihr Erfolg am Markt.

Ein großer Teil der heute als "Portable" oder auch "Transportable" angebotenen Mikrocomputer gemahnt immer noch an die "technischen "Urviecher", deren erstem, dem Osborne 1 von 1981, diese Geräteklasse den Spottnamen "Schleppables" verdankt. So wiegt der erst vor wenigen Monaten vorgestellte Compaq Portable II - ein mit extrem viel Komponenten und bis zu 2,6 MB RAM vollgestopftes Gerät - noch immer satte zehn Kilo. Was diesen Rechnertyp, zu dem auch Produkte von Panasonic/Nixdorf, Kaypro, Victor, Zenith oder Cordata zählen, so schwer macht, sind ihre Kathodenstrahl-Bildröhre und das dazugehörige Netzteil, aber auch ihr meist recht massives Chassis.

Einige Konkurrenten - vor allem Epson - sind mit einer anderen Philosophie an den Markt herangegangen. Sie haben nicht versucht, einen kompletten PC mit allen Funktionen in einen Koffer zu zwängen. Statt dessen versehen diese Hersteller ihre Portables nur mit der Ausstattung, die der Anwender wirklich unterwegs braucht; auf Ballast verzichten sie nach Möglichkeit. Was anfangs dabei herauskam, waren allerdings zum Teil Computer, die wegen einer falschen Sparsamkeit auf dem Speichersektor für die Praxis fast untauglich waren. So haben verschiedene Anbieter bei Freiberufler-Kunden ihr Glück mit Aktentaschencomputern versucht, deren RAM nur zwei bis 16 KB betrug. Einen Speicherzwerg mit 24 KB hat Tandy noch immer im Sortiment.

Ein wichtiges Argument der Gegner dieser "Laptops" hatte immer gelautet, man müsse mit den Minifloppies des IBM PC kompatibel bleiben; deshalb kämen die "Schoßcomputer" mit ihren Mikrofloppy-Laufwerken für den professionellen Einsatz nicht in Frage. Aber wegen des hohen Gewichts der voll funktionsfähigen Koffer-PCs hat sich ihr Markterfolg sehr in Grenzen gehalten. Osborne, ein Hersteller, der voll auf den Portable-Markt gesetzt hatte, war nach drei Jahren reif für Chapter eleven und ist trotz eines Wiederbelebungsversuchs seit Anfang dieses Jahres in den USA weg vom Markt. Compaq, vom Start im Jahr 1983 an sehr viel erfolgreicher mit seinen Portables als Osborne, vertraute auch nicht allein diesem Markt und schob im Juni 1984 ein Tischgerät nach. Dieser "Deskpro"-Modellreihe verdankt der texanische Anbieter heute die Hälfte seines Umsatzes.

Kaypro, ein anderer Portable-Spezialist, war nach einigen Anfangserfolgen auch bald gezwungen, sein Sortiment auf Standgeräte auszudehnen. Nachdem die Modellpalette erst kräftig erweitert worden war, zeigte sich, daß die Kosten nicht unter Kontrolle zu bringen waren, und so ließ der Hersteller innerhalb der beiden letzten Jahre wieder mehrere Modelle, darunter verschiedene Portables, fallen. Die Lagerbestände waren bis Ende 1984 auf 63 Millionen Dollar angestiegen - nach einem Umsatz von 75 Millionen im Vorjahr. Heute gehört Kaypro zu den Schlußlichtern der Branche. Insider führen dies auf ein zu großes Engagement der Firma bei Portables und auf eine zu große Störanfälligkeit der damaligen Geräte, etwa des Modells Kaypro II, zurück.

Auch Commodore gehört zu den Firmen mit schlechten Erfahrungen auf dem Gebiet der Tragbaren. Der SX-64, eine portable Version des C64, fand nicht nur des hohen Preises wegen keine Verbreitung, sondern auch deshalb, weil er nicht voll kompatibel mit dem Grundmodell war. So scheiterte der Plan von Rolf Dietrich,

dem Inhaber des Ingenieurbüros EVI in Kirchheim bei München, den

Commodore als Low-cost-Erfassungsstation für Energiedaten in

Saudi-Arabien einzusetzen, am Fehlen eines bestimmten Laufwerk-Ports.

