Computer-Humor - das Salz in der Megabyte-Suppe

18.07.1986

Dr. Jürgen Rolf Hansen, Leiter Kommunikation der NCR GmbH, Augsburg

Wo es um so ernste Dinge geht wie elektronische Rechner und die Durchdringung der Welt mit Informationssystemen, kann der Humor allenfalls als Randthema gelten. Aber gerade der Ernst der Lage rechtfertigt den Einsatz von Humor als "countervailing power". Echter Humor, so meinen Experten, sei ohnedies nur auf der Grundlage einer gewissen Trauer möglich. Die volkstümliche und sehr zutreffende Definition, "Humor ist, wenn man trotzdem lacht", bestätigt das.

Wie äußert sich Humor in unserer Branche? In erster Linie über die Karikatur. Dieser von ihrer Ausdrucksweise her gesehen leichtesten Form der bildenden Kunst, haftet zu Unrecht der Makel von Oberflächlichkeit an. Kann doch eine gelungene Karikatur mehr bewirken als lange Erläuterungen oder Analysen - nämlich eine Situation blitzartig erhellen und auf den Punkt zuspitzen, so daß jedem Betrachter der Zeichnung sofort klar wird: Hier liegt die entscheidende Schwachstelle. Der Karikaturist hat viele Mittel, solche Schwachstellen aufzudecken. Und er kann (und darf) es viel schonungsloser als etwa ein Marktanalytiker. Beispielsweise wurde die Fusion Burroughs - Sperry von einem amerikanischen Zeichner umgesetzt in eine Szene im Frühling, in der ein älterer Herr (Burroughs) ziemlich vehement einer älteren Dame (Sperry) auf den Leib rückt. Test: "Im Frühling wendet sich die Phantasie eines jungen Mannes schnell einer Neuerwerbung zu."

Eine gewisse Häme gehört zur Karikatur wie das Salz zur Suppe, wie Schadenfreude überhaupt zur geistigen Alltags-Sportart aller Branchen, nicht nur der Computer-Industrie, gehört. Im Gegenteil: In diesem jungen Markt scheint noch mehr Humor, Toleranz und Verständnis für die Schwächen der Mit-Wettbewerber vorhanden zu sein als in den schon älteren Industriebranchen, in der oft starre Verhaltensweisen und zum Kodex geronnene Umgangsregeln den Ton bestimmen.

Ob deshalb in den Büros der Computerhersteller mehr gelacht wird als in den Verwaltungen der Chemiekonzerne bleibt fraglich. Denn Spaß verstehen die Manager hier wie dort kaum - wenn die Zahlen nicht stimmen.

Dann wird der branchenübliche Optimismus, der durch strahlendes Lächeln der Verantwortlichen bei Anwesenheit von Fotografen ausgedrückt zu werden pflegt, zu einem gequälten Blick. Wer aber immer jubelt, wird im Schadensfalle vergeblich nach einem Stück rettenden Humors suchen. Denn auch der will gepflegt sein.

Das wirklich tragende Element des Computer-Humors ist - wie könnte es anders sein - der Computer selbst. Und das verdankt er vor allem einer Eigenschaft, die von allen Computerkennern immer wieder heruntergespielt wird: Seiner Menschenähnlichkeit, oder genauer, seiner häufig apostrophierten Fähigkeit, zu "denken".

Damit können Karikaturisten natürlich glänzend operieren. Und es gibt inzwischen eine Legion von witzigen, phantastischen, sarkastischen, aber auch platten und faden Karikaturen, die den Computer als zentrales Thema verwenden.

Wenn man einmal die positivistische Strichkunst - meist im Auftrag der Branche erstellt - beiseite läßt und nur die "echten" Karikaturen betrachtet, dann fällt eine Grundstimmung in allen Zeichnungen auf, die ich an anderer Stelle einmal mit der "geheimen Sehnsucht nach der Über-Maschine" umschrieben habe.

Die Karikaturisten schildern auf ihre (humorvolle) Weise unseren Traum von der überlegenen Intelligenz einer Maschine, die wir selbst zwar entwickeln werden, die dann aber klüger ist als ihre Erbauer. Dahinter verbirgt sich der uralte Wunsch des Menschen, Zaubermittel zu finden, die ihm unbegrenzt zur Verfügung stehen, damit wir "aus Steinen Gold machen können". Der Computer, vorerst allenfalls nur noch von übereifrigen Vertriebsleuten als "Stein der Weisen" angepriesen, reizt die Karikaturisten zum Spott über jenen Drang, Problemlöser für alles zu finden, was uns drückt.

Die Chancen, daß gerade der Computer-Humor noch eine Blütezeit erlebt, gelten als groß. Lange Zeit stand ja eine andere Maschine im Blickfeld der Zeichner - das Auto. Irgendwann dürfte der Computer dieses Subjet überholen, gepaart mit weiteren elektronischen Gefährten, etwa dem Roboter, der als bloßer Handhabungsautomat allerdings nicht mehr besonders pointiert ins Bild zu setzen sein wird.

Daß wir in unserer Branche Humor und Karikaturen gut gebrauchen können, wird jedem Besucher eines Rechenzentrums klar, der die dortige zwangsläufig kühle Atmosphäre mitbekommt. Die Herrscher über Megabytes sind von Natur aus eher ernsthaft und verbreiten oft den Charme eines Hochleistungsdruckers: Der arbeitet präzise und geräuscharm, aber er führt nur aus. Wir brauchen auch und gerade originelle Menschen in unserer Branche, und die zeichnen sich meist durch eine gehörige Portion (bissigen) Humors aus.

*Jürgen Rolf Hansen: Maschinen-Alltag in Punkt und Strich - Technik in der Karikatur. Frankfurt-Königstein 1986