Kooperation könnte den Walldorfern das B-to-B-Geschäft öffnen

Commerce One soll SAP in neue Märkte hieven

26.05.2000
MÜNCHEN (CW) - Die SAP AG steht angeblich kurz vor der Unterzeichnung eines Deals mit Commerce One. Das deutsche Softwarehaus will künftig Produkte des E-Procurement-Spezialisten aus den USA weiterverkaufen.

Mit diesem Abkommen suchen die Walldorfer offenbar Anschluss an den boomenden Markt der Online-Handelsplattformen, in dem sie trotz ihrer im vergangenen Jahr herausgebrachten Internet-Software "Mysap.com" noch nicht richtig Fuß fassen konnten. SAP und Commerce One führen einem Bericht des "Wall Street Journal" zufolge seit zirka zwei Monaten Gespräche über eine mögliche Kooperation. Sowohl SAP-Sprecher Ralf Nitsch als auch Patrick Mayer von Commerce One wollten zu dem Bericht allerdings keine Stellung nehmen. Ein derartiger Deal würde dem ERP-Marktführer (ERP = Enterprise Resource Planning) jedoch erlauben, vor allem seine europäische Klientel an den weltweiten Online-Marktplätzen teilhaben zu lassen.

Nach Meinung von Helmuth Gümbel, Analyst bei Strategy Partners in München, stellt insbesonders die bisher erfolgreiche Zusammenarbeit von Commerce One mit Oracle eine ernsthafte Gefahr für die Walldorfer dar: "Die SAP muss bei den Marktplätzen gnadenlos powern, sonst wird ihr der Teppich unter den Füßen weggezogen." Spätestens in zwei bis drei Jahren könne Oracle über seine starke Präsenz auf Online-Marktplätzen SAP auch im ERP-Kerngeschäft bedrängen. Dazu müsse der Datenbankhersteller seine Marktplatz-Kunden nur von den Vorteilen einer durchgängigen Backbone-Lösung überzeugen. Eine Zusammenarbeit mit Commerce One sei zumindest eine brauchbare Verteidigungsstrategie, so Gümbel.

Bisher kam SAP in Bezug auf elektronische Handelsplattformen kaum zum Zuge. Die großen Deals gelangen den Wettbewerbern. So sind Oracle und Commerce One beispielsweise Infrastrukturlieferanten für den gemeinsamen Marktplatz "Covisint" der Automobilhersteller General Motors, Ford, Daimler-Chrysler, Nissan und Renault. SAP hatte bei dem milliardenschweren Geschäft das Nachsehen, was Vorstandssprecher Hasso Plattner vergangene Woche als einen "bitteren Schlag" bezeichnete. Bei BMW und Volkswagen kam SAP ebenfalls nicht zum Zuge. Das Rennen machte hier Ariba.

SAP scheinen auch bei den Chemiekonzernen die Felle davonzuschwimmen. Ende 1999 hatten BASF, Bayer, Degussa-Hüls, Henkel und Wacker Chemie Interesse bekundet, Produkte aus der Mysap.com-Palette für den Aufbau eines Chemie-Handelsplatzes zu verwenden. Inzwischen haben sich Bayer und BASF jedoch anderen Chemiekonzernen angeschlossen, die eine alternative internationale Handelsplattform aufbauen wollen. Ein BASF-Sprecher erklärte, man wolle auf beiden Schauplätzen aktiv sein. Dem SAP-Marktplatz scheint BASF jedoch eine untergeordnete Rolle zugedacht zu haben. "Über Mysap.com wollen wir die Beschaffung von technischen Waren und Dienstleistungen wie Kräne oder Pumpen laufen lassen", erklärte der BASF-Sprecher. "Über den neuen internationalen Marktplatz sollen bestehende Kunden- und Lieferantenbeziehungen sowie klassische Logistik- und Supply-Chain-Projekte abgewickelt werden."

Die Partnerschaft mit Commerce One würde zur neuen Strategie von SAP passen, verstärkt Kooperationen mit anderen Softwarehäusern einzugehen, um so die offenkundigen Lücken im Produktportfolio zu schließen (siehe Seite 23).