Geschäftsmodelle für den E-Commerce/Content Syndication

Das Geschäft mit Web-Inhalten boomt

16.03.2001
Immer mehr Internet-Anbieter kaufen die Inhalte für ihre Website beim Profi, dem Content Syndicator. Denn hochwertige und aktuelle Informationen erhöhen die Nutzerbindung und verbessern damit die Verkaufschancen im E-Commerce. Von Marc-Oliver Aschenbrenner*

Hochwertige und aktuelle Informationen sind ein zentrales Element für den Erfolg einer Web-Seite. Die Produktion solcher Inhalte erfordert allerdings einen hohen personellen Aufwand und ist daher sehr teuer. Die meisten Betreiber der rund 200000 kommer-ziell betriebenen Websites in Deutschland verfügen nicht über die qualitativen und quantitativen Ressourcen, die sie bräuchten, um eigene Inhalte zu verfassen. Zudem lassen sich die teuer produzierten Exklusivinformationen nur schwer in Gewinn umsetzen.

Großes Potenzial im B-to-B-BereichKlassische Medienunternehmen, aber auch junge Internet-Startups haben dieses Dilemma erkannt und daraus ein neues Geschäftsmodell für sich erschlossen: Content Syndication, die mehrfache Verwertung identischer Inhalte in verschiedenen Medienprodukten. Allein in Europa soll dieser Markt von den für 2001 erwarteten 200 Millionen Dollar auf 800 Millionen Dollar im Jahr 2006 wachsen. Ein großes Potenzial bietet vor allem der B-to-B-Bereich. Einer aktuellen Umfrage der Forschungsgemeinschaft Contentstudie zufolge hat hier mittlerweile jeder zweite Anbieter eine eigene Syndication-Abteilung. Die größten Budgets stehen den Betreibern von E-Commerce-Plattformen zur Verfügung. Im Schnitt rund 5000 Mark monatlich investieren die Abnehmer in den Content-Kauf. Laut Analysten sehen im B-to-B-Geschäft 42 Prozent der Unternehmen die Chance einer Refinanzierung - im B-to-C-Bereich sind es nur 19 Prozent.

Content aus verschiedenen QuellenBereits mehr als 50 Unternehmen sind als Content-Syndication-Anbieter in Deutschland aktiv - die Verlage, die eigenen Content produzieren und vermarkten, nicht mitgerechnet. Die klassischen Medienkonzerne haben die beste Ausgangsposition im Syndication-Geschäft. Da sie die inhaltliche Erweiterung auf ihre Internet-Angebote bereits vollzogen haben, verfügen sie über gute Voraussetzungen für die Content-Vermarktung. Dazu gesellen sich verlagsnahe Mittler, die ihr Hauptgewicht auf die Verwertung verlagseigener Produkte legen - etwa IC Pro von Focus oder Swisscontent von Curti. Unabhängige Syndikatoren wie Isyndicate, Tanto, 4 Content sowie Streaming Media, die eine möglichst breite Auswahl an Content bieten wollen, beziehen ihren Content dagegen aus vielfältigen Quellen.

Egal, ob Produzent oder nicht produzierender "Sammler" - die Kerntätigkeit der Syndikatoren besteht darin, Informationen aus verschiedenen Quellen zusammenzuführen, sie technisch und redaktionell aufzubereiten, einer Qualitätskontrolle zu unterziehen und sie anschließend zu vermarkten. Die meisten Syndikatoren beraten ihre Kunden auch bei der Auswahl geeigneter Module, zum Beispiel Wirtschafts- und Börsennachrichten. Einige Syndikatoren bieten zudem Content-Hosting-Dienste an.

Große Nachfrage nach SpezialinhaltenÜber ihr Business-Modell können sich die Syndikatoren nur schwer abgrenzen. Denn die Ertragsmöglichkeiten erschöpfen sich in wenigen Abrechnungsverfahren: Gängigste Methode ist hier das Fixpreisabonnement, das eine einmalige Setup-Gebühr und eine monatliche Pauschale pro Content-Produkt vorsieht. Der Forschungsgemeinschaft Contentstudie zufolge favorisieren derzeit 56 Prozent der Content-Lieferanten und 57 Prozent der Käufer dieses Modell. Im Pay-per-View-Verfahren zahlt der Kunde dagegen nur den Content, der von den Nutzern seiner Site tatsächlich abgerufen wurde. Eine weitere Abrechnungsform ist das Revenue-Sharing, bei dem der Syndikator einen Anteil am E-Commerce-Umsatz beziehungsweise an den Werbeeinnahmen seines Kunden kassiert.

