Content Commerce/Der Markt für Inhalte benötigt viel Service und Flexibilität

Content Syndication als Dienstleistung

15.06.2001
Das Thema Content macht auch vor den Türen der Verlagsbranche nicht halt: Die Medienhäuser wollen ihre Inhalte in die Online-Aktivitäten von Unternehmen einfließen lassen, und die Nachfrageseite äußert zunehmend Bedarf an hochwertigem Content. Um Verlagsangebot und die Wünsche der Firmen zusammenzubringen, bedarf es professioneller Dienstleistungs- und Beratungskonzepte. Von Stefan Gutsch*

Dem Markt für Content Syndication traut man immer noch hohe Wachstumsraten zu - die Realität zeigt jedoch, dass eine Konsolidierung ins Haus steht. Zwar prognostizieren Marktforschungsinstitute wie Jupiter Communications für die nächsten zwei bis drei Jahre Milliardenumsätze für den weltweiten Content-Syndication-Markt. Doch auf welche Art und Weise man dieses Geschäft denn nun angehen soll, darüber sind sich die Auguren uneins.

Ein Konzept, mit dem sich dieser noch recht junge Markt bearbeiten lässt, stellt die Magazine Content AG aus München vor. Das Unternehmen bietet Dienstleistungen und Beratung für Verlage an, die ihre Print-Inhalte an Unternehmen mit Intranet- und Extranet-Lösungen verkaufen möchten. Die Medienhäuser erhalten so die Möglichkeit der Zweitvermarktung ihrer Publikationen im Online-Markt und damit größere Reichweiten ihrer Titel sowie zusätzliche Einnahmen. Und auch die Unternehmen profitieren: Sie erhalten einen maßgeschneiderten Content, sei es für die Mitarbeiter oder für die Kunden, die sich via Intranet oder Extranet einen "Mehrwert" beschaffen können.

Vorsicht: Lizenzrechte

Dass Angebot und Nachfrage zueinander finden setzt voraus, dass Content, im Online-Format aufbereitet, vorliegt und sich bei Bedarf per Knopfdruck vom Kunden individuell zusammenstellen sowie abrufen lässt. Ist dies gewährleistet, müssen zusätzlich alle Rechte des Verlags im System administriert werden, so dass bei Abruf des Contents keine Verletzungen der Lizenzrechte vorliegen. Ein solcher Fauxpas könnte den Verlag mehr kosten, als er gerade am Beginn einer Kundenbeziehung einnehmen kann.

Die Magazine Content AG hat einen Workflow festgelegt, der definiert, was die einzelnen IT-Systeme des Content-Syndicators leisten müssen. Damit soll verhindert werden, dass die Zusammenarbeit zwischen Verlag und Unternehmen an zu hohen Eintrittbarrieren für die Content-Vermarktung scheitern. Die derzeitige Situation stellt sich wie folgt dar: Unternehmen fragen Content direkt bei den Verlagen nach, und oft bestehen über den Werbemarkt oder über Kooperationsvereinbarungen bereits enge Beziehungen zwischen Verlag und Unternehmen. Das heißt, die Nachfrage nach Content ist groß, an potenziellen Nachfragern mangelt es nicht. Was fehlt, ist eine Infrastruktur, die es den Print-Anbietern erlaubt, ihr Angebot mit der Nachfrage zu verbinden.

Die bisherigen Erfahrungen im Content-Syndication-Geschäft haben gezeigt, dass sich drei Module als IT-Enabler anbieten - sie bilden die Teile einer gesamten Wertschöpfungskette. Es sind Konvertierung, Angebot und Lieferung.

Konvertierung: Mehr als 90 Prozent aller Verleger weltweit nutzen das Datenformat "Quark XPress" für die Erstellung ihrer Print-Ausgaben. Um allerdings redaktionelle Inhalte online zur Verfügung zu stellen, müssen die Beiträge als XML-Dokumente (XML = Extensible Markup Language) vorliegen. Hier ist ein Konvertierungsprozess notwendig, der es erlaubt, die Inhalte auch online zu verkaufen.

Angebot: Nachdem die Artikel im XML-Format vorliegen, müssen sie kategorisiert werden. Damit erhält der Kunde die Möglichkeit, sich den gewünschten Content gemäß seiner persönlichen Interessensgebiete zusammenzustellen. Dazu muss eine Kategorisierungslösung eine große Anzahl von Artikeln verarbeiten und in einem Content-Management-System vordefinierten Rubriken zuordnen.

Lieferung: Stehen die vom Kunden ausgewählten Inhalte im Content-Management-System bereit, muss der Content Syndicator gewährleisten, dass die Verlagsinhalte in das Intranet des Unternehmens geliefert werden können. Konkret heißt das, dass der Content vom Server bereitgestellt wird und sich abrufen lässt. Dabei ist es sehr wichtig, dass sich alle Artikel samt der entsprechenden Rechte zentral verwalten lassen, um auszuschließen, dass Content unautorisiert genutzt wird.

