Corporate Networking/Schon jetzt die "Privaten" einschalten Sparmoeglichkeiten sind oft noch unbekannt und ungenutzt

08.09.1995

Von Helmut an de Meulen*

Mit ausgefeilten Controlling-Systemen werden Unternehmensbereiche auf Einsparungsmoeglichkeiten untersucht. Der Bereich Telekommunikation jedoch blieb den Controllern bisher verborgen. Meist werden die Telekom-Rechnungen hingenommen. Doch koennen Firmen ihre Kommunikationskosten ueber Alternativen zum oeffentlichen Netz erheblich senken.

Der erste Schritt zur Liberalisierung der Telekommunikation war die Verordnung Corporate Networks (CN) von 1993. Sogenannte geschlossene Benutzergruppen duerfen seitdem gemeinsame Netze fuer Voice- und Non-Voice-Dienste wie Fax, Konferenzschaltungen und Videokommunikation in eigener Regie betreiben. Nach den neuesten Regelungen genuegen sogar gleichgerichtete Interessen der Beteiligten fuer eine Genehmigung von Corporate Networks.

Das CN-Genehmigungskonzept ist eine Uebergangsloesung bis zum endgueltigen Fall des Telekom-Monopols bezueglich der Sprachuebermittlung Anfang 1998. Es ermoeglicht derzeit Unternehmen und Organisationen, private Netze zu nutzen und die dadurch gegebenen Einsparungspotentiale auszuschoepfen.

Die Abwicklung des Sprach- und Datenverkehrs kann auf verschiedene Arten erfolgen:

- ueber direkt von der Telekom gemietete Verbindungen,

- ueber einen Provider, der die Standleitung mehreren CNs anbietet,

- oder ueber Waehlverbindungen, da Standleitungen teuer sind.

Festverbindungen rechnen sich immer dann, wenn das Kommunikationsvolumen zwischen zwei Standorten gross ist. Andernfalls ist es sinnvoller, die Uebertragung ueber einen Provider abzuwickeln. Dieser mietet Festleitungen von der Telekom an und bietet sie mehreren CNs zur Nutzung. Das Resultat sind geringere Kosten fuer die Nutzer. Ein Anbieter fuer ein solches "Ressourcen- Sharing" ist beispielsweise die T-Net GmbH, eine 100prozentige Tochter der Thyssen Telecom AG.

Die aktuelle Basistechnik fuer CNs ist ISDN, als zukunftstraechtig gilt jedoch ATM - bislang allerdings ist ATM eine sehr kostspielige Alternative. Von der Telekom im Rahmen von Datex-M angeboten, kommt ATM bisher hauptsaechlich in begrenzten Raeumen wie bei der Vernetzung von Universitaeten, Flughaefen etc. zum Einsatz. Stadtnetze, die die Energieversorgungsunternehmen haeufig aufbauen, werden ebenfalls ueberwiegend auf ATM basieren.

Elementare Mittel fuer Kosteneinsparungen sind "Least Cost Routing" und "Break out". Least Cost Routing stellt eine Sprach- oder Datenverbindung unter fuer den Anwender guenstigsten Bedingungen her. So kann hier eine Verbindung zwischen einem Teilnehmer in Muenchen und einem Teilnehmer in Hamburg ueber zwei Wege zustande kommen: Einmal kann der Anwender ueber die Telekom-Netze gehen - so kostet ihn die Verbindung pro Minute 69 Pfennig. Die Alternative dazu ist die Nutzung der vorhandenen Festverbindungen, wenn diese nicht ausgelastet sind. Anhand der Vorwahl wird entschieden, ueber welchen Weg die Verbindung zustande kommt.

Eine weitere Moeglichkeit der Kostenersparnis ist das Break-out. So werden Verbindungen zu Anschluessen, die nicht direkt an das Netz des Corporate Networks angeschlossen sind, ueber moeglichst weite Strecken ueber das Corporate Network geschaltet, und erst ab dessen Grenzen laeuft die Verbindung ueber das oeffentliche Netz. So ist das seit 1994 bestehende Netz der T-Net GmbH heute mit Knotenpunkten in fast allen deutschen Ballungszentren vertreten, um moeglichst nur Distanzen bis 50 Kilometer mit oeffentlichen Netzen ueberbruecken zu muessen.

