Aktuelle Trends und Erkenntnisse vom NCR-Handelsforum:

Computerkassen fördern Transparenz im Handel

05.02.1988

In den kommenden Jahren werden innovative Informationssysteme im Handel an Bedeutung

gewinnen. Im Mittelpunkt steht dabei das strategische Informationsmanagement, das sich als Instrument der Unternehmenspolitik versteht und Systeme und Verfahren der computergestützten Informationsverarbeitung zur Mobilisierung und Effektivierung von Rationalisierungs- sowie Produktivitätspotentialen einsetzt.

Um die Rentabilität von Einzelhandelsunternehmen in der Zukunft zu optimieren, sollen computergestützte Informationssysteme auf allen Ebenen der Leistungsketten eines

Handelsunternehmens eingesetzt werden, um sämtliche anfallenden Daten zu aussagefähigen Informationen zu konzentrieren und aufzubereiten. Signifikant für die Neuorientierung der Investitionspolitik von Handelsunternehmen ist seit 1984 das weitere und schnellere Vordringen der Mikroelektronik sowohl an der unmittelbaren Verkaufsfront als auch in vor- und nachgelagerten Aktivitätsbereichen.

Innovative Büro- und Kommunikationstechniken sowie computergestützte

Warenwirtschaftssysteme und Computerkassen sind nach jahrelanger Erprobungszeit und

kostenintensiver Software-Entwicklung nunmehr auf breiter Ebene einsatzfähig. Die technische Reife dieser Konfigurationen sowie der allgemeine Preisverfall der Hardware gestatten selbst kleineren Unternehmen den Einsatz von komplexen rechnergestützten

Informationsverarbeitungskonzepten.

Verdoppelung der System binnen zwei Jahre

Von 1984 bis 1986 hat sich die Zahl der Firmen, die Scanner-Kassen einsetzen, verdoppelt. Die Kombination von Datenkassen und Mikrocomputern bringt kalkulatorisch nachweisbare Effizienzgewinne beim Kassiervorgang und bei der Warenauszeichnung. Wesentlich wertvoller ist sie jedoch als betriebswirtschaftliches Informationssystem zur Unterstützung der Entscheidungsvorbereitung und

-findung.

Eine effiziente Lagerkontrolle, Sortimentspflege und Kundenbetreuung einerseits, eine zielorientierte innerbetriebliche Informationsgewinnung und -verarbeitung andererseits werden immer mehr zu unmittelbar bestimmenden Kriterien der Wettbewerbsfähigkeit von

Handelsunternehmen.

Strategisches Informationsmanagement in Handelsunternehmen setzt laut NCR leistungsfähige Computerkonfigurationen mit offenen System- und Anwendungsarchitekturen und einem modernen Netzwerkdesign voraus, die weitgehend auf Standardkomponenten bei der Hard- und Software basieren. Neben standardisierten Werkzeugen, Sprachen und Datenbanken sollte eine breite Palette dedizierter Anwendungssoftware für die spezifischen Belange des Handels zur Verfügung stehen.

Die Systemarchitektur muß so ausgelegt sein, daß neue Anforderungen an die Informationsaufbereitung und -bereitstellung, der Anschluß neuer Peripheriegeräte

und die Einbeziehung zusätzlicher Aufgabengebiete jederzeit ohne weiteres möglich sind.

Standardanwendungen einschließlich Ergänzungs- beziehungsweise Modifikationsmöglichkeit werden zukünftig verstärkt mittels Datenbankkonzepten gefahren. Die Vorteile einer datenbankorientierten Standardsoftware sind hierbei offenkundig: kürzere Entwicklungszeiten; größere Flexibilität beim Einsatz und bei Modifikationen; einfache Bedienbarkeit; hohe Datenintegrität; sehr gute Datensicherungs- und Wiederanlaufeigenschaften; breite Verfügbarkeitsbasis.

Relationale Datenbanken und Sprachen der vierten Generation werden allgemein als Grundvoraussetzung für eine flexible und zukunftssichere Gestaltung des unternehmensinternen Informationsmanagements anerkannt. Eine große Zahl unabhängiger Dateien, die jede mit eigens geschriebenen Programmen verwaltet, fortgeschrieben und ausgewertet werden müßten, wird dabei in einer einheitlichen Datenbank zusammengefaßt. Diese Informationsbasis kann anhand von Tabellen und Relationen programmunabhängig mit einer dedizierten Datenbanksoftware gepflegt und geändert werden.

Relationale Datenbanken und Sprachen der vierten Generation stehen heute sowohl für den Einsatz auf PCs als auch auf typischen Mehrplatzrechnern zur Verfügung. Dadurch wird dem Anwender ein problemloser Wachstumspfad gewährleistet. Mit wenigen Ausnahmen weisen alle innovativen Datenbankanwendungen im europäischen Einzelhandel gemeinsame Gesetzmäßigkeiten auf. Diese betreffen zum einen die Hierarchie des Gesamtsystems und zum anderen die Betonung einheitlicher Lösungen.

So verwenden alle Lösungen ähnliche Bausteine für die zentrale EDV, die Kommunikation, die Filialrechner und die angeschlossenen Subsysteme für Kassen und Waagen. Die Datenbankanwendungen laufen nicht nur zentral, sondern sind auf jedem Filialrechner installiert. Sie werden einheitlich auf einem Rechnertyp eingesetzt, um trotz unterschiedlicher Filialgrößen eine einfache zentrale Betreuung möglich zu machen. Dagegen ist die Systemkonzeption und der Grad der Zentralisierung oder Dezentralisierung durchaus verschieden.

