Geschäfte im Internet

"Das Web bedroht die Dominanz des Großhandels"

16.08.1996

CW: Was treibt Ihre Kunden ins Web?

Plauert: Die meisten stehen unter einem ungeheuren Druck, besser heute als morgen im Netz präsent zu sein. Entsprechend überstürzt werden die meisten Projekte angegangen.

CW: Woher kommt dieser Druck?

Plauert: Meist aus der Geschäftsführung. Das sind nicht selten Leute, die das Internet nur aus der Presse kennen.

CW: Gibt es denn eine geschäftliche Notwendigkeit für die Web-Präsenz?

Plauert: In gewisser Beziehung ja. Die Pioniere einer Branche werden oft zum Vorbild für die anderen Unternehmen. Das ist ein für viele Firmen wichtiger psychologischer Vorteil. Hinzu kommt der Image-Faktor. Es gibt heute kaum mehr eine Werbung ohne Angabe der Web-Adresse.

CW: Es stimmt also, daß man im Web kein Geld machen kann?

Plauert: Einige Exoten verdienen ganz gut daran. Dazu gehört ein Zinnfigurenhersteller aus Herrsching am Ammersee, der sich via Web weltweit Kunden erschlossen hat. Die meisten Firmen aber wollen tunlichst kein Aufsehen erregen, wenn sie durch das Netz zusätzliche Gewinne machen oder Kosten sparen können.

CW: Warum nicht?

Plauert: Vor allem, weil es hier um Wettbewerbsvorteile geht, die man den Konkurrenten nicht auf die Nase binden will. Außerdem werden ziemlich weitreichende Konsequenzen sichtbar, auf die viele mit vorsichtiger Zurückhaltung reagieren.

CW: Was meinen Sie damit?

Plauert: Das Web bedroht die momentan dominante Position der Großhändler. Sie, nicht die Wünsche des angeblichen Königs Kunde, diktieren oft, welche Waren zu welchem Preis in die Läden kommen. Um ihre Gewinnspanne zu erhöhen, setzen sie vor allem die kleineren Hersteller unter Druck. Via Netz können diese ihre Waren den Geschäften nun direkt anbieten. Dort lassen sich dann die Preise online vergleichen. Gewählt wird schließlich das Angebot, das am besten in das jeweilige Sortiment paßt. Dem Zwischenhandel gefällt diese Entwicklung überhaupt nicht.

CW: Das bedeutet doch aber, daß die Erzeuger für teures Geld den möglicherweise abgeschafften Vertrieb wieder installieren müssen.

Plauert: Das stimmt, viele Mittelständler haben den Vertrieb verlernt. Vor allem wissen sie nichts über ihre Kunden. Aber auch hier läßt sich mit Online-Kommunikation Abhilfe schaffen. Außerdem kann man den Vertrieb ja an einen Online-Händler outsourcen.

CW: Bedeutet das, daß die Hersteller auf Kosten der Grossisten Gewinn machen können?

Plauert: Ja, wenn diese sich nicht in Richtung Online-Händler entwickeln. Die Unternehmen sind hierzulande viel zu vorsichtig. Die großen Versandhäuser könnten das Internet-Shopping wesentlich besser ankurbeln, wenn sie statt Vorauszahlung per Kreditkarte auch die Möglichkeit der Zahlung per Nachnahme akzeptieren würden. Dafür müßten sie aber das Risiko eingehen, daß Ware wieder zurückkommt.

CW: Sie stimmen also in das allgemeine Klagelied über die risikoscheuen Deutschen ein?

Plauert: Viele Unternehmen warten, bis durch Set-top-Boxen oder andere Techniken gesicherte Transaktionen möglich werden. In der Zwischenzeit verpassen sie alle geschäftlichen Chancen der neuen Technik.

CW: Welche Produkte verkaufen sich denn via Netz?

Plauert: Marken- und Alltagsartikel, die keinen großen Beratungsaufwand erfordern. Musik-CDs wären ein Beispiel. Wenn es um Entscheidungsunterstützung geht, funktioniert das Netz auch im PC-Bereich als probates Mittel für Funktions- und Preisvergleiche. Besonders attraktiv müßte das Web eigentlich für die Tourismusbranche sein. Bisher geschieht allerdings nur wenig.

CW: Preisvergleiche gehören zu den Hauptanwendungen im Web?