Moeglichst kurze Strecken im oeffentlichen Netz

Die Moeglichkeiten, die die T-Net fuer Corporate Networks zur Verfuegung stellt, sind zahlreich. So koennen zum Beispiel Unternehmen ihr nationales und internationales Kommunikationsvolumen ueber eine von der Telekom angemietete Festverbindung bis an den naechstgelegenen Knotenpunkt des Netzes der Gesellschaft uebertragen. Von dort aus werden Gespraeche und Daten weitgehend ueber T-Net abgewickelt.

Bei internationalem Datenaustausch geht das Gespraech an einen Knotenpunkt eines internationalen Carriers, der es dann ueber sein Netz zum Zielpunkt weiterschaltet. Diese Loesung ist fuer den Benutzer wesentlich kostenguenstiger als die Nutzung oeffentlicher Netze auf der gesamten Uebertragungsstrecke.

Bei relativ kleinen Firmenfilialen mit einem geringen Kommunikationsvolumen lohnt sich unter Umstaenden eine Standleitung der Telekom zum naechsten T-Net-Knoten nicht. Hier gibt es die Variante des "Dial-in": Der Teilnehmer in der Niederlassung waehlt die Nummer des naechsten Knotenpunkts an und geht dann ueber das Netz zum Stammsitz des Unternehmens. T-Net uebernimmt die Uebermittlungsfunktion zum gewuenschten Teilnehmer.

Vorbereitung verlangt gruendliche Analysen

Die firmenspezifischen Anforderungen an Corporate Networks sind vielfaeltig, Daher gilt grundsaetzlich, dass kein Netzwerk dem anderen gleicht. Das oberste Gebot ist die Integration der vorhandenen Kommunikationsressourcen der Unternehmen. Bei der Neuplanung eines Netzwerks besteht zunaechst ein erhebliches Beratungspotential. Nur mit einem exakten Anforderungsprofil fuer das Netzwerk und mit einem kompetenten Beratungspartner lassen sich optimale Loesungen realisieren.

Um die wirtschaftlichen und technologischen Potentiale des Unternehmens auszuschoepfen, steht am Anfang eines effizienten CNs eine ausfuehrliche Ist-Analyse des Kommunikationspotentials, der vorhandenen Netztopologie und des Telekommunikationsbudgets. Entscheidend fuer das Design des CNs sind Punkte wie:

- Netzkonfiguration: Eine Bestandsaufnahme untersucht die bestehende Netztopologie und vergleicht die Anforderungen aus Benutzer- und Betreibersicht. Inwieweit passen die vorhandenen Systeme zusammen? Wo koennten Schwierigkeiten bei der Integration der unterschiedlichen Systeme auftreten? Welche Systeme lassen sich in diesem Zusammenhang schon vorab umstellen?

- Leistungsoptimierung: Wo sind Moeglichkeiten fuer eine bessere Ausnutzung der vorhandenen Potentiale gegeben? Insbesondere bei Festverbindungen bestehen zahlreiche Ansatzpunkte fuer Einsparungspotentiale. Bei mittleren und groesseren Unternehmen gibt es haeufig sich ueberlagernde oder parallel gefuehrte Leitungsnetze aus den Bereichen PC-Benutzerservice, Datenverarbeitung oder Organisation. Schon durch die Integration der verschiedenen Dienste lassen sich enorme Kostensenkungen erzielen.

- Analyse des Telekommunikationsverkehrs: Welche Art von Sprachkommunikation setzt ein Unternehmen ueberwiegend ein? Wieviel davon im Nah- und wieviel im Fernbereich? Welche Datenkommunikation wird betrieben? Wird das ISDN der Telekom genutzt?

Basierend auf den Daten aus den Analysen wird das Design des CNs festgelegt:

- Ist der Aufbau eines CNs fuer dieses Unternehmen ueberhaupt sinnvoll?

- Soll eine Festleitung aufgebaut werden, oder wird ein Carrier eingeschaltet?

- Welche Komponenten kommen zum Einsatz?

Unter Beruecksichtigung relevanter Technologien, Marktstandards und der strategischen Unternehmensausrichtung laesst sich basierend auf diesen Daten ein einheitliches Corporate Network entwickeln.

Dabei finden Punkte wie Sprach- und Datenintegration, Einbeziehung von SNA, Technologieauswahl und Sicherheitskonzepte ebenso Beruecksichtigung wie das CN-Management.

Bei der Auswahl der eingesetzten Komponenten ist es insbesondere wichtig, darauf zu achten, dass nur Produkte eingesetzt werden, die internationalen Standards entsprechen beziehungsweise zumindest De-facto-Standards genuegen, um eine spaetere Nachruestung zu ermoeglichen. Da sich Standards laufend weiterentwickeln und das Diensteangebot in den naechsten Jahren noch stark in Bewegung bleiben duerften, sind die CNs ausbaufaehig anzulegen.