Einer der ersten Anwender, der ein umfassendes Informationsmanagement auf der Basis relationaler Datenbanken betreiben wird, ist die Firma "Irma" in Kopenhagen, eine Filialkette mit 130 Lebensmittelsupermärkten und einem Sortiment von rund 17000 Artikeln. Schrittweise werden alle Märkte mit Scanner-Verbundsystemen und Filialrechnern von NCR ausgestattet. Auf dem Filialrechnersystem läuft das Datenbanksystem Oracle Version 5 und eine Kommunikationssoftware für die Verbindung mit der Zentrale. Zum Gesamtsystem gehört auch ein Filialrechner in der Irma-Zentrale, der mit den einzelnen Filialrechnern korrespondiert und zudem Daten mit dem IBM-Host austauscht. Derzeit stehen Installationen inklusive Datenbanken in neun Märkten.

Die "Irma"-Konzeption läßt sich anhand folgender Charakteristika beschreiben:

- zentrale Sortimentslistung und Preispflege,

- lokale Preispflege nur im Ausnahmefall,

- dezentrale Steuerung der Kassensysteme,

- Erfassung lokaler Warenbewegungen,

- Bereitstellung von Sofortinformationen im Markt.

Da 90 Prozent aller Artikel über das eigene Zentrallager angeliefert werden, soll ein Online-Zugriff von der zentralen EDV auf die Datenbanken in den Markten erfolgen mit dem Ziel, jederzeit Bestandsanalysen vornehmen und automatische Nachlieferungen vom Zentrallager aus für den Folgetag auslösen zu können. Es ist des weiteren geplant, zentrale Bestellvorschläge aufgrund von Vorhersage-Modellen zu errechnen, an die Märkte zu übermitteln und dort bestätigen oder abändern zu lassen.

Die Genossenschaft Migros-Zürich betreibt SB-Warenhäuser, Verbrauchermarkte und führt - je nach Standort - bis zu 85 000 Artikel im Sortiment. Im Haus Zürich-Altstetten sind neben 41 Scanner-Kassensystemen mit Filialrechner, mehreren Bildschirmen und Druckern auch ein Bizerba-Waagensystem mit insgesamt 18 Waagen angeschlossen.

Während auch Migros eine zentrale Sortimentslistung und Preispflege vornimmt, erfolgt die detaillierte Auswertung der Abverkäufe aufgrund der Kassen- und Waagendaten weitgehend dezentral. Eine Bestandsführung wird nur für ausgewählte Sortimente angestrebt und soll zu einem teilautomatisierten Bestellwesen hinführen.

Die Unternehmensführung verspricht sich neben den Vorteilen aus dem Scanning eine größere Transparenz der Warendaten und Kundenbedarfsprofile und damit bessere Entscheidungsgrundlagen für das Bestellwesen und die Präsentation.

Bargeldlose Kundengeschäfte

In kaum einem anderen Markt herrscht derzeit soviel Bewegung wie beim bargeldlosen Zahlungsverkehr. Nachdem sich die Kritik am bundesdeutschen Eurocheque-System häuft und Kreditkarten mit einer Verbreitung von 1,4 Millionen Stück eher ein Schattendasein führen, steht eine Revolution "a la carte" hierzulande offensichtlich bevor.

Die neu initiierte "Deutsche Kreditkarte" des Handels unterscheidet sich von ihren konventionellen Konkurrenten nicht nur durch eine niedrigere Jahresgebühr von 60 Mark für den Karteninhaber, sondern vor allem durch eine geringere Provision, die auf 2,75 Prozent festgelegt wurde. Der Inhaber der Deutschen Kreditkarte kann in einem Einzelhandelsgeschäft Waren für bis zu 600 Mark einkaufen und einen Verfügungsrahmen von 7000 Mark in Anspruch nehmen. Bei einem Jahresumsatz von 5000 Mark soll die Karte

für den Benutzer im Folgejahr kostenlos sein. Ihr Nachteil: Bislang fehlt die Internationalität.

Inzwischen haben sich auch die deutschen Privatbanken, Sparkassen und

Genossenschaftsbanken für eine gemeinsame Massenkarte entschieden. Ab 1988 sollen über die neue Banking-Card bereits elektronische Abbuchungen an Geldautomaten und Ladenkassen möglich sein.

Marktbeobachter sind sich darin einig, daß im bundesdeutschen Zahlungsverkehr schon bald amerikanische Verhältnisse herrschen werden. Selbst die klassischen Vertreiber von Credit-Cards rechnen bis 1990 mit einer Verdoppelung ihrer Kundenzahlen. Ganz zu schweigen von den Anbietern sogenannter Kunden-Service-Karten (goldene Hertie-Kundenkarte, Airplus-Karte der Deutschen Lufthansa, Hamburger Mode-Kreditkarte etc.), die das Plastikgeld eher als vielversprechendes Marketing-lnstrument zur Kundenbindung und Absatzförderung nutzen. Sie stehen am Anfang eines gigantischen Booms. Über ihre Kundenkredit-Karte können beispielsweise Kaufhäuser exakt das Konsumentenverhalten ihrer Kunden analysieren.

Mit der Einführung komplexer Warenwirtschaftssysteme beschäftigen sich momentan fast ausschließlich die Großen der Branche. Die elektronische Bezahlung mittels Karte soll dabei in den nächsten Jahren als Zusatzfunktion in die Gesamtkonzepte aufgenommen werden und aufwendiges Arbeiten mit Papierbelegen verhindern.