Dynamische Simulation von Flußsystemen:

Computer gegen Gipsmodell

01.04.1977

Überschwemmungen wiederholen sich jedes Frühjahr - noch gibt es offenbar keine geeigneten Schutzmaßnahmen, den Bewohnern gefährdeter Gebiete (und ihren "Versicherern") "nasse Füße" zu ersparen. Es würde jedoch völlig an der Sache vorbeigehen, durch diese Frage implizit den zuständigen staatlichen Stellen (Wasserwirtschafts- und Umweltschutz-Ämtern) Untätigkeit beim Hochwasserschutz vorzuwerfen. Werden doch nahezu überall mehr oder weniger aufwendige Untersuchungen durchgeführt, die Aufschluß über die Kapazität bestehender Hochwasserschutz-Einrichtungen geben. Dabei werden auch Planungsdaten für potentielle Schutzbauten ermittelt.

Die bei diesen Untersuchungen noch häufig verwendeten Methoden wie etwa der maßstabgerechte Aufbau von Gipsmodellen der betroffenen Fluß-Systeme, sind jedoch zu aufwendig.

Der Einsatz von Computern erweist sich zunehmend als kostengünstiger wenn Simulationsprogramme unter Verwendung verschiedener theoretischer Ansätze der Hydrodynamik eine Berechnung des Hochwasserverlaufs erlauben. Entsprechende Programmpakete, wie etwa die von der Resource Management Associates (Kalifornien) in den USA oder der GfS, Gesellschaft für Systementwicklung mbH (München), in der BRD betreuten Routing-Programme, sind mittlerweile auf einem derartigen Standard, daß nahezu beliebige Fluß-, Speicher- und Kanal-Systeme hydrodynamisch berechnet werden können, und das wahlweise mit einfachen und rechenzeitsparenden, oder mit aufwendigeren und damit rechenzeitintensiveren Methoden.

Dynamische Simulation

So wurde beispielsweise von der GfS im Auftrag des Bayerischen Landesamtes für Umweltschutz (LfU) ein Paket von universell einsetzbaren Fortran-Programmen entwickelt, das - durch einen Eingabeparameter gesteuert - sechs verschiedene Routing-Methoden bietet: zwei stationäre Strömungsmethoden (Backwater- und

Stage-Flow-Methode), zwei hydrodynamische (St. Venant- und Kinematic-Wave-Methode) und zwei hydrologische (Muskingum- und modifizierte

Puls-Methode). Die vier letztgenannten Verfahren, die zur dynamischen

Simulation und damit speziell für Teichwasser-Anwendungen geeignet

sind, können beliebige Zu- und Abflüsse - wie GfS-Projektleiter Dr.

Karl-Heinz German erklärt - mit einer Update-Zeit von minimal einer

Stunde verarbeiten, so daß "Hochwasserberechnungen keinerlei Schwierigkeiten bereiten". Die Programme des GfS-Pakets können auch für eine Reihe anderer Problemstellungen wie Niedrigwasseraufbesserung, Trinkwasserversorgung, Umweltschutzmaßnahmen, Wasserkraftwerknutzung und Abflußberechnung in komplexen Fluß-Kanal-Systemen zur optimalen Ablaufsteuerung eingesetzt werden. Darüber hinaus implementiert die GfS zur Zeit dynamische Simulationsprogramme "Wasserqualität" mit einer Reihe physikalischer, chemischer und biologischer Parameter als Qualitätsstandards.

Das Paket ist bereits beim LfU im Einsatz und wird ständig weiterentwickelt. Um die Handhabung zu erleichtern, schließt es Zusatzprogramme zur Generierung von Simulationsparametern ein, so daß der Anwender nur wenige Angaben zu seinem konkreten Flußsystem braucht, die er beispielsweise anhand topographischer Karten "am Schreibtisch" bestimmen kann. Ein Zeitreihen-Generator für prognostische Simulationen steht ebenfalls zur Verfügung.

Strategisch, prophylaktisch

Neben der Berechnung des Abflußverhaltens ist auch die Bestimmung der optimalen Steuerung von Schutzspeichern zur Hochwasserprophylaxe ein ideales Anwendungsgebiet für Computersimulationen. Damit können verschiedenste Steuerstrategien untersucht und miteinander verglichen werden. Außerdem läßt sich für jeden beliebigen Hochwasserverlauf die höchstmögliche Schutzkapazität eines Speicher-Fluß-Systems ermitteln.

Ein entsprechendes Programm wurde von der GfS als Ergänzung des genannten Programmpakets geschrieben Durch Änderung weniger Eingabeparameter können Speichervolumina, Flußbettgeometrie etc. geändert und damit bauliche Maßnahmen simuliert werden; ein anschließender Lauf gibt sofort Aufschluß über die Wirksamkeit dieser Schutzmaßnahmen.

So können ohne Mehrkosten alle planerischen Ansätze auf ihre Leistungen und Grenzen hin geprüft werden.