Wichtig ist bei der Realisierung von CN-Konzepten in erster Linie die Unterstuetzung eines unabhaengigen Beratungsunternehmens, um eine optimale Auswahl der jeweiligen Komponenten und relevanten Techniken herstellerneutral gewaehrleisten zu koennen.

Nicht weniger, sondern bessere Kommunikation

Die Realisierung reicht von der Selektion der Lieferanten fuer Verkabelung und Komponenten ueber die Konsolidierung der bestehenden Netze und die Beauftragung eines entsprechenden Service-Providers bis hin zur Management- und Organisationsberatung. Trotz umfangreicher Analysen und Auswahlphasen lassen sich CN-Konzepte in der Regel in zwei bis drei Monaten verwirklichen.

Ziel effizienter CN-Konzepte ist es nicht, das vorhandene Kommunikationsvolumen eines Unternehmens zu reduzieren, sondern moeglichst kostenguenstige Wege anzubieten und eine qualitativ hochwertige Kommunikation zu gewaehrleisten. Einsparungseffekte von 20 Prozent und mehr lassen sich beim ueberwiegenden Teil der Unternehmen schon nach kurzer Zeit erreichen.

Neben Einsparungen ist mit CNs und den damit angebotenen Diensten eine erhebliche Steigerung der Kommunikationsqualitaet moeglich: So vereinfacht der Einsatz von Telematikdiensten die Kommunikation erheblich. Ueber Voice mail wird die Erreichbarkeit der Mitarbeiter verbessert. Zwar sind organisatorische Veraenderungen mit der Einfuehrung dieser Dienste verbunden - sie fuehren jedoch schon kurzfristig zu weiteren Einsparungen und zu einer deutlich verbesserten Kommunikationsfaehigkeit.

Ein Beispiel dafuer ist der Fax-Server: Faxe werden papierlos auf die PCs geschickt. Das Senden erfolgt ebenfalls direkt vom PC. Das laestige manuelle Faxen und Sortieren der Dokumente sowie das Kopieren und Verteilen an die entsprechenden Empfaenger entfaellt. Auch die direkte Anbindung eines CN an ein Mobilfunknetz, "Direct access" genannt, birgt durch die Ausschaltung der oeffentlichen Netze Moeglichkeiten zu Einsparungen. Die technische Realisierung erfolgt durch die Koppelung eines Knotens des CNs mit einem Mobile Switching Center (MSC) des Mobilfunknetzes. Derzeit ist Direct access nur innerhalb eines Unternehmensverbunds erlaubt.

Schon heute stehen Unternehmen und Geschaeftskunden zahlreiche Moeglichkeiten fuer Kostensenkungen mit CN-Konzepten offen. Weitere werden sich mit dem Ende des Telekom-Monopols fuer die Sprachkommunikation 1998 ergeben. Private Carrier wie die Thyssen Telecom AG, die Mannesmann Eurokom GmbH, die Vebacom GmbH, die Viag Interkom GmbH & Co KG und die CNI wollen ab 1998 regional oder bundesweit mit eigenen Netzen als Wettbewerber zur deutschen Telekom AG auftreten. Energieversorger wie die Veba oder RWE haben schon flaechendeckende Netze von Hochspannungsleitungen, die sie nur entsprechend mit Glasfaserkabel ausbauen muessen, um bereit zu sein, wenn das Monopol faellt.

Die europaeische Union ist die treibende Kraft fuer die Deregulierung im Bereich der Telekommunikation. Durch die Aufloesung der Monopole erhofft sich die EU einen wirtschaftlichen Schub.

Von den privaten Carriern verspricht man sich ein hohes Qualitaetsniveau bei wesentlich geringeren Preisen, vergleichbar denen in den USA oder der europaeischen Nachbarn. Neben den Providern mit eigenen Netzen wird eine Vielzahl von Dienstleistern auf den Markt draengen, die Netze fuer ihre Dienste von den verschiedenen Anbietern anmieten werden. Wegen zunehmender Konkurrenz sind Preissenkungen zu erwarten, waehrend gleichzeitig die Angebotspalette vielfaeltiger werden duerfte.

* Helmut an de Meulen ist geschaeftsfuehrender Gesellschafter der Dr. Materna GmbH in Dortmund.