Würden diese Glieder der Wertschöpfungskette einzeln betrachtet, lägen die Hürden für den Markteintritt zu hoch und die vorhandene Nachfrage könnte nicht bedient werden. Und auf der Anbieterseite wären die Anfangsinvestitionen in den Bereichen Infrastruktur und IT zu groß, um ein Geschäftsmodell erfolgreich zu gestalten. Erst alle drei Stufen zusammen erlauben es, Content Syndication als Business-Modell anzubieten.

Servicefunktion IT

Um Verlegern und Unternehmen mit Intranets oder Extranets einen reibungslosen Wertschöpfungsprozess anbieten zu können, ist es nötig, alle drei Stufen durch exakt aufeinander abgestimmte IT-Systeme zu unterstützen.

Bei der Magazine Content in München wird der Bereich "Konvertierung" durch ein Software-Modul realisiert, das Quark-Xpress-Dateien in XML-Formate umwandelt. Damit ist sichergestellt, dass größere Mengen von Print-Titeln in einem Online-Format zur Verfügung stehen. Aufwändige manuelle Nachbearbeitungen per "Copy & Paste" entfallen. Mit Hilfe einer derartigen Lösung öffnet sich vor allem solchen Verlagen die Tür zur Content-Vermarktung, die bisher noch keine starke Präsenz in der Online-Welt hatten.

Die Kategorisierungs-Software erkennt Textmuster und entscheidet auf dieser Basis, welchem Themengebiet ein Artikel zuzuordnen ist. Da sich die Inhalte von Print-Titeln nicht als Magazine abrufen lassen, muss jeder Artikel separat einer Kategorie zugeordnet werden. Auf diese Weise wird verhindert, dass Kunden ganze Magazine für ihr Intranet auf einmal abrufen können. Mögliche Kannibalisierungseffekte zwischen Print- und Online-Welt lassen sich so auf ein Minimum reduzieren. Mitarbeiter der Content-Abteilung können dem System individuell Textmuster für neue Kategorien hinzufügen. Es handelt sich also um einen lernenden Prozess, der die Verarbeitung einer großen Anzahl von Artikeln erlaubt und gleichzeitig das Fehlerrisiko gering hält.

CMS hält Inhalte vor

Das Content-Management-System (CMS) hat die Aufgabe, Inhalte zur Verfügung zu stellen. Es verwaltet den Content bezüglich Menge und Wert in bis zu 7000 Kategorien. Die Lösung hinterlegt nicht nur sämtliche Artikel, sondern verwaltet und koordiniert auch alle Rechte des Verlags. Da auch jeder Kunde im System administiert wird, lassen sich Inhalte für ihn persönlich und separat freischalten sowie sperren. So können Verlage ihr Kundenprofil individuell gestalten und gleichzeitig die Hoheit über die Vergabe von Lizenzrechten an die Kunden behalten. Sie haben die Möglichkeit, die Lizenzvergabe per Knopfdruck zu steuern und zu verändern.

Das Auswahl- und Suchmodul gibt registrierten Kunden ein komfortables Instrument in die Hand, Inhalte nach unternehmensspezifischen Themen zu analysieren und abzufragen. So kann das System mit Hilfe einer "Natural Language Search" komplizierte Abfragen in der Datenbank meistern und entsprechende Suchergebnisse liefern.

Beispiel: Michael Schumacher

Folgendes Beispiel soll die Logik verdeutlichen: Im System sind Artikel über Michael Schumachers Formel-1-Rennen in Monaco im Jahre 2000 gespeichert. Zusätzlich liegen Berichte aus dem Jahr 2000 vor, die über Michael Schumachers Rennerfahrungen in Monaco berichten, ohne dass "Formel 1" erwähnt wird. Startet der Kunde nun eine Abfrage über alle Artikel aus dem Jahr 2000, die "Formel 1" beinhalten, so erscheint auch der Beitrag, der Michael Schumachers Rennerfahrungen in Monaco beschreibt. Das Auswahl- und Such-Modul hat vorher gelernt, dass der Artikel über Schumacher in Monaco einen Bezug zur Formel 1 hat, ohne dass das Wort explizit genannt wurde. Auf diese Weise lassen sich die bestmöglichen Ergebnisse in Bezug auf die Content-Auswahl erzielen.

Um jedem Kunden den Content in seinen eigenen Account zu stellen, hat Magazin Content ein Syndication-Modul entwickelt, das gleichzeitig die Kernfunktion der gesamten Content-Syndication-Logik darstellt. In einer klassischen Content-Management-Lösung verwaltet zum Beispiel ein Verlagshaus unter seiner Domain "www.verlagshaus.de" alle Artikel zentral. Auf diese Weise lassen sich die genannten Inhalte immer nur einer Domain zuordnen, und es findet kein Multiplikationseffekt bezüglich der Content-Weitergabe statt. Mit Hilfe des Syndication-Konzepts hingegen lässt sich ein Artikel beliebig vielen Kunden zuordnen. Damit erhalten Verlage die Möglichkeit, Beiträge allen von ihnen gewünschten Geschäftspartnern mehrfach zur Verfügung zu stellen sowie einen Multiplikator bezüglich Vermarktung und Umsatz zu generieren.

