Future Thinking Kongress

Das Rechenzentrum der Zukunft

31.08.2015
Von 
Harald Lutz lebt und arbeitet als Fachjournalist und Technikredakteur sowie in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in Frankfurt am Main. Spezialgebiete: Informations- und Kommunikationstechnik (IKT), Logistik, Informationslogistik, Wissenschaft und Forschung.
Das Data Center ohne Kühlsystem, der automatisierte Betrieb ohne Techniker, insgesamt weniger einzelne Infrastrukturkomponenten – das sind nur einige der Modelle für das Rechenzentrum der Zukunft. Möglich ist (fast) alles. Über allem steht die Prämisse: Weniger Energieverbrauch, weniger Kosten.
  • Das Zukunftsthema "Einhausung" beschäftigt die RZ-Experten - die Luft wird gezielt in die Server hinein und hinaus geleitet, die Temperatur im Serverraum schrittweise erhöht.
  • Besonders mittelständische Anwender setzen zunehmend auf Container-Lösungen -also industrialisierte und standardisierte Rechenzentren. Das begrenzt Planungs- und Finanzierungsaufwand.
  • Neben der weiter steigenden Nutzung von Cloud-Services und Virtualisierungstechniken spielt auch die weitergehende Miniaturisierung der RZ-Komponenten eine wichtige Rolle.

Die Rechenzentren-Szene in Deutschland ist in puncto Energieverbrauch in den vergangenen Jahren bereits effizienter geworden. Dennoch zeigten sich Experten auf dem jüngst in Darmstadt bereits zum sechsten Mal ausgerichteten Future Thinking-Kongress davon überzeugt, dass das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht ist. Werden vorhandene und bald marktreife Konzepte und Techniken umgesetzt, lassen sich wohl noch weitere 50 Prozent der heute weitgehend sinnlos in Kühlsystemen verblasenen Energie einsparen.

Im Data Center der Zukunft (hier ein Symbolfoto aus einem der zahlreichen Google-Rechenzentren) wird weniger bis gar nicht gekühlt, automatisierter und höchsteffizient gerechnet.
Im Data Center der Zukunft (hier ein Symbolfoto aus einem der zahlreichen Google-Rechenzentren) wird weniger bis gar nicht gekühlt, automatisierter und höchsteffizient gerechnet.
Foto: Google

"Wir haben erreicht, dass das Thema Energie­effizienz in den Köpfen der Ver­antwortlichen mittlerweile mehr oder weniger fest veran­kert ist und auch bei Bau- oder Kaufent­schei­dun­gen Einzug gefunden hat", betont Ul­rich Terrahe, Geschäftsführer der dc-ce Re­chenzen­tren-Beratung in Frankfurt am Main, treibende Kraft und Organi­sator von "Future Thinking".

Zum fünf­ten Mal wurde im Rahmen der Rechenzen­trum-Kon­gress-Messe der Deut­sche Re­chenzen­trumspreis ver­geben. Terrahe: "Damit schaffen wir Anreize, sich über Effizienz­stei­gerung Gedanken zu machen, und wol­len inno­vative Forschungen und Projekte auch beloh­nen." Ausgezeich­net wurde unter anderem das Pro­jekt "Data­center Power Plant: Rechenzentren als Rück­grat der Ener­giewende" von Dr. Ralph Hinte­mann vom Border­step Institut.

Angefangen bei einfachen Serverschränken und Serverräumen über kleine und mittlere Rechenzentren bis hin zu Großrechenzentren mit über 5.000 Quadratme­tern Fläche gibt es dem Borderstep Institut zufolge insgesamt rund 50.000 Unternehmensrechenzentren aller Kategorien in Deutschland.

Luftzuführung optimieren und Tempe­ratu­ren hochschieben

War vor zehn Jahren ein Rechenzentrum noch relativ hetero­gen mit frei in den Raum ge­stellten Datenschränken / Racks aufgebaut, ist seit einigen Jahren technologisch das Thema Einhausung en vogue. Im Gegen­satz zu der anfangs betriebenen, sehr ineffizienten Me­thode der planlos hineingepumpten kalten Luft wird mit dem Konzept der Einhausung ver­sucht, die Luft ganz gezielt zu den Rechnern und auch wieder von ihnen abzuführen. Ter­rahe: "Dieses System sorgt gleichzeitig dafür, dass sich kalte und warme Luft nicht mehr vermischen können."

Ulrich Terrahe sieht die deutsche RZ-Branche auf einem guten Weg.
Ulrich Terrahe sieht die deutsche RZ-Branche auf einem guten Weg.
Foto: Future Thinking

State of the Art ist es dem Rechenzentrum-Ex­perten zufolge heute, noch darüber hinauszu­gehen und die Temperaturen im Serverraum schrittweise zu erhöhen. Allgemeine Faust­formel: Ein Wär­megrad ergibt zwischen zwei und vier Pro­zent Energieeffizienzsteigerung. Von ehe­mals eis­kalten Zulufttemperaturen von 11/12 Grad über 16/17 Grad als langjährigen Standard werden die Rechenzentrums-Server heute pro­blemlos be­reits mit 20 bis 22 Grad gekühlt. Innovative Raumlufttem­peraturen liegen dagegen mitt­lerweile bei 23/24 Grad. Terrahe: "Ganz Mu­tige gehen mit der Zuluft­temperatur sogar noch höher."

Die Wirklichkeit hinkt dem heute bereits tech­nisch Möglichen jedoch noch weit hinterher: Lediglich 20 bis 30 Prozent der deutschen Rechen­zentrumsbetreiber verfolgen bereits Kon­zepte und Lö­sungen zum "Hochschieben der Temperaturen". Dennoch werden die Optimierung der Luftführung und die Angleichung der Temperaturen in den nächsten Jahren den Weg zum anerkann­ten Standard finden, zeigt sich der Rechenzentrum-Experte optimistisch. Ter­rahe: "Die Ein­hau­sungslö­sung ist heute in den meisten Köp­fen fest verankert und in der Pra­xis zu 50 Pro­zent umgesetzt. Jetzt machen die Betreiber ihre Erfahrun­gen damit und wer­den sich all­mählich auch trauen, die Tempe­ratu­ren im Rechenzen­trum anzuhe­ben."

Marktreife Technologien wie effizientere USV-Anlagen oder ausgeklü­gelte Klima-Käl­tekonzepte stehen bereits heute zur Verfü­gung. Weitere Effizienzsteigerungen werden durch Innovationen in naher und mittlerer Zu­kunft möglich.

Infrastruktur und IT wachsen zusam­men

Als einen der mittelfristigen Trends haben die Experten die Einebnung der noch überwiegend vorherrschenden Trennung zwi­schen Infrastruktur wie Klimatisierung, Strom­versorgung und IT selbst ausge­macht. "Die Branche fängt an, beides integral zu sehen", analysiert Terrahe. Für ge­nau diesen Ansatz wurde das Projekt "Tempe­ratursensor-Matrix für DCIM" von Fujitsu Technology, ausgezeich­net. Der Preisträger unter­scheidet in seinem Forschungsprojekt nicht mehr zwi­schen Kli­matisierung des Raums und der Ser­ver. "Bei­des wächst inei­nander. Solche Ge­samt­systeme werden in na­her Zukunft kom­men", zeigt sich der Veran­stalter überzeugt.