Wordperfect künftig nur noch in Englisch

Corel trennt sich von seiner Linux-Distribution

16.02.2001
MÜNCHEN (CW) - Zum vierten Mal in Folge meldet der kanadische Softwarehersteller Corel ein dickes Minus in der Quartalsbilanz. Auch die Entlassung von rund einem Fünftel der Mitarbeiter Mitte vergangenen Jahres half offenbar nicht, die Finanzen in den Griff zu bekommen. Dennoch hält CEO Derek Burney an dem jüngst vorgestellten Strategiewechsel fest und erwartet positive Ergebnisse im dritten Quartal dieses Jahres.

Für das Ende November abgeschlossene vierte Quartal meldet die Softwareschmiede einen Verlust von 8,6 Millionen Dollar. Im vergleichbaren Vorjahresquartal lag das Ergebnis noch bei plus 4,6 Millionen Dollar. Der Umsatz schrumpfte gegenüber dem Schlussquartal 1999 um 34 Prozent von 60,9 auf 40,4 Millionen Dollar. Auch für das Gesamtjahr 2000 stehen tiefrote Zahlen in der Bilanz: Corel schließt den Zeitraum mit einem Minus von 55,3 Millionen Dollar ab und erwirtschaftete insgesamt einen Umsatz von 157,5 Millionen Dollar. Ein Jahr zuvor hatte die Company 243,1 Millionen Dollar Umsatz sowie einen Nettogewinn von 16,7 Millionen Dollar ausgewiesen.

Einziger Lichtblick im Jahresabschluss ist der Anstieg der Barreserven von 18 Millionen im Vorjahr auf nun 128 Millionen Dollar. Trotz des enttäuschenden Ergebnisses, das deutlich unter den Erwartungen der Analysten blieb, hält der seit Juni 2000 amtierende CEO Burney an seinem Ziel fest, im dritten Quartal 2001 wieder die Gewinnzone zu erreichen.

Fokus wieder auf Office-PaketeGelingen soll dies mit der Rückkehr zum Kerngeschäft, mit der Office-Anwendung "Wordperfect" und dem Grafikprogramm "Corel Draw". Eine Konsequenz ist unter anderem der Ausstieg aus dem Vertrieb des Open-Source-Systems Linux. Schon seit längerem geisterten Gerüchte über diesen Schritt durch die Branche, Ende Januar bestätigte Burney nun endlich, dass sich sein Unternehmen aus dem erst knapp zwei Jahre alten Engagement wieder zurückziehen wird. Man prüfe derzeit Möglichkeiten, die entsprechende Division gegen eine Beteiligung zu verkaufen oder sich in Form eines Spinoffs von ihr zu trennen. Die Herstellung und Entwicklung von Linux-Anwendungen bleibe allerdings im Haus.

Eine weitere Folge der neuen Produktstrategie ist die Entscheidung, künftig nur noch englischsprachige Updates des Office Pakets Wordperfect zu entwickeln. Das Programm werde zwar weiterhin andere Fremdsprachen "verstehen", das heißt, Grammatik- oder Rechtschreibprüfung in anderen Sprachen anbieten, doch einzig in den Vereinigten Staaten, wo Corel eigenen Angaben zufolge zehn Prozent Marktanteile hält, lohne sich der Aufwand für die Weiterentwicklung. Dabei will der Hersteller in neue Anwendungsbereiche vorstoßen, etwa durch die Integration einer "Net-to-phone"-Anwendung in die Office-Suite.

In Europa plant Corel, sich künftig auf die zentralen Märkte Deutschland, England und Frankreich zu beschränken. Eine Sprecherin kommentiert: "Wir haben uns in der Vergangenheit um zu viele Länder und Sprachen gekümmert." Dabei sei der Blick für die Rentabilität der Produkte verloren gegangen. Gleichzeitig machen sich die Kanadier an ein strafferes Finanz-Management. In der Vergangenheit habe es beispielsweise keine klare Budgetierung für einzelne Produkte gegeben. Dies führte dazu, dass die Firma die Übersicht über die Kosten verlor.