Hat ein Kunde seinen Content von einem oder mehreren Verlagen ausgewählt, erlaubt das Syndication-Konzept, jeden einzelnen Kunden mit seiner Content-Auswahl individuell zu verwalten. Um die Inhalte im nächsten Schritt in die Welt des Kunden - das Intranet oder Extranet - zu liefern, muss die Content-Syndication-Lösung an der Firewall des Unternehmens vorbei, ohne dort Sicherheitsvorkehrungen zu verletzen. Der Inhalt bleibt dabei aber weiterhin unter der Hoheit der Content-Syndication-Lösung. Dem Unternehmen wird immer nur physikalisch erlaubt, Inhalte nach den von ihm vorher festgelegten Kriterien zu erhalten. Sowohl die Lizenzzeit des Artikels als auch Funktionen wie das Löschen von Inhalten lassen sich zu jeder Zeit durch das zentrale Content-Syndication-System steuern. Das Server Scripting ist also eine Art Fernbedienung, die es ermöglicht, den bereits ausgewählten Content für das Intranet auch wirklich vor Ort zu erhalten und für die Mitarbeiter oder die eigenen Kunden bereitzustellen.

Das Business-Modell

Die Gemeinsamkeit der in der Prozessdefinition sowie dem Kernprozess dargestellten Abläufe und Funktionen bildet die Grundlage dafür, um ein funktionierendes Geschäftsmodell für Verlagshäuer und Unternehmen mit Intranet oder Extranet aufzubauen. Die von Magazine Content angebotene Lösung arbeitet dabei als ASP-Modell, die es den Verlagen erlaubt, ihren Geschäftsprozess so zu definieren, wie es ihre strategische Ausrichtung der Content-Vermarktung vorgibt.

Die Kernfunktionen Content-Vermarktung, Lizenzierung von Inhalten sowie Hosting und Abrechnungsmodalitäten können dabei in jedem Fall von dem Content Syndicator und seinem Partnernetzwerk übernommen werden. Sowohl auf Verlagsseite als auch bei Unternehmen mit Content-Bedarf entstehen keinerlei Investitionen für IT-Infrastruktur oder zusätzliche Personalkosten für Fachleute, die als knappe Ressource im Markt nach wie vor schwer zu bekommen sind.

Content Syndication lässt sich gegen monatliche Zahlung mieten. Jeder Verlag kann damit seinen Kunden kurzfristig und individuell Content liefern und sogar direkt mit ihnen abrechnen. Magazine Content sieht seine Rolle als Enabler, der Technologie, Dienstleistungen sowie Beratungen zur Verfügung stellt. Verlage sparen damit Zeit und Kosten und können sich auf ihr Kerngeschäft, nämlich die Produktion von Inhalten und deren Verkauf an ihre Kunden, konzentrieren.

Individueller Content

Darüber hinaus bietet die ASP-Lösung die Möglichkeit, Unternehmen individuell Content zur Verfügung zu stellen. So hat die Magazine Content AG gemeinsam mit der Dresdner Bank ein Projekt gestartet, dessen Ziel es ist, Inhalte für das weltweite Intranet der Bank zu liefern. Dieses ASP-Modell ist ein stärker nachfrageorientiertes Modell: Der Kunde hat konkrete Vorstellungen von einem Content-Paket, das dann individuell zusammen- und bereitgestellt wird. Für dieses Projekt wurden über 50 internationale Verlage als Kooperationspartner akquiriert, die ihren Content zentral syndizieren lassen. Magazine Content rechnet mit der Dresdner Bank direkt über eine Flatrate ab, die im Rahmen eines Umsatz-Splitting mit den Verlagen geteilt wird. Hier bieten sich vor allem für Verlage neue Absatz- und Vermarktungskanäle, da ein Content-Produzent alleine das gewünschte Angebot in der Vielfalt kaum befriedigen kann.

*Stefan Gutsch ist Vorstand der Magazine Content AG in München.

Abb.1: Von der Konvertierung bis zur Lieferung

Der Dienstleistungsprozess: Von der Konvertierung der Print-Inhalte bis zur Lieferung des Content an den Kunden. (Quelle: Magazine Content AG)

Abb.2: Business-Modell Content Syndication

Das ASP-Modell erlaubt es, Geschäftsprozesse so zu definieren, wie die Vermarktung vorgibt. (Quelle: Magazine Content AG)

Abb.3: IT-Kernprozess des Content Syndication

Verlagen wird eine Technologie für die Zweitvermarktung ihrer Print-Titel angeboten, ohne dass sie hohe Anfangsinvestitonen in Infrastruktur, IT und Personal leisten müssen. (Quelle: Magazine Content AG)