IT In der Touristik/Zur rechten Zeit am rechten Ort

Data-Warehouse informiert über Kundenbedürfnisse und Kritik

09.05.1997

Trendwechsel bei Urlaubszielen sind eine ganz alltägliche Sache. Dazu sind noch nicht einmal Katastrophen wie Vulkanausbrüche, Algenverseuchungen, Unfälle mit Öltankern oder Bombendrohungen nötig. Oft sind es reine Modeentwicklungen, die einen Ort binnen kürzester Zeit populär machen oder wieder in der Versenkung verschwinden lassen. Entwickelt sich der Trend gegen ein Urlaubsziel, sind Pauschalreiseanbieter wie ITS gefragt, eine Alternative anzubieten, und zwar binnen kürzester Zeit. Das ist aber gar nicht so einfach. Erstens müssen im neuen Zielort oder -land genügend Kapazitäten zur Verfügung stehen, um die Touristen zu beherbergen und zu versorgen. Zweitens muß das Ausweichziel interessant sein und Abwechslung bieten, damit es auch von den Kunden angenommen wird. Derjenige Reiseveranstalter, der zuerst weiß, wohin der Trend geht, gewinnt: Als erster kann er dort Hotels anmieten und Flüge chartern. Aber wie läßt sich das im voraus bestimmen?

Eine konsistente Datenbasis aufbauen

Voraussetzung, um Trends frühzeitig zu erkennen, ist eine schnelle und genaue Datenauswertung, bei der nicht nur die Daten berücksichtigt werden, die für ein Tourismusunternehmen sowieso Arbeitsgrundlage sind, wie zum Beispiel die Zahl freier Hotelzimmer oder der Preis zum Chartern eines Fluges. Für Trendanalysen braucht man mehr: aktuelle Informationen aus dem Buchungssystem, um Fragen zu beantworten wie "Wie viele Touristen buchen wann wohin um?" oder "Wie lange dauert es im Durchschnitt, bis die Hotels im neuen Zielort ausgebucht sind?" Erhält das Management eines Tourismusunternehmens diese Daten sofort, kann es fundierte Entscheidungen treffen.

Für eine Datenanalyse dieser Güte müssen jedoch umfangreiche Vorarbeiten geleistet werden. Ein System, das die dafür erforderliche große Datenmenge verwalten und auswerten kann, entsteht nicht von heute auf morgen. Zunächst ist eine konsistente Datenbasis aufzubauen, die ständig schnell aktualisiert werden kann. Diese Basis muß unbedingt vollständig sein und die neuesten Daten enthalten. Fehlen hier zum Beispiel nur wenige Hotels mit freien Kapazitäten oder die Buchungsdaten der letzten Tage, kann die ganze Auswertung ein falsches Bild ergeben. Darüber hinaus muß die Software, mit der die Daten analysiert werden, leistungsfähig und einfach zu bedienen sein. Dies hält zum einen die Kosten für zusätzliche Mitarbeiterschulungen so gering wie möglich, zum anderen wird das System von den Benutzern besser akzeptiert, wenn es kein Buch mit sieben Siegeln für sie ist. Der größte Vorteil ist aber die Zeitersparnis: Die Entscheider können ihre Abfragen selbst vornehmen und müssen nicht den Umweg über einen IT-Spezialisten gehen. Am besten läßt sich das mit einer Data-Warehouse-Lösung realisieren: Sie enthält die Datengrundlage, und die dazugehörigen Analyse-Tools liefern die Ergebnisse.

Deshalb hat sich die Rewe-Tochter ITS schon vor vier Jahren dazu entschlossen, ein Informationssystem auf Basis des "SAS System" zu implementieren. Dabei handelte es sich um eine Client-Server-Lösung unter Unix mit einem Server, der 128 MB Hauptspeicher und 9,4 GB Harddisk hat. Das Informationssystem wurde nach dem Prinzip "Think big, start small" aufgebaut und erreicht heute, da der Datenbestand insgesamt 16 GB groß geworden ist und kontinuierlich weiterwächst, die Grenzen der Leistungsfähigkeit des Servers. Deshalb wird ITS im Mai auf einen "Escala-AIX"-Server von Bull umsteigen, von dem sich das Unternehmen einen 20- bis 30prozentigen Performance-Zuwachs erhofft. So soll sich das neue Data-Warehouse-Konzept verwirklichen lassen: "Es ist höchste Zeit, die Datenmenge, die wir haben, in nutzbare Informationen umzusetzen", sagt Peter Cramer, DV-Leiter bei ITS.

