Einführung "ins Blaue" läßt viele Möglichkeiten ungenutzt, deshalb:

Das erste Projekt heißt System-Einführung

18.09.1987

Ein Projektmanagement-System legt Schwachstellen im Unternehmensaufbau unerbittlich bloß. Sinnvollerweise muß dem PMS-Einsatz also eine ganze Reihe von organisatorischen Überlegungen und Schritten vorausgehen. Edmund Hübsch* nennt die häufigsten Fehler bei der Einführung und macht Verbesserungsvorschläge.

Die klassische Definition eines Projektes mit Stichworten wie zeitliche Befristung, Neuartigkeit, Komplexität und begrenzes Budget stimmt immer noch. Projektmanagement gilt nach wie vor als Führungsform für große, einmalige Projekte im klassischen Sinn.

Es ist aber der Trend erkennbar, daß Unternehmen auch ihre vielen kleinen, parallel laufenden "Vorhaben" mit den Methoden des Projektmanagements und mit Hilfe eines Projektmanagement-Systems planen und steuern möchten. Solche Projekte stellen sehr häufig das mittel- und langfristige Tagesgeschäft dar; sie entsprechen nicht vollkommen den Spezifika der Definition.

Diese gewachsenen Projektlandschaften wurden bisher häufig ohne die Denkweise des Projektmanagements bearbeitet. Wichtige Instrumente des "manuellen" Projektmanagements, die eine Systematik der Planung und der Steuerung unterstützen, waren zuwenig bekannt oder wurden außer acht gelassen. Eine dringende Koordination der Projektdurchführung verstand man, wenn überhaupt, als rein administrative und nicht als initiative Aufgabe. Kenntnisse der Projektmanagement-Methodik wurden zum Teil durch die Argumentation ersetzt: "Wir haben Projekte, die wir managen müssen, also arbeiten wir auch mit Projektmanagement" Nicht selten war man nach den Projekten froh, deren Abschluß "dennoch irgendwie erreicht zu haben".

Zahlreiche Gründe sprechen für den Einsatz von PMS

Häufig resultiert der Wunsch nach einem Projektmanagement-System aus einzelnen fehlgelaufenen Projekten oder aus mangelnder Übersicht über den aktuellen Stand der Projekte - besonders dann, wenn eine Vielzahl kleinerer Projekte bearbeitet werden soll.

Auch schwierig zu beherrschende Abhängigkeiten der Projekte untereinander, kostspielige Kapazitätsunterlastungen oder Kapazitätsengpässe im Tagesgeschäft sind ausschlaggebende Gründe für ein rechnergestütztes Planungs- und Steuerungswerkzeug.

Aber nicht nur negative Ereignisse stellen motivierende Faktoren für die Einführung eines Projektmanagement-Systems dar. Ebenso können die Abwicklung von risikoreichen Aufträgen eines bedeutenden Einzelprojektes oder auch die Erfolgsberichte anderer Unternehmen mit einem Projektmanagement-System als Auslöser wirken.

So vielfältig wie die Gründe sind so langwierig ist der Entscheidungsprozeß für eines der auf dem Markt befindlichen Systeme. Bei der Auswahl des Systems werden die tatsächlichen Bedürfnisse der existierenden Projektlandschaft ebenso als Kriterien genannt wie möglicherweise später auftretende Funktionswünsche. Um alle Eventualitäten abzudecken, werden Systeme in die Auswahl einbezogen, deren Pflegeaufwand den Projektplaner, der seine planerischen Aufgaben bisher manuell neben seinen Hauptaufgaben betreute, überfordert. Der triviale Satz, daß ein System mit einer Vielzahl von Funktionen auch einen hohen Aufwand zur Pflege der Daten auslöst, wird bei der Aufstellung eines Kriterienkatalogs zur Systemauswahl leicht übersehen.

Projektmanagement ohne ein unterstützendes System ist durchaus erfolgreich anzuwenden; für "manuelles" Projektmanagement lassen sich viele Beispiele von geglückten Projekten anführen. Auf der anderen Seite erfordert effizientes Arbeiten mit einem Projektmanagement-System jedoch die Führungsform des Projektmanagements. Dieses System wird nur dann zur Zufriedenheit des Anwenders arbeiten, wenn es in eine zielorientierte Projektmanagement-Umgebung eingebettet ist.

Schon bei der Einführung des Systems werden entscheidende Weichen für die Nutzung gestellt. So muß eine Einführungsstrategie sowohl die Methodik des Projektmanagements als auch die des Systems enthalten. Eine solche Strategie kann nur von Kunde und Anbieter zusammen erarbeitet und durchgeführt werden. Die Planung von Projektmanagement und dem entsprechenden System sollte bereits als eigenes Projekt betrachtet werden.

