Textilunternehmen Wilhelm Benger Söhne lobt "Ease of Use"-Funktion:

Datenbankcomputer IBM /38 für Strumpfwirker

14.05.1982

BAD RAPPENAU (pi) - Eigentlich sei man an den Begriff "Datenbank" nur mit Angst und Schrecken herangegangen, gesteht Berthold Helmers, EDV- und Organisationsleiter des Textilunternehmens Wilhelm Benger Söhne GmbH & Co. KG in Bad Rappenau. Doch alles lief reibungslos Die Umstellung auf den Datenbankcomputer IBM System /38 habe geklappt; der Servicegrad der EDV-Abteilung konnte gehalten werden; die monatlichen Mietkosten wurden um 10 000 Mark gesenkt.

Das Bad Rappenauer Unternehmen hat eine lange Geschichte. 1844 gründete der Strumpfwirker Wilhelm Benger in Stuttgart eine eigene Werkstatt. Schon der Urgroßvater war in diesem Beruf tätig gewesen, dem als flüchtige Hugenotten hatten die Vorfahren der Familie Benger den Wirkstuhl mit nach Deutschland gebracht. Wilhelm Benger beschaffte sich allerdings bald moderne Rundwirkstühle - wiederum aus Frankreich - und beschäftigte 1856 schon etwa 50 Menschen in seinem Betrieb. Zu jener Zeit war Benger in Stuttgart und dessen Umgebung nahezu konkurrenzlos.

Heute beschäftigt das Unternehmen rund 330 Mitarbeiter in Bad Rappenau, wohin man 1963 gezogen war, und in dem nahe gelegenen Bretzfeld. Etwa 90 Prozent der im Hause verarbeiteten Stoffe werden mit über 700 modernen Rundstühlen, Rundstrick-, Interlock- und Flachstrickmaschinen hergestellt Das Ausrüsten der Stoffe (Waschen Bleichen, Färben etc.) wird außer Haus gegeben, das Zuschneiden, Nähen und Fertigstellen erfolgt wieder bei Benger.

Das Produktionsprogramm selbst hat sich gegenüber früher nicht wesentlich geändert. Schon 1856 stellte man Unterwäsche und bereits Badehosen her. Heute ist zu Wäsche und Badekleidung noch die dritte Säule Freizeitkleidung gekommen. Das Liefersortiment von Benger enthält rund 28 000 Artikelvarianten (jede Größe in jeder Farbe). Die Anzahl der Kunden liegt bei etwa 11 000.

Wirtschaftlichkeit entschied für das System /38

Mitte 1980 erfolgte die Fusion von Benger Deutschland mit dem Schwesterbetrieb in Bregenz, Österreich, der rund 500 Mitarbeiter beschäftigt. Mit der Fusion kam der Wunsch nach einem gemeinsamen Berichtswesen auf möglichst gleichen EDV-Anlagen. Die Bregenzer hatten bis dahin mit einem IBM System /3 Modell 12 im Batchbetrieb gearbeitet, in Bad Rappenau stand ein Dialogsystem eines anderen Herstellers.

Die Entscheidung für jeweils ein IBM System /38 in beiden Betrieben fiel nach einer Wirtschaftlichkeitsberechnung, die ein unabhängiger Unternehmensberater im Auftrag der Holding vorgenommen hatte. In diese Untersuchung wurden sowohl Funktionsumfang als auch Preise verschiedener Angebote einbezogen. Für Benger in Bad Rappenau bedeutete die Entscheidung für IBM die Rückkehr zu einem Hersteller, mit dem man zuvor schon (bis 1976) über ein halbes Jahrhundert hinweg Geschäftsbeziehungen hatte. Sie hatten 1924 begonnen, als Benger eine Tabelliermaschine D11 mit Summenlocheinrichtung installierte.

