Computermarkt Europa als Farce

23.06.1989

Am 13. Februar 1975 beschloß die französische Compagnie Internationale pour l'Informatique (CII), aus der Unidata auszutreten. Das genaue Datum ist nicht verbürgt - am Ergebnis gab es gleichwohl nichts zu deuteln: Die erste europäische Arge DV, 1973 von Siemens, Philips und CII gegründet, war geplatzt. Denn wenig später verabschiedeten sich die Holländer - aus dem Unidata-Trio war ein deutsches Solo geworden. Die Überreste wurden dann in aller Stille beerdigt.

Das Experiment, die europäische Computer-Industrie mit Blick auf eine übermächtige IBM neu zu ordnen, scheiterte an nationalen Interessen und an der Kurzsichtigkeit der beteiligten Unternehmen. Es ist deshalb müßig, darüber zu streiten, von wem der erste Schritt zur Scheidung ausging. Gewiß, die Franzosen hatten das Bettuch zerschnitten und einer franko-atlantischen Allianz durch die Verbindung von CII und Honeywell Bull den Vorzug gegeben. Aber die Unidata hatte, als Kooperation, die falsche Mitgift. Zu einer Fusion der drei Unternehmen konnte man sich eben nicht entschließen - und so machten sich die nach wie vor selbständigen Sales-Forces gegenseitig Konkurrenz. Und das tun sie heut noch.

Damit wären wir bei den gegenwärtigen Problemen: In Europa-Reden hat Information, wie es denn mit der europäischen Computer-Industrie weitergehen soll, keinen Platz. Die offizielle DV-Politik bleibt auf Förderkurs (Kennworte: Gießkanne und Hängematte); wie gelähmt sehen die Verantwortlichen in Bonn, Paris, London, Amsterdam und Rom zu, wie sich die Amerikaner und Japaner den europäischen Elektronik- und Computermarkt untereinander aufteilen. Eine klare Linie in der europäischen Reaktion ist nicht zu erkennen.

Für die einzelnen DV-Firmen gilt dasselbe - vielleicht sind die Versäumnisse noch häßlicher, noch weniger verständlich als die Pannen der Politik. Die französische Bull-Gruppe ist nach langen Fusions-Irrfahrten gerade dabei, einen neuen Standpunkt zu orten. Das Staatsunternehmen will, im Verein mit der japanischen NEC, auf dem Weltmarkt eine führende Rolle spielen. Doch die Betonung der nationalen Unterschiede ("Vive la difference") läßt eher vermuten, daß die Franzosen noch gar kein Konzept haben.

Der holländische Philips-Konzern haut seit dem Unidata-Debakel keine Mittelklasse-Rechner und Großsysteme mehr, fällt auch dadurch auf, daß er keine Schlagzeilen liefert. Fast hätten wir die britische ICL vergessen - das sagt alles. Olivettis Carlo de Benedetti wäre zwar, was Schlagzeilen betrifft, längst reif für das Guinness-Buch der Rekorde, nur bekommt der "Tiger" nicht mehr die Presse, die er gerne hätte: Zuviel, im Verhältnis zu AT&T etwa, geht derzeit daneben. Nixdorf ist ein eigenes Kapitel. In ein schwebendes Verfahren soll man nicht eingreifen. Nur soviel: Nachdem die 8890 vom Markt genommen wurde, fehlt den Paderbornern ein Upgrade-Mittel für 8870-Aufsteiger. Peinlich.

Bleibt Siemens: Der deutsche Elektroriese hat unter den genannten DV-Herstellern sicherlich die beste europäische Perspektive, doch die Münchner zaudern (Nixdorf-Übernahme!) oder sie biedern sich, wie im Falle Rolm, bei der IBM an. Wirkt hier noch das alte Unidata-Trauma?