Plauert: Ja. Nur wer im Netz ist, wird von den Suchmaschinen gefunden und beim Konkurrenzvergleich wahrgenommen.

CW: Das hilft aber nicht viel, wenn die Seiten - wie häufig - selten gepflegt werden.

Plauert: Die Internet-Präsenz zieht Pflichten nach sich. Niemand sollte ein tolles Produktangebot hinter einer schlampig gestalteten Web-Seite verstecken. Das schadet dem Image des Unternehmens. Ähnlich gefährlich ist es, wenn auf einer aufwendig gestylten Web-Seite veraltete Informationen stehen oder E-Mails nicht beantwortet werden.

CW: Die Firmen sollten sich also eine Web-Abteilung zulegen..Plauert: ... oder einen Dienstleister beauftragen. Beim Einrichten von Web-Seiten müssen Marketing, Kreativität und technisches Wissen zusammenfließen. Der Kunde hat selten alles auf einmal. So fehlt vielen die Kreativität, anderen die nötige Technik.

CW: Mit der Aktualisierung von Web-Seiten ist es aber meist nicht getan.

Plauert: Richtig. Die Web-Kommunikation muß auch organisatorisch abgestützt werden. Beim Webmaster etwa von Siemens ist denkbar, daß eine Mail eingeht, bei der nach einer Information über ein Kernkraft-Modul gesucht wird, der nächste Kunde will dagegen nur wissen, wo er seinen defekten Toaster umtauschen kann. Zur Beantwortung solcher Fragen braucht es eine Organisation für den Informationsfluß.

Fehler beim Web-Einstieg

Die Einrichtung einer Web-Seite geschieht häufig überhastet. Die Folgen sind Fehler bei der Planung, die den Erfolg der geplanten Präsenz in Frage stellen können.

Grundlegende Fehler:

-fehlende strategische Planung und unzureichende Einbindung in die unternehmenseigene Kommunika- tionsstrategie

-falsche Selbsteinschätzung der kommunikativen Leistungsfähigkeit des eigenen Unternehmens

-geringe Erfahrungen mit elektronischen Medien und speziell mit Online-Applikationen

-fehlende Folgenabschätzung in bezug auf personellen und finanziellen Einsatz

-Online-Partner, die entweder konzept-, gestaltungs- oder techniklastig sind.

Die Folgen:

-"... unable to find ...": zu deutsch: kein Anschluß unter dieser Nummer. Das ist ein frustrierendes und teures Suchergebnis für den Surfer.

Grund: Schlamperei in der Anwendungsarchitektur.

-"Connecting host": zu deutsch: Bitte warten.

Grund: entweder zuviel gespart am Provider, der mit einer Schmalspur ans Internet angeschlossen ist - oder zuwenig gespart an gigantischen Bildgrößen.

-"Coming soon": zu deutsch: Hier ist eine Baustelle.

Grund: die irrige Vorstellung, die Internet-Gemeinde warte schon lange sehnsüchtig auf genau diese Informationen.

-"Das sind wir, das bieten wir, so erreichen Sie uns": Diese oftmals einzigen Inhalte einer Web-Seite reichen nicht. Die Anwender wollen, daß man ihnen etwas für ihre Bedürfnisse bietet.

Grund: kein ernsthaftes Einlassen auf die Online-Erfordernisse beziehungsweise mangelnde Erfahrung mit dem Medium.

-Die Online-Broschüre: Hier mußte der Programmierer eine Broschüre der Marketing-Abteilung eins zu eins ins Web übertragen.

Grund: Es fehlt an Innovationsbereitschaft, oft auch an Geld, Zeit, Erfahrung, Kundenorientierung, Phantasie ..

-"Keine Antwort unter dieser Mail-Adresse": Damit würgt man eine bestehende oder sich anbahnende Beziehung zum Kunden ab.

Grund: Meistens ein Webmaster, der unter den Mails zusammenbricht, weil ein funktionierende Dialogkonzept fehlt.

-"Alles Gute für 1993": Mit Information von anno dazumal schafft sich ein Unternehmen das Image, ebenfalls von gestern zu sein.

Grund: Stiefmütterliche Behandlung des Online-Babys. Es will laufend gefüttert werden - mit allem, was sein Wachstum fördert. Quelle: P+P Online GmbH