Die Konfigurationen des Sytems /38 sind in den beiden Unternehmen unterschiedlich ausgelegt. In Bad Rappenau steht ein Modell 4 mit 1024 KB Arbeitsspeicher, 387 MB Plattenspeicher, Zeilendrucker, Matrixdrucker und acht Bildschirmen. Die Sichtgeräte sind folgendermaßen verteilt: In Buchhaltung und Verkauf befinden sich jeweils zwei, wobei die Anzahl im Verkauf erhöht werden soll. Ein Bildschirm steht in der Fertigung und insgesamt drei in der EDV-Abteilung. Für die Lohndatenerfassung über Lohncoupons steht ein System IBM 5286 zur Verfügung.

In Bregenz hat man ein Modell 5 mit ebenfalls 1024 KB sowie 1200 MB Plattenspeicherkapazität, Drukker und zunächst fünf Bildschirmgeräten gewählt.

Nach der Fusion beschlossen die Benger-Werke in Bad Rappenau und Bregenz, die Programmentwicklung zentral vorzunehmen, wobei die Projektleitung jeweils aufgeteilt wird. Da Benger in Bad Rappenau schon im Dialog gearbeitet hatte, war das deutsche Unternehmen seiner österreichischen Schwester, die erst allmählich auf den Dialogbetrieb übergehen wird, um einiges voraus. Trotzdem kam man in Bad Rappenau beinahe in Zeitnot: Zum Stichtag 1. Juli 1981 sollte das neue System von einsatzfähig sein. 380 Programme mußten bis dahin in einem Zeitraum von rund vier Monaten umgestellt oder neu geschrieben werden.

Etwa 40 der 380 Programme waren Aktionsprogramme, also Dialogprogramme, die teils in Assembler, teils in Cobol vorlagen. Die Dialogprogramme wurden in RPG III neu geschrieben, wobei schließlich nur noch 25 Programme übrigblieben, da viele Prozeduren für die Ablaufsteuerung ganz entfallen konnten.

Die restlichen 340 Batchprogramme ware größtenteils in RPG geschrieben. Sie wurden eins zu eins umgestellt und liegen heute in Cobol

und RPG III vor. Das Erstaunliche bei diesem Vorgang: Die gesamte formalistische Umstellungsprogrammierung erledigte eine junge Dame, eine kaufmännische "Azubi. Helmers lobt in diesem Zusammenhang die gute Bedienerführung und den relativ einfachen Umgang mit dem System

sowie die RPG-III-Sprache mit Syntaxprüfung. "Wenn ich heute auf eine andere Anlage als das System /38 umstellen müßte, könnte ich das mit meinen Mitarbeitern nicht bewältigen. Er erledigt heute die gesamte Datenverarbeitung zusammen mit einem Operator und der Auszubildenden. Ein Erfolg der Konzeption des "Ease of Use", auf die beim System /38 besonderer Wert gelegt wurde. Für die Erfassung der Lohncoupons, der Artikel-Stammdaten, der Fabrikationsdaten etc. sind zusätzlich zwei Mitarbeiterinnen beschäftigt.

Nach insgesamt vier Wochen Schulung begann man im Februar 1981 mit der Datenumwandlung und der Systemumstellung. Dabei konnte man bis zur Lieferung des eigenen Systems im April auf ein System /38 im Stuttgarter IBM-Rechenzentrum ausweichen.

Die Datenübernahme mußte etwas kompliziert vor sich gehen:

Zunächst waren die Daten von dem Nicht-IBM-Plattenspeicher auf ein Magnetband zu überspielen. Im IBM-Rechenzentrum erfolgte dann die Übernahme vom Band auf einen Magnetplattenspeicher des Systems/38.

Nach Auslieferung der Anlage wurden auch die Aktionsprogramme entwickelt und letzte Programmänderungen vorgenommen, die zum Teil durch die Fusion notwendig geworden waren. Das größte Problem in dieser Zeit war für Helmers die mangelnde Erfahrung: "Wir haben viel lernen müssen." Doch schließlich lief der erste Monatsabschluß auf der neuen Anlage zufriedenstellend ab.

