Produktvergleich zeigt Stärken und Schwächen

Compaq und IBM liegen mit Cluster-Angeboten vorn

19.05.2000
MÜNCHEN (CW) - Die Analysten von D.H. Brown Associates (DHBA) haben sechs Unix-basierte Clustering-Angebote unter die Lupe genommen. Im Vordergrund stand deren Eignung zum Aufbau hochverfügbarer IT-Strukturen. Compaq schnitt mit seinem "Trucluster Server" am besten ab, dicht gefolgt von IBM mit "High Availability Cluster Multiprocessing" (HACMP).

Das Beratungs- und Marktforschungsunternehmen mit Sitz in Port Chester, New York, nahm die Clustering-Systeme anhand von sechs softwarebezogenen Kategorien unter die Lupe (siehe Grafik). Compaq erzielt mit seinen Produkten, die im Wesentlichen auf Techniken der 1998 übernommenen Digital Equipment basieren, die beste Wertung. Auf den Plätzen folgen IBM, HP, Data General, Sun und Sequent.

Allerdings konnten weder die Compaq- noch die IBM-Systeme in allen Kategorien und Unterkategorien die höchsten Werte erzielen. Umgekehrt erhielten auch in der Gesamtwertung weiter hinten liegende Produkte in einigen Punkten gute Noten. Diese Unterschiede können für eine Investitionsentscheidung im Einzelfall relevant sein und werden deshalb nachfolgend genauer beschrieben.

Anzumerken ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Produktvergleich die Systeme hinsichtlich ihrer Eignung zum Aufbau hochverfügbarer, also möglichst ausfallsicherer IT-Strukturen, untersucht. Steht dagegen die Steigerung der Rechenleistung durch Clustering im Vordergrund, müssen in einigen Punkten andere Maßstäbe angelegt werden.

Wie in der Grafik dargestellt, hält DHBA die Kategorie Cluster Backup und Recovery (Sicherung und Wiederherstellung) mit 20 Prozent Anteil an der Gesamtwertung für eine der wichtigsten. Analysiert wurden in diesem Zusammenhang unter anderem die verschiedenen Failover-Mechanismen, die ein Produkt unterstützt, Methoden zur frühzeitigen Erkennung von Fehlfunktionen und Optionen zur Wiederherstellung von ausgefallenen Systemen (Recovery).

HP erzielt in dieser Kategorie die höchste Wertung, knapp vor Compaq. Die Analysten heben insbesondere die Funktion "Dynamic Backup Selection" hervor, durch die sich sowohl HPs "MC/Service Guard" als auch Compaqs Trucluster Server von den Konkurrenten unterschieden.

Gemeint ist damit Folgendes: Fällt ein Server aus, so transferiert die Cluster-Software ein vorher definiertes Package automatisch jeweils auf den Ersatz-Server, der am wenigsten belastet ist. Ein Package besteht aus einer Gruppe von Ressourcen (Prozesse, Speicherplatz, IP-Adressen etc.), die für das Funktionieren einer bestimmten Anwendung oder Anwendungsgruppe benötigt werden.

Dieser Automatismus hat unter anderem den Vorteil, dass Administratoren den Backup-Rechner nicht vorher festlegen müssen, wie dies bei einigen anderen Cluster-Systemen der Fall ist.

Data General und Sun liegen in der Kategorie Backup und Recovery ebenfalls leicht über der Durchschnittsbewertung, während Sequent und IBM noch Nachholbedarf haben. Die Analysten monieren unter anderem, dass letztere keine Recovery-Funktionen nach dem Ausfall eines WANAdapters bieten.

Ebenfalls 20 Prozent an der Gesamtwertung weisen die Analysten der Kategorie Konfigurierbarkeit ("Cluster Failover Configurability") zu. Darunter ist die Fähigkeit eines Cluster-Systems zu verstehen, mit unterschiedlichen Varianten von Hardware und Software zusammenzuarbeiten. Auf der Hardwareseite sollte der Cluster etwa verschiedene Server-Klassen, Festplatten oder Netzprodukte unterstützen. In puncto Software sollte es möglich sein, unterschiedliche Betriebssystem-Versionen oder Middleware-Systeme einzusetzen. Die Kategorie sagt deshalb einiges über die Flexibilität einer Cluster-Lösung aus. Das ist auch im Hinblick auf den Investitionsschutz für vorhandene IT-Systeme von Bedeutung.

IBM lässt in dieser Kategorie die Konkurrenz weit hinter sich. Das HACMP-System ist beispielsweise das einzige, das in einer Failover-Konfiguration mehr als 16 Rechnerknoten unterstützt. Die Software von Big Blue erlaubt es, maximal 32 Knoten in einem Verbund zusammenzuschalten. Würde für jeden Rechnerknoten das Spitzenmodell "RS/6000 S80" mit jeweils 24 Prozessoren eingesetzt, entstünde ein Failover-Cluster mit maximal 768 CPUs.

