Trends '95/Kriegskassen fuer Merger und Akquisitionen sind randvoll

Das Motto der Computerbranche: Fressen oder gefressen werden

05.01.1996

Als Gruende fuer die stark ansteigende Anzahl der Uebernahmen in diesem Jahr werden von Branchenkennern kuerzere Produktzyklen, hoehere Entwicklungskosten, Sicherung der eigenen Marktanteile sowie Positionierung in neuen, attraktiven Maerkten angegeben. Neben den spektakulaeren Faellen wie Lotus, Legent oder Conner gab es eine Vielzahl kleinerer, strategischer Uebernahmen, die eine zunehmende Blockbildung im Markt vorbereiteten. Wall-Street- Analysten erwarten fuer 1996 auch Akquisitionen, die das Volumen des Lotus-Erwerbs durch die IBM (3,5 Milliarden Dollar) uebersteigen werden.

Anlass fuer solche Mutmassungen sind vor allem die rund 200 Milliarden Dollar, die in den "Kriegskassen" der grossen amerikanischen Computerindustrie fuer Unternehmenskaeufe bereitliegen; darueber hinaus kann durch Aktientausch weiteres Potential geschaffen werden. Schon in fuenf bis zehn Jahren koennte eine Entwicklung wie in der US-amerikanischen Medienindustrie abgeschlossen sein: Innerhalb eines knappen Jahrzehnts blieben dort Anfang 1995 nur noch fuenf groessere Medienkonzerne uebrig, die in diesem Jahr erneut fusionierten, so dass letztlich drei Konzerne den gesamten Markt beherrschen.

Aehnliches wird in der IT-Branche erwartet. Firmen wie Intel oder IBM, die ohnehin laengst die kritische Masse ueberschritten haben, forcieren gemeinsam mit ihren Partnern die Blockbildung und uebernehmen weitere Firmen. Dabei werden in Insiderkreisen Uebernahmevolumen von zehn Milliarden Dollar erwartet.

Ziele dieser Strategie werden Firmen sein, die nur eine begrenzte Produktpalette anbieten koennen und keinem der bestehenden Bloecke zuzuordnen sind. In Branchenkreisen geht man davon aus, dass Novell einer der ersten dieser Anbieter sein wird. Durch den Verkauf von Unixware und die geplante Ausmusterung von Perfect Office ist Novell derzeit das einzige grosse Unternehmen aus der IT-Branche, das einen Schrumpfungsprozess eingeleitet hat. Aber auch Haeuser wie Apple und Compaq koennten in den kommenden Jahren ein Uebernahmeangebot erhalten.

Aus vielen Anbietern werden wenige

Die Zusammenfassung von vielen Anbietern zu wenigen wird in den naechsten Jahren vorherrschendes Thema sein. Die Anzahl der Akquistionen wird stetig zunehmen, und das Volumen wird exorbitant steigen. Nach der ersten Elefantenhochzeit werden viele Unternehmen gezwungen sein zu agieren. Bei lediglich drei Uebernahmen, die den Wert von einer Milliarde Dollar ueberschritten haben, haben die Branchenriesen bisher nur einen verschwindend geringen Teil des Moeglichen investiert. Unternehmen wie Oracle, Intel, IBM und Microsoft, die bis zu 13 Milliarden Dollar in den Kassen halten, werden mit Akquisitionen in den kommenden Jahren den Markt komplett verschieben.

Horst Gaudian ist Finanzberater der New York Broker Deutschland AG in Duesseldorf.