Die neuen Application Service Provider (ASPs)

CRM zur Miete lebt wieder auf

07.02.2003
MÜNCHEN (CW) - Die zweite Generation von Application Service Providern (ASPs) reift heran. Anbieter wie Salesforce.com und Netledger finden vor allem in den USA große Beachtung. Ihre Bedeutung - gemessen am Gesamtmarkt für CRM-Lösungen - ist allerdings bescheiden.

Nahezu zeitgleich zum großen Sterben unter den ASPs mit Customer-Relationship-Management-(CRM-)Angeboten vor rund drei Jahren, starteten Unternehmen wie Salesforce.com, Upshot.com oder die Oracle-Tochter Netledger mit neuen Mietlösungen. Und auch in Deutschland ließen sich Anbieter wie Wice (www.mywice.de) nicht von den Pleiten früherer Vermieter davon abschrecken, mit ASP-Angeboten in den CRM-Markt einzutreten. Die Firmen haben aus den Fehlern der Vorreiter gelernt.

Aus früheren Fehlern gelernt

Gescheiterte Unternehmen wie Kana Online, Sales.com, Hostlogic und Applicast, die allesamt etwa um die Jahrtausendwende ihre Pforten schließen mussten, hatten versucht, herkömmliche Client-Server-Lösungen auf Mietbasis anzubieten. Hostlogic etwa kombinierte SAPs R/3 mit Siebels CRM-Software. Kana Online vertrieb das Produkt der gleichnamigen Mutter, und Sales.com war ein Siebel-Ableger. Das Konzept ging zum einen nicht auf, weil die mächtigen CRM-Angebote für große Unternehmen entworfen wurden, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Lösungen benötigen. Die ASPs konnten aber nur Standardverfahren anbieten. Die Idee, die Software den Kunden via Internet zu vermieten, schlug zudem fehl, weil die Hersteller ihre Preise dieser Nutzungsart nicht anpassten, sondern bei ihren herkömmlichen starren Modellen blieben.

Salesforce.com hingegen zählt laut Gartner-Analyst Peter Dück zu den "Net-native"-ASPs. Diese Art der Vermieter haben eigene Produkte für CRM- und Sales-Force-Automation-Anforderungen entwickelt. Sie sind somit unabhängig von den Lizenzvereinbarungen anderer Hersteller. Ihre Lösungen wurden so gestaltet, dass die Software über schmalbandige Netze und auf schlanken Clients betrieben werden kann. Salesforce.com bietet beispielsweise seit geraumer Zeit auch eine Version für Personal Digital Assistants (PDAs) an.

Obwohl das Prinzip der Service-Provider nach wie vor lautet, mit einer Software viele unterschiedliche Nutzer zu bedienen, sind die aktuellen Mietangebote nicht mehr so starr wie die Lösungen der Vergangenheit. Einen erhöhten Grad an Flexibilität erzielen die jetzigen Anbieter mittlerweile, so die Analyse von Paul Hamerman von der Giga Information Group, indem sie anwenderspezifische Konfigurationen einrichten. So lassen sich einzelne Felder der Benutzeroberfläche individuell gestalten, unterschiedliche grafische Schnittstellen einbetten, Prozessabläufe definieren und eigene Berichte erstellen.

Für die Nutzung derartiger Angebote sprechen im Wesentlichen zwei Argumente, und zwar die Kosten und die schnelle Einführung. Die monatliche Miete liegt zwischen 40 und bis zu 150 Euro je nach Hersteller und Ausführung. Zudem lassen sich die Systeme ohne die bei großen Vorhaben üblichen umfangreichen und kostspieligen Einführungsvorhaben nutzen. Die US-amerikanische Hotelkette Millennium & Capthorne Hotels, die 91 Häuser in 17 Ländern betreibt, führte ein Salesforce.com-System für ihre 135 Mann starke Verkaufsmannschaft innerhalb von 90 Tagen ein.

