CW-Wert

25.10.1996

Am vergangenen Wochenende stolperte der Autor dieser Zeilen bei der Frühstückslektüre einer Boulevardzeitung (wir haben alle unsere Schwächen) über folgende Meldung: "Am heutigen Samstag können die Münchner - wenn's Wetter paßt - eine partielle Sonnenfinsternis beobachten. Gefahrlos kann man das Schauspiel im Internet (Online-Dienst von Microsoft) bestaunen."

Nein, nein, es geht nicht um die Formulierung "wenn's Wetter paßt" idiomatisch bedingte Sprachbeugungen wie diese sind gewöhnungsfähig - sie rufen bei uns nicht einmal mehr ein Achselzucken hervor. Das Inhaltliche selbst war es, der Content sozusagen, der uns verunsicherte.

Da stellt sich etwa die Frage: Wie mag eine "partielle Sonnenfinsternis" wohl im Internet aussehen? Flugs holen wir unsere Schweißerbrille aus dem Keller, um dem Naturereignis "gefahrlos" ins Auge sehen zu können. Ans Ziel sind wir jedoch nicht gekommen. "Total versurft" würde der Insider sagen. Yahoo, Alta Vista, Lycos - alle Maschinen haben uns im Stich gelassen.

Zum Frühstückstisch zurückgekehrt, grübeln wir herbstlich auf das Toastbrot. Konnte es tatsächlich sein, daß die gesamte CW-Redaktion geschlafen hatte? War das Internet inzwischen tatsächlich zu einem "Online-Dienst von Microsoft" mutiert? Möglich wär's ja: Immerhin polt Gates ganze Produktpaletten auf Web-Fähigkeit um und kauft schon seit Monaten die großen Galerien dieser Welt leer. Irgendwann wird er eine Sonnenfinsternis vermarkten. Eine totale.