Dem Alten verpflichtet, zum Neuen genoetigt Amdahl ist in Zeiten des Wandels zu Strategiewechsel gezwungen

10.12.1993

MUENCHEN (CW) - Die Amdahl Corp., als Anbieter steckerkompatibler Grossrechnersysteme wie andere Grosssystemhersteller in schweren wirtschaftlichen Zeiten, will ihre geschaeftlichen Perspektiven durch eine Ueberbrueckung der zunehmend klaffenden Luecke zwischen herkoemmlichen Mainframes und offenen Systemen verbessern.

Amdahl wird, wie bereits berichtet, zwar weiterhin seine IBM- konformen Grossrechner vertreiben. Darueber hinaus ist fuer die Weiterentwicklung dieser Systeme allerdings die Nutzung von Standardkomponenten wie CMOS-Prozessoren vorgesehen, um die Produktionskosten zu druecken. In diesem Punkt folgt man der Produktstrategie, die auch Big Blue plant.

Das Unternehmen wagt sich aber auch auf Neuland: So hat Amdahl mit Sun Microsystems ein Vertriebs- und Supportabkommen ueber die Sparcserver-1000- und Sparccenter-2000-Systeme sowie Sun-Cluster abgeschlossen. Der PCMer (Plug compatible mainframe) wird dieser Vereinbarung zufolge zudem Grossrechner-Funktionalitaeten in das Sun-Betriebssystem Solaris einarbeiten.

Mit dem DV-Dienstleister Electronic Data Systems (EDS) hatte der Hardwareproduzent ferner das Softwareunternehmen Antaris gegruendet, an dem er 80 Prozent der Aktienanteile haelt. Antaris soll unter anderem das Konkurrenzprodukt zu IBMs AD/Cycle vermarkten, die Entwicklungssoftware "Huron". Ueberdies wollen beide Firmen Re-Engineering-Dienstleistungen zur Verfuegung stellen, die die Integration unternehmensweiter Client-Systeme sicherstellen soll.

In einer Zeit, da Amdahl erhebliche finanzielle Einbussen hinnehmen muss - im dritten Quartal des laufenden Geschaeftsjahres hatten die Kalifornier aus Sunnyvale einen Rekordverlust von 275,8 Millionen Dollar bei stark ruecklaeufigem Umsatz einzustecken - und 1800 seiner 7400 Mitarbeiter entlassen wird, traegt sich der PCMer mit dem Gedanken, seine Entwicklungsaktivitaeten im eigenen Haus zurueckzuschrauben.

Ein Opfer dieser Politik koennte - so glaubt zumindest Jim Cassell, Vice-President und Director der Large Computer Strategies Group des Meinungsforschungsinstitutes Gartner Group in Stamford, Connecticut - UTS werden, das elf Jahre alte Unix-Mainframe- System.

Bei dem Bemuehen um ein neues Profil versucht sich Amdahl allerdings in einem angestrengten Spagat: Einerseits will man den traditionellen Grossrechneranwender umwerben, andererseits will man sich als Anbieter offener Systeme profilieren.

Meinte Amdahl-Anwender Frank Stromboe: "Egal, auf welche Ausrichtung sich die Leute um CEO Joseph Zemke auch festlegen wollen, es wird in jedem Fall nicht leicht fuer Amdahl."

Stromboe steht als Beispiel fuer das Dilemma, in dem sich Amdahl befindet: Er nutzt UTS als Unix-Server-System, arbeitet gleichzeitig aber mit der Software AG of North America Inc. an der Entwicklung von Client-Server-Applikationen fuer Midrange-Unix- Rechner.

Er verspricht sich von der Migration von Applikationen auf zwei NCR-Unix-Server der 3400-Linie, die 20 Prozent der bislang auf Amdahl-Grossrechnern erledigten Aufgaben durchfuehren sollen, erhebliche Kosteneinsparungen. Da Anwender zum einen zunehmend auf Downsizing-Strategien zu setzen scheinen, zum anderen im Grossrechnergeschaeft die Preise kraeftig ins Rutschen gekommen sind, werfen manche Beobachter Amdahl vor, zu spaet auf diese neue Situation reagiert zu haben. Bob Djurdjevic, President der Annex Research in Phoenix, etwa meint, Amdahl habe sich zu lange geweigert, die Marktrealitaeten anzuerkennen.

Wohl deshalb versucht nun Amdahl-Chef Zemke gegenzusteuern, wenn er betont, dass das Know-how in Sachen Beratung und Re-Engineering fuer seine Firma ein wichtiger Bestandteil des Geschaefts bleibe. Diese Staerken waren seinerzeit ja auch fuer Sun-Chef Scott McNealy der Grund, sich die Dienstleistungskompetenz der Amdahl-Company zu sichern.