Web

Das mobile Internet tut sich noch schwer

09.01.2001
Bisher konnte sich das mobile Internet mit dem WAP-Standard in Westeuropa kaum durchsetzen. Marktforschungsunternehmen wie Forrester und BCG fühlen den Europäern auf den Zahn und geben Tipps für die Anbieter.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Noch stehen die Europäer dem mobilen Internet skeptisch gegenüber. Der aktuelle Standard WAP (Wireless Application Protocol) konnte nach einer Studie des Marktforschungsunternehmens Forrester in Westeuropa bisher lediglich 2,5 Millionen regelmäßige Anwender gewinnen. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen die Auguren von Boston Consulting Group (BCG), Strand Consult, Mobile Opinion und Dagens Industri.

Noch interessieren sich die meisten Europäer herzlich wenig für den mobilen Internet-Standard WAP. Selbst in den skandinavischen Ländern, wo das Mobiltelefonieren im europäischen Vergleich am meisten verbreitet ist, fristet WAP ein Mauerblümchendasein. Einem Report von Strand Consult zufolge kennen lediglich die Hälfte der Dänen WAP; 82 Prozent von ihnen wollen mit dieser mobilen Web-Spezifikation nichts zu tun haben.

Trotz der hohen Verbreitung von WAP-Handys surfen wenige Besitzer damit im Internet. So verwenden nach Forrester nur 0,5 Prozent der französischen und 1,9 Prozent der deutschen Mobilfunkkunden WAP-Funktionalitäten. In Skandinavien zeichnet sich ein ähnliches Bild ab: Einer Erhebung von BCG zufolge haben 63 Prozent der schwedischen WAP-Handy-Besitzer die Internet-Angebote noch nie genutzt. Eine Studie von Mobile Opinion und Dagens Industri kam zu dem Ergebnis, dass nur sechs Prozent der schwedischen Besitzer von Web-fähigen Mobiltelefonen WAP-Funktionalitäten regelmäßig verwenden.

Je nach Herkunftsland gibt es bei denjenigen, die WAP tatsächlich nutzen, ein sehr unterschiedliches Internet-Verhalten. So verbringen die Dänen laut Forrester 243 Minuten im Monat online, wobei über 50 Prozent der Anwender nur einmal pro Woche WAP-Seiten besuchen. Für Deutschland nennen die Auguren lediglich Zahlen der Telekom-Tochter T-Mobil. Diese berichtet, dass ihre WAP-Nutzer nur 17 Minuten pro Monat im Internet surfen. Forrester schätzt, dass die monatliche WAP-Nutzungsdauer in Italien 83, in Großbritannien 55 und in Frankreich 41 Minuten beträgt.

Ein weiteres Ergebnis der Forrester-Bestandsaufnahme ist die Unzufriedenheit der WAP-Nutzer. Rund 70 Prozent der französischen und deutschen Anwender zeigten sich enttäuscht über die angebotenen Funktionalitäten. Laut BCG geben 32 Prozent der schwedischen WAP-Handy-Besitzer nach den ersten Versuchen, eine Verbindung zum Web herzustellen, wieder auf.

Aufgrund der langsamen Verbindungszeiten und der schlechten WAP-Inhalte ist das mobile Internet in Verruf geraten. Im Zuge der Aufrüstung der GSM-Netze mit der neuen und schnelleren Übertragungstechnik GPRS (General Packet Radio Service) - einer Vorstufe von UMTS - rät Forrester in seiner aktuellen Studie "The European Mobile Internet´s Uneven Takeoff" allen Betreibern von WAP-Websites, ihr Angebot innerhalb des nächsten halben Jahres neu aufzustellen. Dafür sind den Auguren zufolge drei Schritte notwendig:

Zunächst müssen die WAP-Betreiber das mobile Web im Markt neu positionieren. Anstatt dem Anwender vorzugaukeln, sie könnten über langsame Handys mit Mini-Displays uneingeschränkt im Internet surfen, sollten sie das mobile Web als bequeme Komplementärfunktion zur Festnetzverbindung vermarkten.

Partnerschaften mit Entwicklern und Content-Anbietern sind notwendig, um den Nutzen des mobilen Internet deutlicher zu machen. Durchsetzen werden sich laut Forrester die mobilen Applikationen, die schnell und einfach zu bedienen sind sowie örtliche Services zur Verfügung stellen. Als Beispiel für ein erfolgreiches Konzept nennen die Marktforscher den dänischen Einzelhandel Interflora Denmark, der es WAP-Anwendern erlaubt, über das Drücken von wenigen Handy-Tasten Blumen via das mobile Internet zu bestellen. Sinnvoll wären zudem Partnerschaften mit der Unterhaltungsindustrie wie Spieleentwickler oder Sport- und Entertainment-Websites.

Last, but not least, sieht Forrester das größte WAP-Potenzial bei den Unternehmensanwendern. Untersuchungen in Dänemark und Großbritannien haben ergeben, dass ein paar wenige Profi-Nutzer das Gros des derzeitigen WAP-Verkehrs ausmachen. Über Services wie E-Mail, Zugang zu Firmendatenbanken, Messaging und Informationsabfrage können Mobilfunkanbieter ihren Umsatz ausbauen. Ratsam wären hier Partnerschaften mit Systemintegratoren und mobilen ASPs (Application Service Providers).

In Anbetracht dieser Möglichkeiten blickt Forrester optimistisch in die Zukunft für das mobile Web. Im Jahr 2005 rechnen die Auguren damit, dass 54 Prozent der Westeuropäer regelmäßig mobil im Internet surfen.