Rechner steuert Nachrichtenfluß

Computer-Redaktion im Bundespresseamt

29.08.1975

BONN - Rund um die Uhr tickern die heißen Nachrichten von sieben internationalen Presseagenturen über Fernschreibleitungen ins Bundespresseamt. Im Tagesschnitt rund 3000 Meldungen, das sind 50 000 Zeilen zu je 70 Anschlägen. DV-Leiter Regierungsrat Konrad Loelein fand ein probates Mittel, die Papierberge, die es früher zu bewältigen galt, wortwörtlich auf das Format eines Bildschirms zu minimieren. Hinter dem Bildschirm allerdings steht ein Prozeßrechner Honeywell-Bull 316 (16 K Worte, Magnetplatteneinheit 15 Millionen Byte), in Doppelauslegung, um größtmögliche Sicherheit zu haben. Die Ticker-Texte werden beim Eingang über Converter in Videosignale umgewandelt und erscheinen fortlaufend auf dem Bildschirm. Sie werden gleichzeitig auf Platte gespeichert, die Kapazität für 24stündigen Input aus dem laufenden Nachrichtenmaterial hat.

Computer-Redakteur entscheidet

Vor dem Bildschirm ist der Platz des "Computer-Redakteurs", - ein Job, der in drei Schichten bedient werden muß. Er prüft die einlaufenden Texte, entweder in der natürlichen Reihenfolge oder auch durch Rückruf von der Platte auf den Bildschirm. Eine Fernschreibtastatur gibt ihm die Möglichkeit, die Texte zu korrigieren oder zu ergänzen. Seine eigentliche Aufgabe besteht jedoch darin, zu entscheiden, wem die eingehende Nachricht weitergereicht werden sollte. Er muß entscheiden, wem sie nützlich sein könnte. In Frage kommen 24 Empfänger im Bundespresseamt, elf Empfänger außerhalb des Hauses: Ministerien und oberste Bundesbehörden.

Großer Zeitgewinn

Über eine Funktionstastatur, auf der jedem Empfänger Farbe und Kennziffer zugeteilt sind, gibt der Redakteur am Computer den Transportbefehl. Automatisch sendet der Rechner über Fernschreibleitungen die Nachrichten an die jeweiligen Empfänger - das kann auch die Gesamtheit sein. Im Bundespresseamt geschieht das über Fernschreibleitungen mit 200 Baud, nach draußen als FS mit 50 Baud. Bei den Empfangsstellen außerhalb des Hauses erfolgt die Niederschrift über schnelle Druckterminals.

"Die Umstellung 1973 erfolgte nicht, um Geld zu sparen", berichtet Konrad Loelein, "sondern um Zeit zu gewinnen".

Während vorher das für die Weitergabe bestimmte Nachrichtenmaterial zu nächst für eine Rundschreib-FS-Anlage noch einmal auf Lochstreifen erfaßt werden mußte, kann jetzt praktisch ohne Zeitverlust gearbeitet werden. Die Verzögerung mißt allenfalls nach Minuten. "Früher waren zwei Stunden nicht ungewöhnlich", erläutert Loelein.

Anschluß an Datenbank

Ein Empfänger der Nachrichten aus dem Bundespresseamt muß zur Zeit noch ein wenig warten: die zentrale Datenbank, das Informationsbereitschaftssystem IBS des Bundespresseamtes (Siemens 4004/115). Für sie relevante Informationen werden zur Zeit noch zunächst auf FS-Lochstreifen erfaßt und schubweise übertragen. Die Zukunft sieht anders aus: Im echten Dialogverkehr sollen die Nachrichten unformatiert direkt vom Computer-Redakteur zur Datenbank (Siemens Systeme Golem und Passat) weitergereicht werden können. Gleichzeitig soll der Redakteur die Möglichkeit haben, die Datenbank nach Zusatzinformationen abzufragen, um Tagesnachrichten notfalls zu ergänzen oder um Informationen zu prüfen.