HPs MC/Service Guard, das ebenfalls überdurchschnittlich bewertet wird, unterstützt dagegen nur 16 Knoten (maximal 512 CPUs bei Verwendung von 32-Wege-Servern). Der Trucluster Server von Compaq ist auf acht Knoten mit jeweils 32 CPUs in einem Failover-Verbund beschränkt. In der Gesamtwertung für die Kategorie Konfigurierbarkeit liegen die Texaner knapp hinter HP auf Rang drei. Data General, Sun und Sequent bewerten die Analysten jeweils unterdurchschnittlich.

Mit zehn Prozent an der Gesamtnote taxiert DHBA die Fähigkeit eines Clustering-Systems, verschiedenen Rechnerknoten den gleichzeitigen Zugriff auf eine gemeinsame physikalische Datenbank zu ermöglichen. Dazu benötigen die Programme unter anderem einen Distributed Lock Manager (DLM). Dieser koordiniert simultane Datenbankzugriffe und aktualisiert den Datenbestand, ohne dass Anwender die Änderungen eines anderen Benutzers überschreiben können.

Der gleichzeitige Zugriff auf Datenbanken wird nicht in allen Cluster-Konfigurationen benötigt. Deshalb messen die Analysten dieser Kategorie weniger Gewicht bei als den oben beschriebenen. Insgesamt erzielen die Hersteller hier relativ niedrige Werte. Das heißt, alle Anbieter könnten ihr Angebot noch verbessern. Ein Manko der Systeme sei beispielsweise, dass Rechnerknoten nicht via WAN gleichzeitig auf eine entfernt installierte Datenbank zugreifen können. Ein weiterer Nachteil: Kein Anbieter unterstützt den Zugriff von mehr als acht Rechnerknoten auf eine gemeinsame Datenbank.

Compaqs Software lässt in dieser Kategorie das Angebot von IBM weit hinter sich. Der Trucluster Server unterstützt - ebenso wie IBMS HACMP - den gleichzeitigen Zugriff von acht Servern auf einen Datenbestand. Die Implementierung der Texaner ist aber die einzige, die das Feature "Virtual Raw Disk" in Verbindung mit der leistungssteigernden Zugriffsmethode "Direct Memory Access" (DMA) unterstützt.

Mit Virtual Raw Disk muss ein Rechner nicht direkt (physikalisch) mit einer Festplatte verbunden sein. Nötig sind statt dessen schnelle Verbindungen (Interconnects) zwischen den Rechnerknoten. Compaq bietet nach der Einschätzung von DHBA mit seiner Verbindungstechnik "Memory Channel Interconnect" eine herausragende Architektur. Die Systeme von Sun, Sequent, Data General und HP erhalten hier allesamt unterdurchschnittliche Noten.

Die letzten drei Kategorien Verwaltung, Single System Image und Katastrophenschutz (Disaster Recovery) bewerten die Analysten jeweils mit fünf Prozent. Unter Cluster-Verwaltung versteht DHBA alle Werkzeuge und Schnittstellen, die IT-Verantwortlichen den Aufbau und die Verwaltung hochverfügbarer Cluster erleichtern. Wichtige Kriterien sind etwa Mechanismen zur Fernverwaltung, Tools zur manuellen oder automatischen Lastverteilung oder GUI-basierte, zentrale Management-Konsolen für mehrere Rechnerverbände.

Die untersuchten Systeme unterscheiden sich in diesen Punkten nur geringfügig. So bieten etwa alle Hersteller grafische Schnittstellen zur Cluster-Überwachung und -Steuerung. Compaq erzielt die höchsten Werte vor IBM und Sequent, die beide über dem Durchschnitt liegen. Auf den Plätzen folgen Data General und HP. Sun bildet das Schlusslicht.

Ein charakteristisches Merkmal vieler Cluster ist das sogenannte Single System Image. Die im Verbund verteilten Ressourcen erscheinen für den Anwender oder den Administrator wie ein einziger großer Rechner. DHBA bewertet in dieser Kategorie Cluster-Funktionen, die eben diese Gesamtsicht ermöglichen und dem Systemverwalter damit die Arbeit erleichtern. Zu den Funktionen gehören beispielsweise übergreifende Cluster-Dateisysteme und andere Merkmale, die für den gesamten Cluster zur Verfügung stehen. Im Idealfall sollte jede Anwendung auf jedem Rechnerknoten auf sämtliche Hardwarekomponenten im Cluster zugreifen können, unabhängig davon, ob diese lokal oder an einem entfernten Ort installiert sind. Letztere Forderung erfüllt keines der untersuchten Systeme.