Bei den ersten Gesprächen und gemeinsamen Arbeiten kann die Erwartungshaltung der späteren Anwender an ein System schon mit dessen Möglichkeiten in Übereinstimmung gebracht werden. Ein richtig ausgewähltes Projektmanagement-System kann ein hervorragendes Tool sein, um Projekte transparenter zu machen; aber es ist kein Problemlöser. Es wird eine wichtige Entscheidungshilfe sein, aber es plant und steuert nicht selbst. Die eigentliche Tätigkeit des Managing bleibt nach wie vor Aufgabe des Projektmanagers. Moderne Systeme mit DV-Schnittstellen, etwa zu Rückmeldesystemen, Kostenrechnungssystemen oder Datenbanken, bieten zwar für alle Projektbeteiligten ein enormes Maß an Arbeitserleichterung und Komfort, aber die Entscheidungen trifft immer noch der Projektmanager. So banal diese Aussage auch sein mag, so wichtig ist es, sie zu beherzigen.

Durch die bei modernen Systemen übliche Simulation werden diese Entscheidungen vorbereitet und unterstützt. Es ist also wichtig, vor der Einführung die Zusammenhänge von Projektmanagement-Umgebung und -System zu beleuchten. Eine richtig ausgearbeitete Einführungsstrategie hat als Hauptziel, Projektmanagement und das System in die bestehende Organisation zu integrieren. Damit das System kein Extrazug wird, der im Unternehmen nebenherfährt, muß es sich auch in die DV-Landschaft des Unternehmens integrieren lassen. Feste Schnittstellen und Kommunikationswege mit Datenbanken sind dazu wesentliche Bestandteile.

Ein gut integriertes Projektmanagement-System soll heute nicht nur Informationen zur Planung und Steuerung von Terminen, Kosten und Kapazitäten bieten. Häufig werden auch Informationen aus der Produktion, wie zum Beispiel der Materialwirtschaft, benötigt, die dann zusammen mit den Termin- oder Kapazitätsdaten ausgewertet werden sollen. Es hat sich gezeigt, daß solche Funktionen eines Systems wesentlich mehr zur Effizienz des DV-gestützten Projektmanagements beitragen als viele auf das feinste ausgearbeitete Raffinessen, etwa der Netzplantechnik, die dem Planer das Leben häufig eher erschweren statt erleichtern.

Um diese Integrationsaspekte des Projektmanagement-Systems schon bei der Erarbeitung der Einführungsstrategie in ausreichendem Maße zu berücksichtigen, soll das damit betraute Team auch enge Kontakte mit den entsprechenden DV-Bereichen des Unternehmens pflegen.

Offene Planung macht Betroffene zu Beteiligten

Das Team zur Einführung des Projektmanagement-Systems und der eventuell parallel laufenden Einführung von Projektmanagement spielt in diesen Prozessen überhaupt die zentrale Rolle.

Voraussetzung für eine wirkungsvolle Arbeit des Teams ist, wie bei anderen Planungsvorhaben auch, die Hierarchiefreiheit. Ein Ziel der Teamarbeit wird auf jeden Fall sein, Projektmanagement als Allgemeingut und das Projektmanagement-System als Werkzeug im Unternehmen einzuführen. Der Begriff "Allgemeingut" ist dabei durchaus wörtlich zu verstehen. Die einbezogenen Mitarbeiter auf allen Hierarchie-Ebenen sollen darüber informiert sein, wie sie in die "neue Vorgehensweise" eingegliedert sein werden. Betroffene werden in einer offenen Planung wesentlich problemloser zu Beteiligten gemacht. Eine der Aufgaben des Teams bei der Einführung ist es, klarzustellen, wie man die einzelnen Mitarbeiter an der Einführung und in den Pilotprojekten beteiligen kann. Regelmäßige Präsentationen vor Entscheidungsträgern helfen dabei, sich der Unterstützung des Managements zu versichern.

Auf diese Weise werden sich leichter positiv eingestellte Beteiligte finden lassen, um bestimmte, für die Einführung wichtige Schlüsselrollen einzunehmen. Sogenannte Promotoren, vor allem Macht- und Fachpromotoren, können dann für die wichtige Funktion der Meinungsmultiplikatoren gewonnen werden. Die Rollen, die während der Einführungsplanung besetzt werden, sollen, wenn irgend möglich, während der Einführung nicht mehr getauscht werden. Durch die Institutionalisierung von Machtpromotor und Fachpromotor kann eine Kontinuität des Ablaufs erreicht werden. die für eine sichere Einführung notwendig ist.

Als sinnvoll für die Planung der Einführung haben sich Einzelinterviews erwiesen. Dabei werden in einem zeitlich auf etwa 30 bis 60 Minuten begrenzten Umfang Themen wie zum Beispiel die gegenwärtige Position des einzelnen in der Projektarbeit angesprochen. Wichtig ist dabei die Sicht des einzelnen bezüglich der Entscheidungsprozeduren, Informationsbedürfnisse und anderer Parameter der Unternehmensstruktur. In solchen Gesprächen kann häufig leichter festgelegt werden, wer aufgrund seiner Fachkenntnisse oder seiner Hierarchieebene welche Rolle in der Einführung einnehmen soll.

In dieser Phase, in der vor allem Akzeptanz für die Vorgehensweise des Projektmanagements und für das System geschaffen werden soll, müssen die einzelnen Hierarchiestufen parallel und nicht nacheinander beteiligt werden.

