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Thema des Tages

Compaq entläßt elf Prozent der Mitarbeiter

29.07.1999
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MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) – Eine der ersten öffentlichen Amtshandlungen des frischgebackenen Compaq-CEOs (Chief Executive Officer) Michael Capellas war gestern die Bekanntgabe der Zahlen für das zweite Quartal. Der gebeutelte PC-Hersteller aus Texas verzeichnete einen Verlust von 184 Millionen Dollar oder zehn Cent pro Aktie und lag damit um ein Cent unter den Schätzungen der Analysten. Im vergangenen Jahr lag das Minus bei 3,63 Milliarden Dollar oder 2,33 Dollar pro Aktie – inklusive der Akquisitionskosten für Digital Equipment. Als Begründung für das diesjährige schlechte Quartalsergebnis nannte Capellas die hohen operativen Kosten, den Rückgang in den Verkaufszahlen sowie der immense Preisverfall bei PCs. Um wieder in die schwarzen Zahlen zu kommen, sind nun eine Reihe von drastischen Maßnahmen wie Entlassungen und Umstrukturierungen geplant.

Zum einen sollen im dritten Quartal zusätzlich zwischen 6000 bis 8000 Arbeitsplätze abgebaut werden. Das sind etwa elf Prozent der 69 000 Compaq-Angestellten. Bereits im letzten Jahr hatte der Computerriese im Zuge der Digital-Übernahme den Abbau von 17 000 Mitarbeitern angekündigt. Capellas rechnet für die kommenden zwei Quartale mit Umstrukturierungskosten für den Stellenabbau und die Schließung von einigen Standorten in Höhe von jeweils zirka 700 bis 900 Millionen Dollar.

Zum anderen plant Compaq, zum 1. August mit einem neuen Vertriebsmodell an den Start zu gehen. Die Zahl der Distributoren soll von 39 auf vier und die der Vertriebszentren um 70 Prozent reduziert werden. Ferner sollen in Nordamerika bis zu 75 Prozent des Produktverkaufs über das Internet abgewickelt werden. Mit diesem direkten Vertriebsprogramm will Compaq die Lagerzeiten und –kosten dezimieren. Im zweiten Quartal betrug die Inventurzeit bei Compaq dreieinhalb Wochen im Vergleich zu lediglich sieben Tagen bei Dell Computer und ein bis zwei Tagen bei Apple Computer.

Positiver fiel der Umsatz des Unternehmens aus. Er stieg um 17 Prozent auf 9,4 Milliarden Dollar. In Nordamerika legte Compaq um 32 Prozent, in Südamerika um 17 Prozent und in der asiatisch-pazifischen Region um 14 Prozent zu. Den Umsatzzuwachs von sechs Prozent in der EMEA-Region (Europa, Mittlerer Osten und Afrika) bezeichnete der Compaq-Chef allerdings als "enttäuschend". Dieses langsame Wachstum führte er auf Restrukturierungsmaßnahmen in Deutschland und Frankreich sowie auf den zunehmenden Konkurrenzkampf in Großbritannien zurück.

Nach der Einschätzung von Wallstreet-Analysten scheint das Schlimmste für den krisengeschüttelten PC-Riesen vorbei zu sein. Für das dritte Quartal prognostizieren die Auguren einen Gewinn von 68 Millionen Dollar oder fünf Cent pro Aktie – exklusive der Umstrukturierungskosten. Der Umsatz im kommenden Quartal wird auf etwa neun Milliarden Dollar geschätzt. Auch das Verhalten des neuen CEOs stimmt die Marktforscher zuversichtlich. Mit seiner freimütigen Herausgabe von Zahlen und Fakten überraschte Capellas Pressevertreter und Analysten gleichermaßen, die vom gefeuerten Vorgänger Eckhard Pfeiffer ganz anderes gewohnt waren. So meint Kurt King, Analyst bei der Bank of Americas, Capellas habe durch seine Offenheit und Direktheit eine Menge Vertrauen gerade bei den Investoren zurückgewonnen.