Demgegenüber steht allerdings die eingeschränkte Funktionsvielfalt. Insbesondere bei den Branchenlösungen hapert es hier noch. Zudem erreicht die Mietsoftware oft nicht die Integrationstiefe der in Eigenregie betriebenen Lösungen. Nach wie vor zweifeln Anwender an der Sicherheit der Daten und der Zuverlässigkeit des Betriebs. Das deutsche Unternehmen Wice, das seit rund einem Jahr Erfahrungen mit ASP-Angeboten für Mittelständler sammelt, berichtet etwa, dass es häufig auf grundsätzliche Vorbehalte gegenüber den Mietangeboten trifft.

Erfolg auf niedriger Basis

Wie erfolgreich die jungen Anbieter arbeiten, ist derzeit schwer einzuschätzen, denn die wenigsten Unternehmen sind börsennotiert. Salesforce.com lässt beispielsweise nur spärliche Informationen über die finanzielle Lage an die Öffentlichkeit dringen. Immerhin ist so viel bekannt: Für das Fiskaljahr 2002, das im Januar endet, erwartet das Unternehmen einen weltweiten Umsatz von 50 Millionen Dollar. Das würde eine Steigerung um mehr als 100 Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeuten, als man noch 23 Millionen Dollar einnahm. Die Kundenbasis beläuft sich insgesamt auf 5400 Unternehmen. In Deutschland, Österreich und der Schweiz sind es zusammen knapp 120 Kunden. Angaben über die Einnahmen in dieser Region veröffentlicht das Unternehmen nicht.

Obwohl die Lösungen für kleine und mittelständische Unternehmen eine ernst zu nehmende Alternative darstellen, dürften die Anbieter schweren Zeiten entgegengehen. Ein Blick auf den Gesamtmarkt für CRM-Dienstleistungen zeigt nämlich, dass sie im Konzert der großen CRM-Anbieter à la Siebel, SAP oder Peoplesoft oder CRM-Outsourcer wie T-Systems, SBS oder IBM Global Services keine große Rolle spielen, also keineswegs eine etablierte Marktstellung genießen.

Wenig Aktivitäten der Softwarehersteller

Allein für CRM-Outsourcing-Services gaben einer aktuellen Erhebung der Münchner Marktforscher von Pierre Audoin Consultants (PAC) zufolge deutsche Unternehmen im vergangenen Jahr knapp 450 Millionen Euro aus. 98 Millionen Euro davon entfielen auf das Stand-alone-Outsourcing, also Fälle, in denen nur das CRM-System oder Teile davon ausgelagert wurde. 350 Millionen Euro nahmen die Dienstleister dort ein, wo CRM-Lösungen im Rahmen eines Komplett-Outsourcings übertragen wurden. Insgesamt beliefen sich die Ausgaben für CRM-Software und -Services im vergangenen Jahr laut PAC auf 2,054 Milliarden Euro. Zahlen über gemietete CRM-Services erhob PAC nicht. "Der Markt ist so klein, dass er noch kaum einer Betrachtung bedarf", schildert Martin Barnreiter, Consultant bei PAC.

Solange die ASPs keine Bedrohung für die Großen darstellen, werden etablierte Anbieter wie SAP (mit SAP Hosting), Peoplesoft (mit Peoplesoft E-Center) und Siebel (über Partner) den Mietmarkt weiterhin nur halbherzig angehen. Sorgen bereiten dürfte den ASPs vor allem der angekündigte Einstieg von Microsoft in den CRM-Markt. Die Software-Company spricht wie die Service-Provider vor allem kleine und mittelständische Unternehmen an und hat in der Vergangenheit des Öfteren bewiesen, dass sie mit der Konkurrenz nicht zimperlich umgeht. (jha)

Abb: Der deutsche CRM-Markt

Das Marktvolumen für CRM-Software und Services wird in den nächsten Jahren kräftig zulegen. Die Vermietung von Software spielt in diesem Bereich allerdings eine sehr geringe Rolle. Quelle: PAC