Credit Suisse Deutschland nutzt ein Database-Marketing-System

Credit Suisse Deutschland nutzt ein Database-Marketing-System Componentware schmeichelt der betuchten Klientel

19.02.1999
MÜNCHEN (qua) - Wer Privatkunde bei der Credit Suisse Deutschland ist, vertraut dem Finanzdienstleister im Normalfall wenigstens eine halbe Million Mark an. Diese Klientel stellt Service-Ansprüche. Um sie zu erfüllen, hat der in Frankfurt am Main ansässige Ableger des Schweizer Bankunternehmens ein Database-Marketing-System aufgebaut.

"Unsere Berater sollen nicht nur wissen, wieviel der Kunde auf welche Weise bei uns angelegt hat und wie risikofreudig er ist, sondern auch, ob er möglicherweise nicht gern im Büro angerufen wird, welche Hobbies er betreibt und welche Blumen seine Frau liebt", erläutert Petra Riedel, Marketing-Leiterin der Credit Suisse Deutschland AG. Damit die Banker solche Informationen nicht aus unterschiedlichen Datenbanken zusammenklauben müssen, hat das Unternehmen vor anderthalb Jahren entschieden, alle Marketing- relevanten Daten über das gehobene Kundensegment in einem einzigen System zusammenzufassen.

"Das Unternehmenswissen als werthaltigen Bestandteil sichtbar machen", nennt Riedel den Zweck des Systems. Es sollte auf Knopfdruck alle Informationen anzeigen, die einen bestimmten Anleger betreffen - so als würde es eine elektronische Kundenakte öffnen. Darüber hinaus war das Ziel, alle Kundenkontakte sofort dokumentieren zu können, ohne dadurch den Geschäftsablauf zu beeinträchtigen.

In der Schweizer Unternehmensmutter existiert schon seit längerem ein System, das diese Anforderungen erfüllt. Aufgrund der unterschiedlichen rechtlichen Bestimmung läßt es sich, so Riedel, jedoch nicht auf andere Ländergesellschaften übertragen.

Fix und fertig gab es ein solches Database-Marketing-System auch am Softwaremarkt nicht zu kaufen. Die vorhandenen Marketing- Lösungen waren, so die Auffassung der Credit Suisse Deutschland, zumeist auf die Abwicklung von Massen-Mailings oder breitflächigen Werbeaktivitäten ausgelegt, während beim Private-Banking eher die individuelle, bedürfnisorientierte Kundenbetreuung eine Rolle spiele.

Zudem hätte ein Standardprodukt das Ziel verfehlt. Ging es dem Finanzdienstleister doch gerade darum, sich durch besseren Service vom Mitbewerb abzuheben und die heißumkämpfte Zielgruppe der vermögenden Privatkunden gegen die Verlockungen der Konkurrenz zu immunisieren.

In Frage kam also nur eine eigens für die Credit Suisse Deutschland entwickelte Lösung. Das von der Bank kontaktierte Beratungsunternehmen Smart Solutions GmbH (2S) mit Sitz in Langen bei Frankfurt schlug vor, die gesuchte Applikation nicht von Grund auf neu, sondern auf der Basis einer Komponentenarchitektur aufzubauen.

Der Componentware-Ansatz hatte den Vorteil, daß das aus einer Handvoll Entwicklern bestehende Team nicht jedes Feature selbst erstellen mußte, sondern die Lösung mit Hilfe standardisierter Komponenten auf die eigenen Bedürfnisse zuschneiden konnte.

Mit "Fabasoft Components" vom österreichischen Anbieter Fabasoft - hierzulande durch eine gleichnamige GmbH in Hallbergmoos vertreten - fanden 2S und Credit Suisse ein Produkt, das auf Basis der Microsoft-Spezifikation Distributed Component Object Model (DCOM) Funktionen für das Dokumenten-Management, die Vorgangsbearbeitung, die Anbindung von Inter- und Intranet sowie die Arbeit in Gruppen anbietet. Auf dieser Basis entwickelte 2S für die deutsche Credit Suisse ein spezialisiertes "Marketing and Sales Support System" (M3S), das in Frankfurt bereits seit Juni vergangenen Jahres Dienst tut.

