Mobbing im Internet

Cybermobbing: Medienscouts als erste Ansprechpartner

22.02.2016
Für die meisten Erwachsenen sind Vorsichtsregeln im Internet selbstverständlich. Doch Kinder und Jugendliche sind den Gefahren oft hilflos ausgesetzt. Medienscouts können erste Hilfestellungen geben. Sie treffen sich in Rostock zu ihrem ersten bundesweiten Kongress.

Das Internet ist für Kinder und Jugendliche so normal wie vor 30 Jahren für damalige Heranwachsende das Fernsehen - nur sind die Gefahren für die heutigen Kinder ungleich größer. "Die größten Probleme sind Cybermobbing und Sexting", berichtet der 17-jährige Marcel Müller aus Rostock. Er ist seit zwei Jahren ein Medienscout und damit Ansprechpartner für in Not geratene Schüler. Er geht entweder in Schulen und berät Jugendliche, oder diese wenden sich mit ihren dringenden Anfragen per E-Mail an ihn. "Das ist anonymer, die Einstiegsschwelle ist niedriger."

Jugendliche, die Opfer von Cybermobbing werden, können sich an Medienscouts wenden.
Jugendliche, die Opfer von Cybermobbing werden, können sich an Medienscouts wenden.
Foto: Speedkingz - shutterstock.com

Müller ist einer von rund 120 Medienscouts - sie werden auch digitale Helden oder Smart User genannt -, die sich nächstes Wochenende (26. bis 28. Februar) zu einem dreitägigen Austausch bei der Bundesjugendkonferenz Medien 2016 in Rostock treffen. Es sei die erste bundesweite Konferenz dieser Art, sagt die Organisatorin und Rostocker Rechtsanwältin, Gesa Stückmann. "Alle Zahlen zeigen, dass das Problem immer größer wird." Die Medienscouts seien als erste Ansprechpartner auf Augenhöhe ein wichtiger Baustein in der Hilfskette für die Betroffenen.

Mobbing im Internet: Soziale Netzwerke als Einfallstore

Weltweit war das Entsetzen über den Tod der 15-jährigen Kanadierin Amanda Todd groß, die sich nach jahrelangem Cybermobbing im Jahr 2012 das Leben nahm. Ein Mann hatte ihr drei Jahre lang das Leben zur Hölle gemacht. Ihr Video als letzter Hilferuf ist zum Symbol gegen Cybermobbing und Sexting geworden. Dabei werden über das Internet intime Fotos oder Videos ausgetauscht.

Die Gefahren etwa bei der sexualisierten Gewalt sind seit dem Tod von Amanda nicht geringer geworden. "Heute sind Missbrauchshandlungen möglich, die es früher nicht gab", sagt die Geschäftsführerin des Vereins Innocence in Danger, Julia von Weiler. Sexueller Missbrauch findet zu 80 Prozent im sozialen Nahfeld der Betroffenen statt. Dazu gehören auch soziale Netzwerke. "Sie sind Einfallstore für Täter." Sie seien dort anonym, ungestört und könnten erreichen, dass das Kind der Eltern nie von dem Kontakt erzählt. In Online-Spielen würden E-Mail-Adressen ausgetauscht, oft sei dadurch der erste Kontakt hergestellt.

Sex & Gewalt im Netz: Medienscouts als Vermittler

Gravierende Folgen kann es haben, wenn ein verliebtes Mädchen einem vermeintlichen Freund etwa ein scheinbar harmloses Unterwäsche-Bild schickt. Wenn der das Bild an Kumpels weitersendet und die an andere Kumpels, habe sich das Leben des Mädchens sofort unwiederbringlich verändert. "Wir erwarten, dass Kinder und Jugendliche reflektiert und medienkompetent durch das Leben gehen - aber oft sind sie in ihrem Alter rein hirnphysiologisch gar nicht in der Lage, alles zu überblicken." Kinder bräuchten dringend Ansprechpartner, wenn sie etwa mit für sie fürchterlichen Bildern konfrontiert sind, sagt von Weiler. "Auch 15 Sekunden Hardcore-Pornografie können reichen, um sie völlig zu verunsichern".

Der 17-jährige Marcel Müller beobachtet eine zunehmende Verrohung. Als Scout bietet er Kindern neben prinzipiellem Rat im Umgang mit dem Internet Hilfestellung in Notfällen an, damit die Kids sich den Eltern, den Eltern von Freunden oder anderen Erwachsenen anvertrauen können. Es sei wichtig, Fotos, Filme oder andere Dokumente als Beweise zu sichern. "Als Medienscout kann ich aber selbst nicht viel machen." Das solle er auch nicht, betont von Weiler. Die Scouts müssten wissen, wann sie abgeben müssen und bräuchten Erwachsene an ihrer Seite. "Es ist nicht ihre Aufgabe, James Bond zu spielen." (dpa/fm)