Satire

CW-Wert

23.12.1998

Ein glühweinweicher Herr klagte, seine Knechte nähmen ihn nicht ernst."Wahrlich, sei froh", verkündigte ihm da ein erfahrener, schon etwas bauchiger Diener. "Denn siehe, wenn wir dich ernst nähmen, würden wir deine Ratschlüsse stundenlang mit dir diskutieren. Sogar Gremien würden wir gründen. So aber tun wir einfach, was du willst, weil du dann, hosianna, schneller wieder gehst. Das ist für alle bequemer."

Der Herr weinte bitterlich, doch dann sah er es ein. Erfüllte Hauptwünsche machen lebensmüde; es ist die Sehnsucht, die uns weitertreibt. Deshalb ist auch Weihnachten so schwer zu ertragen, diese konstitutiv wunscherfüllende Veranstaltung; deshalb die Kräche, die Zimmerbrände, das Blockflötenspiel.

Unsere Branche braucht sich den Vorwurf, sie würde herstellen, was irgend jemand sich wünscht, nicht gefallen zu lassen. Die zielgruppenspezifische Werbung etwa, die uns das Data-Warehouse schickt, hauen wir ungelesen zum Altpapier. Ebenso wird es die oft verlangte papierlose Verwaltung dank nutzloser Software nie geben und auch sonst nichts Papierloses von Bedeutung. Das ist ein Glück, denn der Verlust des Briefes zum Beispiel würde uns untröstlich stimmen. Oder haben Sie schon einmal den Duft eines mit schweifigen Unterlängen beschriebenen Dokumenten-Management-Systems eingesogen? Mit geschlossenen Augen seinem Knistern gelauscht? Über das zart entfaltete Medium gestrichen wie über... (Nach Diktat verreist).