Der Datenbestand des Data- Warehouse kommt aus verschiedenen Quellen. Zunächst arbeitet ITS mit dem in der Tourismusbranche weit verbreiteten Reservierungssystem "Blank", das Daten über Buchungsmöglichkeiten und zur Verfügung stehende Ressourcen liefert. Die Informationen aus diesem System werden in das Data-Warehouse integriert, so bietet es auch eine Kontrollmöglichkeit für das Reservierungssystem. Dessen Informationen enthalten alles Wissenswerte zum Beispiel über Flüge, Hotels etc. Dazu kommen dann noch aktuelle Daten über Buchungsbewegungen, die Rückschlüsse über das Verhalten der Kunden zulassen. Ein solcher Datenbestand erlaubt sehr konkrete Trendanalysen. Die Fragestellung kann beispielsweise lauten: "Wie verhält sich Land X vom Zuwachs her im Vergleich zu Land Y?"

Das System kann aber noch mehr: Mit leistungsfähiger Hardware plant ITS, das Einsatzgebiet weiter auszubauen. Zusätzlich zu den bestehenden Abfragemöglichkeiten wurde im Januar mit der Arbeit an einem neuen Kundenbetreuungssystem begonnen, das Kundenanfragen und -kommentare archivieren und eine exakte Recherche einzelner Details ermöglichen soll. Dazu gehören zum Beispiel Kundenmeinungen zu Essen, Flug oder Wohnverhältnissen. ITS will mit solchen Informationen einfacher und schneller Schwachstellen in seinem Angebot erkennen, eine bessere Basis für Vertragsverhandlungen schaffen und die Angebotsqualität steigern.

Um das zu realisieren, soll jetzt neben der SAS- noch eine Oracle-Datenhaltung implementiert werden, da die Daten aus der Kundenbetreuung unter Oracle-Produkten vorliegen. Dabei ist die Datenmodellierung die schwierigste Aufgabe. Deshalb stimmen die Anwender, also die Geschäftsführung von ITS, das obere und mittlere Management und einige Sachbearbeiter, ihren Analysebedarf mit der DV-Abteilung ab, die daraufhin die gewünschten Abfragemöglichkeiten einrichtet.

Abgesehen davon lassen sich Ad-hoc-Abfragen bei Bedarf von den Usern frei definieren. Das ist ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor in diesem Geschäft, das wegen seiner Dynamik und seiner saisonalen Schwankungen jederzeit große Flexibilität verlangt.

Die Erfahrungen, die ITS in den letzten vier Jahren gemacht hat, sind durchweg positiv. Im Gegensatz zu der vorher verwendeten klassischen Mainframe-Lösung erhalten die Entscheider des Pauschalreiseanbieters jederzeit Zugriff auf aktuelle Daten, ohne dazu erst zeitaufwendige und komplizierte Abfragen in Auftrag geben zu müssen.

Entscheidender Vorteil ist hier die Flexibilität, weshalb das Touristikunternehmen sein System auf Dauer mit Sicherheit noch weiter ausbauen wird. Das nächste Modul soll ein Vertriebsinformations-System sein.

Der Trend

Reisen werden immer häufiger kurzfristig geplant. Der Trend geht dahin, den Urlaub zirka zwei bis drei Monate im voraus zu buchen. Für die Tourismusunternehmen ist das eine große Herausforderung, denn die Organisation pauschaler Reiseangebote ist aufwendig: Hotel- und Flugkontingente müssen disponiert und weitere Transportmittel angemietet werden. Das läßt sich nicht so ohne weiteres von heute auf morgen erledigen. Im Gegenteil: Reiseanbieter buchen ihre Pauschalen ein Jahr vor der eigentlichen Saison. Das heißt, wenn die Kunden sich jetzt für ihren Sommerurlaub 1997 entscheiden, schließen die Anbieter gerade die Planung für 1998 ab. Sie müssen deshalb heute schon wissen, was ihre Kunden im nächsten Jahr wollen. Ein Muß für die Anbieter ist der leichte Zugang zu verläßlichen und aktuellen Informationen über Veränderungen im Buchungsverhalten, Beliebtheit von Zielen oder die Entwicklung der Aufenthaltsdauer.

Angeklickt

ITS, die Touristiktochter des Rewe-Konzerns, kauft Flug- und Hotelkapazitäten sowie Freizeitarrangements und kombiniert sie zu Pauschalangeboten. Dazu verwendet das Unternehmen mit Sitz in Köln das Reservierungssystem der Firma Blank und ein Informationssystem auf SAS-Basis. Mit dem "SAS System" sind die Mitarbeiter in der Lage, Ad-hoc-Anfragen auf ihrem PC zu stellen. Im Jahre 1995/96 verreisten knapp 925 000 Urlauber mit ITS. Zur Zeit gehören 8500 Reisebüros zum Vertriebsnetz des Unternehmens, das selbst 230 Mitarbeiter hat.

*Dr Götz Güttich ist freier Journalist in München.