Ebenso entscheidend wie die Bildung von Akzeptanz ist für die erfolgreiche Einführung natürlich auch eine entsprechende Wissensbasis der Betroffenen. Bei der Planung der Einführung wird deshalb auch der Trainingsbedarf der einzelnen Mitarbeiter festgelegt. Dabei sind auch die Fragen zu klären, wer welche Systemkomponenten und wer das gesamte System beherrschen soll. Abhängig vom vorhandenen Projektmanagement-Know-how werden im Rahmen der Einführung auch die entsprechenden Projektmanagement-Kenntnisse durch Seminare und Training geschult.

Schulungskonzept sollte Wissen gezielt vermitteln

Beim Aufbau dieses Schulungskonzeptes ist darauf zu achten, daß für die jeweiligen Hierarchieebenen das entsprechende Wissen vermittelt wird. Je nach Hierarchieebene ist im Projektmanagement und im System eine andere Wissenstiefe notwendig.

Nützlich haben sich bei der Schaffung von Akzeptanz und Verbreitung von Wissen in der Einführungsphase Start-up-Workshops gezeigt. Solche ein- bis zweitätigen Veranstaltungen können auch durch ein einfaches, schnell zu verstehendes PC-Werkzeug unterstützt werden. Durch überschaubare Simulationen und Ergebnisse kann die Motivation für ein Projektmanagement-System enorm gesteigert werden.

In Verbindung mit der offenen Planung helfen solche Veranstaltungen, gegenüber allen Beteiligten die Ziele der Einführung zu erklären und den Nutzen für den einzelnen transparent zu machen. Den betroffenen Mitarbeitern werden neue Arbeitsabläufe, neue Hilfsmittel und neue Zusammenhänge bekanntgemacht; auf diese Weise können sie lernen, ihre neuen Kenntnisse zu beherrschen. Daraus resultierende neue Verhaltensweisen werden dann leichter akzeptiert und später auch angewandt.

Standards sind der Meilenstein zum Erfolg

In einem Umfeld, in dem die Veränderung durch ein Projektmanagement-System akzeptiert und deren Nutzen erkannt ist, kann das Einführungsteam sich wesentlich effizienter auf die Anpassung des Systems an die Organisation konzentrieren.

Dazu müssen bei fast jedem System grundlegende Standards wie Tabellen, Kalender, Zugriffsberechtigungen und Rückmeldewesen festgelegt werden.

Ein modernes System muß Flexibilität gegenüber der bestehenden Organisation des Unternehmens aufweisen. Bestimmte Vorgehensweisen der bisherigen Planung können sich durchaus für das spezielle Unternehmen aIs vorteilhaft erwiesen haben; häufig soll ein Projektmanagement-System daran angepaßt werden. Nur seiten wird eine Organisation auf bewährte Techniken verzichten oder sich selbst wegen eines Planungs- und Steuerungssystems wesentlich ändern.

Einige Systeme, die auf dem Markt angeboten werden, sind zwar sofort nach deren Einspielung auf dem Rechner voll funktionsfähig, können aber zum Beispiel durch Maskenveränderung, Berichtsgenerator und benutzererstellte Menüs an die speziellen Erfordernisse der Organisation angepaßt werden. Sie bieten den Vorteil, sofort Ergebnisse zu liefern und dennoch modifizierbar zu sein.

Für den anschließenden Aufbau von Pilotprojekten durch das Team müssen zwar nicht alle Feinheiten und Möglichkeiten des Systems von Anfang an voll verfügbar sein. Es soll aber doch möglich sein, den erhofften Nutzen in diesen Anfangsprojekten aufzuzeigen, um das System zu einem gut genutzten Werkzeug des Projektmanagements aufbauen zu können.

Aktiver Support ist zu institutionalisieren

Viele Vorteile bringt es erfahrungsgemäß, wenn sich das Team nach erfolgter Einführung eine Stelle institutionalisiert, die aktiv Unterstützung anbietet. Solche internen Beratungsleistungen sind für das Projektmanagement-System notwendig zur laufenden Betreuung, wie etwa zur Pflege der Dateien, Kalender und Ressourcen. Sie sind aber auch wichtig zur Koordinierung der Projekte untereinander, zum Beispiel zur Prioritätenvergabe und zur Abstimmung von Kapazitätsengpässen. Das System wird damit laufend als gemeinsame Kommunikationsbasis für alle Projektbeteiligten genutzt.

Für das Projektmanagement im Unternehmen ist es außerdem häufig hilfreich, wenn diese Stelle Projektunterstützung anbietet, ein der Unternehmensstruktur angepaßtes Projekthandbuch erarbeitet und auch Schulungen durchführt. Auf diese Weise kann sichergestellt werden, daß das Projektmanagement und das System zu einem integralen Bestandteil der Organisationsform werden und nicht nach einer Euphoriephase wieder in der Versenkung verschwinden.

*Edmund Hübsch ist Projektleiter der Roland Berger & Partner GmbH, International Systems Consultants, München.