Die wirkliche Abgrenzung der einzelnen Syndikatoren erfolgt jedoch über die inhaltliche Angebotspalette. Am höchsten ist die Nachfrage derzeit nach speziellen Informationen zu Technik, Wirtschaft und Finanzen, gefolgt von Unterhaltung, Wissenschaft, Gesundheit und Fitness. An allgemeinen Nachrichten haben dagegen nur 18 Prozent der Internet-Anbieter Bedarf. Grundsätzlich zeichnen sich zwei Tendenzen bei der Vermarktung digitaler Inhalte ab: Der Syndicator setzt entweder auf eine Palette einfacher Produkte zu vergleichsweise niedrigen Preisen und hohem Volumen (horizontale Segmentierung). Oder er bietet spezialisierte Produkte für eng definierte Zielgruppen an.

Exklusivität oder "Boulevard"Solche Angebote sind die wegen ihrer Exklusivität und dem damit verbundenen Beratungsaufwand erheblich teurer. Diese als vertikale Segmentierung bezeichnete Strukturierung der Inhalte liegt derzeit im Trend, denn mit austauschbaren Standardinformationen lässt sich heute kaum noch Geld im Netz verdienen. Auf der anderen Seite schränkt eine zu starke Vertikalisierung der Information die potenzielle Abnehmergruppe drastisch ein.

Gelingt dem Nachrichtenverkäufer der Balanceakt zwischen Exklusivität und "Boulevard", trifft er auf eine große Nachfrage. Auch andere Ansätze bei der Strukturierung sind denkbar: Cross-Selling-Potenziale und psychologische Ausrichtungsmöglichkeiten bietet zum Beispiel die Aufteilung nach Benutzergruppen - ähnlich wie sie in der Werbebranche praktiziert wird. Nach Meinung von Analysten ist die Auswahl einer zukunftsträchtigen Segmentierungsstrategie ein entscheidender Faktor für den Erfolg im Content-Geschäft.

Entscheidend ist ein umfangreiches AngebotEin weiterer Aspekt bei der Strukturierung von digitalen Inhalten ist der Grad der Unterteilung in einzelne Textmodule. Je nachdem, wie sie später verwendet werden, müssen die Content-Module für sich alleine stehen können, sich aber auch in vollständige Zusammenhänge einbetten lassen. Zudem muss bereits bei der Aufbereitung des Contents die spätere Verwendung in Betracht gezogen werden. Denn die Abnehmer zahlen nur für Web-gerechte Häppchen. Generell ist es schwer, aus vielfältigen Möglichkeiten eine einheitliche Lösung für alle Kunden zu definieren. Den Königsweg hat bislang noch kein Syndikator gefunden.

Bei der Suche nach einem geeigneten Content-Lieferanten sollten Website-Betreiber darauf achten, dass der Syndikator über solide Medienerfahrung, ein vielschichtiges Content-Angebot und ein attraktives Preismodell verfügt. Empfehlenswert sind auch Details wie Mehrsprachigkeit oder intelligente Navigation und Verlinkung. Und schließlich sollte man sich erkundigen, ob der Syndikator seine Kunden bei der Implementierung unterstützt.

* Marc-Oliver Aschenbrenner ist Consultant bei Namics

Abb.1: Syndizierter Content

Die bei Content-Syndikatoren am häufigsten nachgefragten Inhalte befassen sich mit Themen aus Wirtschaft und Finanzen, Technologie sowie Entertainment. Quelle: Marktstudie Content Syndication 2000

Abb.2: Content-Wertschöpfungskette

Content-Syndikatoren führen Informationen zusammen, bereiten sie technisch und redaktionell auf und vermarkten sie. Quelle: Namics