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Compaq GmbH entlässt jeden fünften Mitarbeiter

31.07.2001
Compaq will in einem ersten Schritt 314 Mitarbeiter in Deutschland entlassen. Die Konzernspitze denkt gegenwärtig darüber nach, mehr als 100 weiteren Mitarbeitern ebenfalls zu kündigen.

Von CW-Redakteur Jan-Bernd Meyer

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Compaq will in einem ersten Schritt 314 Mitarbeiter in Deutschland entlassen. Die Konzernspitze denkt gegenwärtig darüber nach, mehr als 100 weiteren Mitarbeitern ebenfalls zu kündigen. Dabei sollen auch Spezialisten aus dem Bereich Professional Services geopfert werden.

Eine Überraschung war es nicht, dass auch die Länderniederlassungen ihren Blutzoll entrichten müssen. Die Konzernzentrale in Houston hatte angekündigt, dass insgesamt 8500 Angestellte oder zwölf Prozent der Compaq-Belegschaft (71 300 Mitarbeiter weltweit) ihren Job verlieren würden. In der Region Europe, Middle East, Africa (Emea) sollten 1750 Mitarbeiter gehen, 830 davon allein in Deutschland, Großbritannien und Frankreich.

Der Hammer aus Houston trifft die deutsche Niederlassung nun besonders hart. Noch im Jahr 2000 mit einem überdurchschnittlichen Wachstum gesegnet (zwölf Prozent), das auch dasjenige der Corporation übertraf, musste die deutsche Konzernleitung um Geschäftsführer Peter-Mark Droste nun ihren Angestellten in eilig einberufenen Mitarbeiterversammlungen erklären, dass 314 Beschäftigte das Unternehmen verlassen müssen. Dem deutschen Management sei es, so ein Insider, nicht gelungen, die Europa-Führung zu überzeugen, dass ein so krasser Stellenabbau in Deutschland nicht hinnehmbar sei.

Im Zuge der Anpassung des Geschäftsmodells an die abgeschwächte Konjunktur und die veränderte Marktsituation sollen jeweils etwa ein Drittel der Entlassungen auf die Serviceorganisation, den Vertrieb und die Produktbereiche einschließlich der zentralen Funktionen entfallen, heißt es in einer offiziellen Presseerklärung von Compaq.

Kahlschlag in Deutschland - fast 22 Prozent sollen gehen

Aus gut informierten Kreisen verlautete aber, dass sei noch nicht das Ende vom Lied. Das deutsche Management bemühe sich, alle internen Supportfunktionen auf den Prüfstand zu heben und europaweit zu optimieren. Sämtliche Optionen hierzu würden durchforstet: Sowohl die Finanzadministration, das Marketing als auch die DV-Organisation seien wie andere zentralisierbare Bereiche gefährdet. Bis Ende dieses Jahres soll der Kahlschlag in Szene gesetzt werden.

Die hierbei erzielten Rationalisierungseffekte seien bei den 314 zu Entlassenden noch nicht eingerechnet. Über 100 weitere Compaq-Angehörige, insgesamt zwischen 420 und 450, sollen nach diesen Plänen ihren Arbeitsplatz verlieren. Von insgesamt rund 2050 Mitarbeitern der Compaq Computer GmbH müssten somit fast 22 Prozent gehen. Compaq-Sprecher Herbert Wenk bestätigte diese Zahl nicht. Richtig sei nur, dass man sich alle Prozesse genau ansehe. Er könne aber keine Aussagen zu Zahlen für weitere Entlassungen machen.

Compaq-Chef Droste erklärte, man verfolge das Ziel, die Vertriebsstruktur des Unternehmens zu optimieren, die operativen Kosten nachhaltig zu senken und die Serviceorganisation auf profitables Wachstum auszurichten.

Im Zuge der Massenentlassungen wird auch das Vertriebskonzept für den Mittelstand wieder einmal verändert. Immer wieder hatte Compaq wie auch seine Konkurrenten IBM, Hewlett-Packard oder Sun versucht, das schwierige Kundensegment der kleinen und mittelgroßen Unternehmen in Deutschland in den Griff zu bekommen. Fast regelmäßig zur CeBIT legte man ehrgeizige Pläne vor, wie man das so genannte Small-and-Medium-Business-(SMB-)Segment erfolgreich ansprechen wollte.

So hatte das Unternehmen 1998 das Konzept der "Compaq Business Points" als Pilotversuch in Norddeutschland gestartet, um insbesondere Kleinunternehmen zu umwerben. Innerhalb kurzer Zeit sollte es auf ganz Deutschland ausgedehnt werden. Aber obwohl Compaq seinerzeit erhebliche finanzielle Mittel in das neue Partnerkonzept gesteckt hatte, wie die damals für die Business-Point-Projektentwicklung und -leitung zuständige Bianca Brinker sagte, ging das Vorhaben sang- und klanglos unter.

Ein weiteres neues Vertriebskonzept verfolgte das Unternehmen seit einem Jahr. Compaq sprach 600 Unternehmen des gehobenen Mittelstands über seinen Vertrieb direkt an. Dieses Konzept wird nun ebenfalls geändert. 500 der Mittelstandskunden sollen erneut an Compaq-Vertriebspartner verwiesen werden. Nur rund 100 Mittelständler haben nach den neuen Plänen das Privileg einer direkten Kundenbetreuung. Die massive Entlassungswelle dürfte also insbesondere die Vertriebsmannschaft treffen.

Unternehmenssprecher Ulrich Esser erklärte, die Zahl der direkt betreuten Kunden werde reduziert auf 100 plus elf so genannte Global Accounts sowie weitere Accounts, die je nach Potenzial und auch den Wünschen der Kunden selbst von Compaq definiert werden. Bei 500 großen Mittelstandskunden wird die Betreuung in Zukunft durch Partner realisiert. Hinzukommen 3000 schon in der Vergangenheit von Compaq-Partner betreute regionale Unternehmen.

Darüber hinaus sollen auch Spezialisten aus dem Bereich Professional Services, also dem Systemintegrationsgeschäft, ihren Job verlieren. Betroffen wäre damit ein hochqualifiziertes Team, das Dienstleistungen für Compaq-Kunden erbringt. Ob Compaq damit ein richtiges Signal für den Markt gibt, bleibt abzuwarten. Angeblich will sich das Unternehmen mit diesem Schritt aus Bereichen verabschieden, die auf ältere Technologiekonzepte ausgerichtet sind und deshalb kein Wachstumspotenzial mehr böten -"eine völlig idiotische Entscheidung" meinte ein dem Unternehmen sehr nahe stehender Insider. Compaq verwies in diesem Zusammenhang auf seine Presseerklärung. Hierin wird ausgedrückt, dass insbesondere im Servicesegment nicht nur der Umsatz, sondern auch der Beitrag zum operativen Gewinn des Unternehmens gesteigert werden solle.

Wegen der Mitarbeiterversammlungen an mehreren deutschen Standorten war der Betriebsrat bislang für eine Stellungnahme nicht erreichbar.