Aufgabenbereich der EDV beginnt mit der Planung

Langfristige Vorausplanung ist ein Charakteristikum der Modebranche. Schon ein Jahr vor der nächsten Saison muß die neue Kollektion stehen. So wurde bei Benger beispielsweise im Frühjahr 1981 festgelegt, was modebewußte Damen und Herren in der Badesaison 1982 tragen werden - sofern man als Hersteller den sich ständig wandelnden Publikumsgeschmack richtig eingeschätzt hat.

Die Kollektionen werden auf internationalen Messen gezeigt, erste Aufträge liegen zu diesem Zeitpunkt schon vor. Die Produktionsplanung erfolgt jedoch wesentlich früher, um den Kunden zeitliche Liefergarantie geben zu können. Ergänzungen in der Planung nimmt man dann in bestimmten Zeitabständen nach Eingehen der sogenannten Stammaufträge, dem größten Teil des jährlichen Auftragsvolumens, vor. Darauf basieren wiederum die Feinabstimmungen für Produktionsplanung und Materialbedarf.

Die EDV vergleicht auf Anforderung die Planzahlen und den jeweils neuesten Stand der Auftragseingänge. Aus dieser Gegenüberstellung sich ergebende Nachplanungen ergänzen die Vorplanung und sichern die Lieferbereitschaft auch für später eintreffende Bestellungen. Außerordentlich wichtig ist die pünktliche Belieferung der Kunden mit der gewünschten Ware. Eingegangene Spontanaufträge müssen beispielsweise schon am nächsten Tag ausgeliefert werden. Ohne die Dialogverarbeitung mit dem Computer ließe sich dieses Ziel nicht erreichen.

Der Datenbankrechner erledigt heute im Dialog die gesamte Verkaufsabwicklung mit Auftragserfassung und -verwaltung, Feststellen der Lagerverfügbarkeit, Kundenstammpflege und so weiter. Die Materialeingänge in Strickerei, Konfektion und Lager werden über ein Bildschirmterminal erfaßt.

Die Fertigungssteuerung erfolgt vorläufig noch im Batchbetrieb von Österreich aus. Wenn der Disponent in Bad Rappenau feststellt, daß Materialien und Produktionskapazitäten für einen bestimmten Auftrag zur Verfügung stehen, fordert er per Telex die Kollegen in Österreich auf, die Fertigungsaufträge und Lohncoupons ausdrucken zu lassen und nach Deutschland zu schicken. Ab April 1982 will man dieses etwas umständliche Verfahren über Datenfernverarbeitung lösen.

Weitere Funktionen, die die Benger-Betriebe außer der Datenfernverarbeitung für 1982 planen, sind beispielsweise eine gemeinsame Buchhaltung und eine einheitliche Verkaufsabwicklung mit einheitlichen Stammfunktionen.

"Es ist schwieriger geworden, Fehler zu machen"

Wenn eine Umstellung abgeschlossen ist, stellt man sich natürlich die Frage: Hat es sich gelohnt, hat die neue Lösung das Gewünschte erbracht? Bei Benger beantwortet man diese Frage eindeutig mit "ja". Der Servicegrad der EDV-Abteilung für das ganze Haus konnte nicht nur gehalten, sondern sogar verbessert werden.

Besonders der einfache Umgang mit der Anlage wird hervorgehoben. Help-Funktionen in dieser Ausführung gäbe es überhaupt nur beim System /38. Nachsehen in einem Buch ist nicht mehr erforderlich, auch die Fehlerhäufigkeit wird dadurch erheblich reduziert. Dazu Helmers: "Es ist mir bis heute nicht gelungen, in einem CL-Programm einen Fehler zu machen." Auch die Dokumentation von über

20 000 Statements in deutscher Sprache erleichtere die Arbeit.