Die Unterschiede in dieser Kategorie sind gravierend. Compaq und Data General lassen die Konkurrenten weit hinter sich. Der Trucluster Server unterstützt ebenso wie DG/UX Clusters ein Cluster-Dateisystem. Beide Systeme erlauben zudem die Verwendung einer Cluster-übergreifenden Passwortdatei. Von den abgeschlagenen Anbietern schneidet Sequent (leicht unter dem Durchschnitt) noch am besten ab. IBM, HP und Sun folgen mit deutlichem Abstand.

Das Cluster-Dateisystem IBMs entspricht nicht den Posix-Spezifikationen, kritisieren die Autoren. Auch die Verwendung eines Cluster-weiten Passworts ist nicht möglich.

Funktionen zum Katastrophenschutz finden sich in Clustering-Systemen relativ selten, berichtet DHBA. Obwohl solche Merkmale gerade für große und multinational tätige Unternehmen wichtig sein können, schreiben die Analysten auch dieser letzten Kategorie nur fünf Prozent an der Gesamtwertung zu.

Die Kriterien umfassen hier beispielsweise Failover-Funktionen über große Entfernungen (Wide Area Failover), das Spiegeln von Daten an entfernten Standorten und die Möglichkeit, einzelne Rechnerknoten sowie Rechner und Festplatten weit voneinander entfernt aufzustellen. Mit Hilfe solcher Funktionen können Unternehmen im Extremfall den Ausfall eines kompletten IT-Standorts abfangen.

Gesamtsieger Compaq schneidet in diesem Bereich am schlechtesten ab. Der Rivale IBM erzielt den Spitzenwert. Mit der Software "Hageo" bietet Big Blue Failover-Funktionen zwischen Rechnerknoten, die beliebig weit voneinander entfernt stehen können. Mit seinem "Enterprise Storage System" (ESS) ermöglicht der Hersteller zudem eine maximale Entfernung zwischen einem Server und dessen Festplatten von 103 Kilometern, mehr als alle anderen Anbieter.

Überdurchschnittliche Werte erhalten Sun und HP. In einem Sun-Cluster können Rechnerknoten bis zu zehn Kilometer weit auseinander stehen. HPs Software "Metro Cluster" erlaubt eine maximale Distanz von 50 Kilometern zwischen Servern. Bei Verwendung des Systems "Continental Cluster" entfällt diese Beschränkung allerdings sowohl für Server als auch für gemeinsam genutzte Festplatten. Diese Merkmalskombination bietet nur HP.

Hinter Sequent und Data General - beide unter dem Durchschnitt - belegt Compaq hier den letzten Platz. Die Entfernung zwischen Servern und Festplatten darf derzeit nicht mehr als 15 Kilometer betragen. Mit der nächsten Version des Trucluster Server hat der Hersteller in diesem Bereich signifikante Verbesserungen versprochen.

Methoden und KriterienFür die Bewertung der Clustering-Fähigkeiten verschiedener Unix-Betriebssysteme und zugehöriger Cluster-Software definierte DHBA sechs Kategorien. Um daneben auch Server-Plattformen beurteilen zu können, legten die Analysten zusätzlich fünf so genannte In-System Categories fest. Diese sind zum großen Teil hardwarebezogen (beispielsweise redundante Komponenten, Raid) und sollen in einer später geplanten Untersuchung beleuchtet werden.

Insgesamt identifiziert DHBA zehn Kategorien zur Bewertung von Clustering-Fähigkeiten (siehe Grafik Seite 45) im Unix-Umfeld. Diese sollen in einer dritten Studie zusammengefasst dargestellt werden.

Bei der Entscheidung für einen Hersteller empfiehlt DHBA darüber hinaus die Beachtung weiterer Kriterien, die ebenfalls nicht Bestandteil der Untersuchung sind. Dazu zählen Service und Support, Preise und/oder Gesamtkosten (Cost of Ownership), die Lieferfähigkeit eines Anbieters sowie die Marktdurchdringung der jeweiligen Produkte.

Weitere Informationen sind erhältlich unter http://www.dhbrown.com.

Rang eins - Compaq

Rang zwei - IBM

Rang drei - HP

Rang vier - Data General

Rang fünf - Sun

Rang sechs - Sequent

Abb: D.H. Brown beleuchtet Clustering-Fähigkeiten anhand von zehn Kategorien. Sechs davon bewerten Unix-Betriebssysteme mit der zugehörigen Cluster-Software. Die restlichen vier beziehen sich auf einzelne Rechner und sind nicht Bestandteil dieser Untersuchung. Quelle: Computerwoche