Management des CADCAM-Anbieters lehnt Prime-Offerte ab:

Computervision will nicht geschluckt werden

15.01.1988

NEW YORK (CW) - Das 390-Millionen-Dollar-Übernahme-Angebot des DV-Anbieters Prime Computer Inc. für die Computervision Corp, stößt bei den betroffenen Managern auf wenig, Gegenliebe; President Robert Gable verhandelt bereits mit anderen Konzernen über eine Zusammenarbeit, Dessen ungeachtet bewertet die Branche in den USA ein Zusammengehen der beiden Unternehmen als sinnvollen Schritt - eine gemeinsame Basis wäre im Unix-Bereich vorhanden.

Als Prime-Präsident Joe Henson am Sonntag nach Weihnachten seinen Kollegen Bob Gable über seinen Plan informierte, zog er gleichzeitig einen Schlußstrich unter seine zweijährigen Bemühungen. Gable hatte sich von den Vorteilen einer Fusion nie überzeugen lassen; jetzt versucht es Ex-IBMer Henson mit einem "hostile takeover" - einer sogenannten Kampfakquisition. Sollte sie gelingen, dürfte Prime zum zweitgrößten Anbieter von CAD/CAM-Equipment hinter der IBM werden. Gable weiß allerdings sein Board of Directors hinter sich; das Gremium empfahl den Aktionären, ihre Anteilscheine nicht an Primes Akquisitionsfirma Provision Holdings Inc. zu verkaufen.

Hensons Interesse an Computervision, einem Unternehmen mit etwa einer halben Milliarde Dollar Jahresumsatz, begann zu einer Zeit, als dieser Hersteller in eine tiefe Finanzkrise geraten war. Wegen der herben Verluste - 1985 betrug der Verlust bei Einnahmen von 441 Millionen Dollar fast 81 Millionen Dollar - wäre das Unternehmen seinerzeit billig zu haben gewesen. Inzwischen stellte Computervision auf eine OEM-Politik mit Schwerpunkt Unix um; Hardware wird bei Herstellern wie Sun Microsystems zugekauft. Seit der Umstrukturierung arbeitet die Firma wieder mit Gewinn.

Prime ist in dem Marktsegment, in dem sich Computervision bewegt, ein eher kleiner, allerdings ambitionierter Anbieter: Nur etwa 16 Prozent des Umsatzes, der sich 1986 auf 860 Millionen Dollar belief und im beendeten Geschäftsjahr wahrscheinlich die Milliardenschwelle erreicht hat, bezieht das Unternehmen aus dem CAD/CAM-Geschäft. Ohne den Zukauf von Marktanteilen via Fusion täte sich Prime deshalb in diesem sich verschärfenden Wettbewerb schwer, seine Position zu behaupten.

Um sich der unerbetenen Überahmeofferte zu erwehren, muß Computervision-Boß Gable nun seinerseits die Fühler ausstrecken - nach einer Muttergesellschaft, die ihm besser ins Konzept paßt. Das "Wall Street Journal" bringt in diesem Zusammenhang Automobil- beziehungsweise Luft- und Raumfahrtkonzerne ins Spiel. Indes sind die führenden Flugzeugbauer über Tochtergesellschaften bereits alle selbst in diesem Markt aktiv - etwa Lockheed mit Cadam oder McDonnell Douglas mit seiner Information Systems Division. Diese beiden Konkurrenten jagten Computervision im November sogar gemeinsam einen fetten Auftrag bei General Motors ab.

Ein Zusammenschluß mit Prime paßt unter diesen Voraussetzungen, so finden amerikanische Branchenkenner, dann doch besser, auch wenn jeder "hostile bid" die Gefahr in sich birgt, daß hochkarätige Mitarbeiter das geschluckte Unternehmen verlassen. IDC-Experte Don Bellomy beurteilt den Henson-Plan jedenfalls positiv: "Prime riskiert zwar einiges, aber das ist die Sache wert. Die Fusion bringt so viele Vorteile, daß in diesem Fall selbst eine Kampfakquisition sinnvoll ist."

Auch der Chef der auf den CAD/ CAM-Markt spezialisierten Marktforschungsfirma Daratech in Cambridge, Charles Foundyller, sprach sich in der COMPUTERWORLD für die Fusion aus: "Die Anwender von Computervision-System bekommen es mit einem stabileren Geschäftspartner zu tun, und die Prime-Kunden haben den Nutzen von zusätzlichen technischen Angeboten."

Ein entscheidender Pluspunkt für Prime liegt aber im Finanziellen: Anders als etwa Asher Edelman bei seinem Versuch, die Telex Corp. zu kaufen, ist Henson nicht auf Kredite angewiesen. Denn einschließlich der 375 Millionen Dollar aus einer Emission von Wandelanleihen im vergangenen Februar - speziell für Übernahmen - verfügt das Unternehmen über eine halbe Milliarde Dollar an flüssigen Mitteln.