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Thema des Tages

Compaq restrukturiert auch in Europa

05.07.1999
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MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Nachdem der texanische Computerriese Compaq Computer Corp., nach dem Rausschmiß von CEO (Chief Executive Officer) Eckhard Pfeiffer immer noch offiziell "kopflos", bereits vor einiger Zeit sein US-Geschäft neu geordnet hatte (CW Infonet berichtete), wird die gleiche Struktur nun auch in der EMEA-Region (Europa, Mittlerer Osten und Afrika) eingezogen.

Das Geschäft gliedert sich künftig in drei zentrale Bereiche:

Unternehmenslösungen und -Dienstleistungen

PC-Produkte und E-Commerce

Endkunden

Die Leiter der drei Divisionen berichten direkt an Werner Koepf, der kürzlich die Nachfolge von Andreas Barth als General Manager EMEA angetreten hatte (CW Infonet berichtete). Jeder Bereich agiert dabei als eigenständiges Profit-Center.

Den Bereich Enterprise Solutions and Services leitet Gerard van de Aast, Vice-President von Compaq EMEA. Er kümmert sich um Compaqs "E-Business-Lösungen" und alle damit zusammenhängenden Produkte und Services. Vice-President Kasper Rorsted verantwortet die Division Personal Computer Products and E-Commerce, unter deren Dach die kommerziellen PC-Aktivitäten zusammengefaßt sind. Die Consumer Group existierte bereits vor der Reorganisation und soll auch weiterhin unter Leitung von Toon Bouten PCs und Notebooks für den Endkundenmarkt fertigen und vermarkten.

Von den drei Bereichsleitern dürfte Kasper Rorsted vor der größten Herausforderung stehen. Compaq versucht nämlich wieder einmal, das Geschäftsmodell des seit geraumer Zeit überdurchschnittlich erfolgreichen Rivalen Dell Computer zu übernehmen und engagiert sich im direkten Vertrieb. Für Großkunden will Compaq eigene Web-Sites einrichten, auf der die Unternehmen PCs und weitere Produkte direkt ohne Umweg über Distributoren oder Fachhändler bestellen können. Dieses Modell soll später auch auf den Mittelstand und in einem weiteren Schritt auch auf den Consumer-Markt ausgedehnt werden. In Frankreich und Großbritannien werde der Internet-Verkauf bereits getestet, in anderen EMEA-Ländern werde man in Kürze damit beginnen, so General Manager Koepf in einem Interview. "Aus unserer Sicht ist dies ein sehr effizienter Weg, Geschäfte zu machen", erklärte der neue

Europachef. In Deutschland hatte Compaq bekanntlich jüngst ein Internet-Modell eingeführt, das die Händler allerdings weiterhin mit involviert (CW Infonet berichtete).

Auf den exklusiven Web-Sites soll Großkunden eine "speziell auf ihr Volumen zugeschnittene Preisliste" präsentiert werden. Ihnen bleibt dabei die Wahl zwischen direkter Lieferung oder der Auswahl eines Resellers für die Abwicklung. Im vierten Quartal will der Hersteller zusätzlich ein sogenanntes "Agent program" aufsetzen. In dessen Rahmen können Wiederverkäufer Bestellungen bei Compaq aufgeben, die anschließend direkt an den Kunden geliefert werden. Der jeweilige Reseller soll für einen solchen Abschluß eine Vermittlungsprovision erhalten.

Gleichzeitig steht Compaq - wie auch die Konkurrenz - vor einem Problem im PC-Server-Markt: Trotz steigender Umsätze sinken die Gewinnmargen der Hersteller. Laut einer aktuellen Studie der International Data Corp. (IDC) wurden im ersten Quartal 1999 weltweit mit 772 000 rund 23 Prozent mehr Server verkauft als im Vergleichszeitraum des Vorjahres (627 000 Stück). Gleichzeitig ging der erzielte Umsatz von 13,9 Milliarden Dollar um 0,5 Prozent auf 13,8 Milliarden Dollar zurück. Der durchschnittliche Verkaufswert eines PC-Servers sank im gleichen Zeitraum um 20 Prozent. "Compaqs PC-Server-Geschäft ist offensichtlich noch gesund", räumt IDC-Analyst Jim Williamson ein. "Die große Frage ist allerdings, ob sie das schaffen, was Dell geschafft hat: ihre Preise so zu halten, daß sie noch gesunde Margen abwerfen." Andrew Clark, bei Compaq zuständig für Industry Standard

Servers, glaubt fest daran. "Aus meiner Sicht wird der Markt einfach breiter und nicht preisaggressiver. Wer von Preisverfall spricht, meint Preiskrieg, niedrigere Margen und ein weniger gesundes Geschäft. All dies ist nicht der Fall." Die Zahlen sprechen allerdings eine andere Sprache: Gegenüber den ersten drei Monaten des Jahres 1998 (146 000) konnte Compaq heuer zwar 223 000 oder 58 Prozent mehr "Proliant"-PC-Server absetzen, die Einnahmen daraus stiegen allerdings nur um 38 Prozent. Über die gesamte Server-Produktpalette hinweg erzielte der Hersteller sogar nur ein Umsatzwachstum von mageren 0,6 Prozent.