Selbst IBM hat schon einen Portable-Reinfall hinter sich. Wäre der Portable PC von Big Blue ein Erfolg gewesen, hätte der Markt nach Ansicht von Kennern des PC-Geschäfts für Compaq nicht genug hergegeben. Für einen großen Anbieter hingegen reichte die Nachfrage nach professionellen Koffercomputern. Inzwischen hat Big Blue aber einen Laptop mit Mikrofloppy - also dem neuen Diskettenformat 3,5 Zoll - auf den (US-)Markt gebracht. Die Einführung auf dem deutschen Markt soll kurz bevorstehen. Die Disketten-Inkompatibilität, bisher Hauptkritikpunkt der Laptop-Gegner, ist nun nicht mehr das Thema

Auch in puncto Kapazität und Verarbeitungsleistung stehen die besseren Laptops den Schwergewichten nicht länger nach. Sie basieren auf den gleichen Prozessoren, die zwecks Stromersparnis in CMOS-Technik gefertigt sind. Toshiba etwa hat in Hannover schon einen AT-Kompatiblen mit einem Gewicht von sieben Kilo präsentiert, der allerdings dasselbe Manko hat wie die Schleppables: Er braucht Strom aus der Steckdose. Grund: der hohe Energieverbrauch des Plasmabildschirms. Ein Hersteller allerdings hat dieses Problem mittlerweile gelöst: Die US-Firma Grid, die zwar einen sehr kleinen Marktanteil hat, sich aber auf einem begrenzten Gebiet eine führende Stellung erarbeitet hat, bietet einen MS-DOS-kompatiblen Laptop mit Plasma-Bildschirm und Akku. Nach Firmenangaben wiegt der Winzling trotz einer Betriebsdauer von sechs Stunden mitsamt externem Akku unter sechs Kilogramm. Das amerikanische Unternehmen hat kürzlich den ersten Großauftrag über solche Geräte bekommen: Die US-Post orderte 1800 Stuck.

Wenn sich die Grid-Technik als ausgereift erweisen und auch bei anderen Herstellern durchsetzen sollte, wäre ein Ausweg aus dem bisherigen Dilemma der Laptops gefunden: Der Anwender müßte sich Netzunabhängigkeit nicht mehr mit den unzweckmäßigen LC-Displays erkaufen. Allerdings ist es fraglich, ob der Markt überhaupt so große Stückzahlen nachfragt, wie für eine rentable Großserienfertigung nötig sind. Einig sind sich die Marktforscher bislang nur darin, daß die zwar ausgereiften, aber unhandlichen Ungetüme a la Compaq-Portable keine Zukunft haben. Trotzdem hat die Branche bisher vergeblich auf den kleinen" Compaq gewartet.

Während Diebold und Infratest-Comtec keine detaillierte Portable-Zahlen ausgewertet haben (das sei zur Zeit kein so wichtiges Thema), beobachtet IDC einen Rückgang der transportablen" Geräte. Damit seien die Koffercomputer gemeint, bei denen die Tastatur als Deckel dient. Die Laptops dagegen würden in den nächsten Jahren sprunghaft an Bedeutung gewinnen. Der Absatz der schweren Kisten, so IDC, sei in der Bundesrepublik 1985 gegenüber dem Vorjahr um über 3000 auf 21 500 Stück gesunken und werde bis 1990 auf 13 000 Geräte jährlich zurückgehen. Hätten sie 1984 noch einen Marktanteil von 56 Prozent

gehabt, werde dieser bis zum Ende des Jahrzehnts auf gut fünf Prozent sinken. Die Leichtgewichte, zu denen auch Einfachcomputer wie der Olivetti M10 gerechnet werden, nehmen laut IDC-Prognose bis 1990 auf 230 000 Stück zu (1985: 21 000).

Trotz vielfältiger Einsatzmöglichkeiten für kompakte Computer erwartet Infratest-Marktforscher Eduard Stupening ebensowenig einen Laptop-Boom wie sein Kollege Thomas Centner von Diebold. Stupening: Der Bedarf ist zwar recht groß, aber schon teilweise gedeckt. Der Convertible PC ist ein recht professionelles Gerät. Damit wird IBM das Versicherungsgeschäft für sich entscheiden. Insgesamt handelt es sich bei den Portables aber um überschaubare, wenn auch signifikante Mengen."

Fast unbeachtet von der PC-Branche hat sich übrigens eine andere Rechnerklasse sicherlich gemausert: die der mobilen Datenerfassungsgeräte. Diese Apparate sind kompakter, robuster und leichter zu bedienen, da sie spezifisch für die individuelle Anwendung ausgelegt sind. Damit fällt ein Einsatzgebiet flach, auf das die Anbieter preiswerter Portables spekuliert hatten. Bedeutsam wären dann nur noch die "echten" PC-Anwendungen an wechselnden Einsatzorten, bei denen es vor allem auf die Fähigkeit zur Kommunikation mit einem Host-Rechner ankommt.