Eigenen Angaben zufolge untersuchte 2S auch, inwieweit eine Lösung auf der Grundlage von Datenbank- oder Groupware-Paketen möglich gewesen wäre. Doch das Ergebnis war negativ: Die Entwickler hätten eine Vielzahl von Einzelprodukten miteinander kombinieren müssen, wodurch nicht nur der Aufwand, sondern auch die Komplexität und damit die Fehleranfälligkeit der Lösung gestiegen wäre.

Fabasoft Components nutzt das Microsoft-eigene Messaging-System "Exchange Server" als Rückgrat, in dem alle Marketing- Informationen wie in einem Nervensystem zusammenlaufen. Auf diese Weise werden Daten aus den unterschiedlichen Fachbereichen der Bank - Marketing, Kundenberatung, Management, externe Vermögensverwaltung und Kontoführung - miteinander verknüpft.

Dank seiner objektorientierten Struktur erlaubte Fabasoft Components bei der Entwicklung eine wenig stukturierte Vorgehensweise, denn spätere Änderungen ließen sich ohne allzu großen Aufwand vollziehen. Deshalb verzichtete die Credit Suisse völlig auf ein Pflichtenheft im herkömmlichen Sinne. Statt dessen analysierte sie mit Hilfe von 2S zunächst den wesentlichen Informationsbedarf einschließlich der zu unterstützenden Kernprozesse. Das Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen fertigte daraufhin ein Daten- und Systemmodell an. Auf dessen Grundlage entstand ein Pilotsystem, das den Anwendern als Arbeitsmaterial für den weiteren Entwicklungsprozeß diente. Die späteren Benutzer wurden also von Anfang an intensiv in das Projekt einbezogen.

In naher Zukunft soll das System die Frankfurter Credit-Suisse- Zentrale mit den Filialen in Berlin, Hamburg und München verbinden, um allen Mitarbeitern des Bankhauses dieselbe ganzheitliche Sicht auf jeden Kunden vemitteln zu können. Im Klartext: Egal, wo ein Anleger anruft - der jeweilige Berater hat immer alle nötigen Informationen zur Hand. Der Vorteil für die Bank besteht darin, daß jede Entscheidung auf der Grundlage konsistenter Informationen getroffen werden kann.

Der Kunde hingegen braucht sich nicht jedesmal wieder in ausschweifenden Erklärungen zu ergehen. Man kennt ihn bei der Credit Suisse und kann ihn auf Anhieb seinen Interessen und Neigungen entsprechend beraten. Damit hofft der Finanzdienstleister wiederum, seine Kunden langfristig an sich binden zu können.

Außerdem lassen sich mit Hilfe der gesammelten Informationen gezielte Maßnahmen starten, um neue Kunden zu gewinnen. Dazu Marketing-Leiterin Riedel: "Die Effizienz der Marketing-Maßnahmen ist seit dem Einsatz von M3S stark gestiegen. Das System stellt heute schon ein Wissens-Management-System dar, und es übersteigt bei weitem unsere Erwartungen."

Auch das Controlling dürfte zufrieden sein. Nach Berechnungen der Credit Suisse verschlang die Entwicklung von M3S nur etwa 40 Prozent der für vergleichbare Projekte benötigten Kosten und ein Drittel der dafür veranschlagten Zeit. Darüber hinaus lassen sich künftige Änderungen und Erweiterungen ohne größeren Aufwand und ohne Einschränkungen für den Produktivbetrieb vornehmen.

Die Privatbank privat

Die Credit Suisse Deutschland AG hat ihren Hauptsitz in Frankfurt am Main und unterhält Filialen in München, Hamburg und Berlin. Sie ist Teil der schweizerischen Credit-Suisse-Gruppe, zu der neben den Finanzdienstleistern Credit Suisse und Credit Suisse Private Banking auch der Investment-Bereich First Bosten und der mit dem Fond-Vertrieb beschäftigte Sektor Asset Management sowie die Versicherungsgruppe Winterthur zählen. Der Konzern beschäftigt 62000 Mitarbeiter und wies 1997 eine Bilanzsumme von umgerechnet 830 Milliarden Mark aus. Im Private-Banking-Sektor sind mehr als 8000 Angestellte tätig. Sie erwirtschafteten im vorletzten Jahr einen operativen Profit von etwa 1,6 Milliarden Mark. Die auf das Private-Banking-Geschäft fokussierte Credit Suisse AG wurde im vergangenen Jahr aus der deutschen Credit Suisse First Boston ausgegliedert. Um die rund 3000 vermögenden Privatkunden kümmern sich etwa 100 Mitarbeiter.