Commedia dell' arte

23.05.1980

Die Rücksichtslosigkeit macht nicht die Größe,

aber sie begleitet sie, nicht notwendig, aber oft.

Mit Halbheiten wird nichts Ganzes gewonnen; der

höchste Preis darf den höchsten Einsatz fordern.

Fontane

IBM, meinen Marktkenner, sei launisch wie das Wetter. Und wer könne schon genaue Voraussagen machen?

Da hatte man mit einem Modell 4336 gerechnet, plaziert zwischen der 4331 und der 4341. Die Spekulation war nicht unbegründet: Zwischen beiden Zentraleinheiten klaffte ein Leistungsloch, so groß wie ein Mondkrater - vom Preisunterschied gar nicht zu reden.

Doch jetzt bringt IBM - eher g'schamig avisiert - ein Modell 2 des Rechners 4331 auf den Markt, mit Merkmalen freilich, die nicht so recht zu einer nachgeschobenen Zweitversion passen wollen. Die IBM-Werbung dürfte sich schwertun, neue Features wie größeren Arbeitsspeicher (bis 4 MB), 128 KB-Kontrollspeicher, zusätzliche Kanäle und Ein-/Ausgabe-Anschlußmöglichkeiten als bloße Modell-Erweiterungen abzutun. Dafür werden schon die 4341-Anwender sorgen.

Damit wäre schon die Frage beantwortet, warum der Marktführer die neue Box nicht "4336" getauft hat. Denn, soviel scheint sicher: Bei der 4331 Modell 2 handelt es sich um das Zwischenmodell, auf das die Fachwelt gewartet hat. Nur keine schlafenden Hunde wecken, so offenbar die IBM-Denke, wer sich mit der 4341 "overselled" fühlt, kommt noch früh genug auf dumme Downgrade-Gedanken. Und wer die 4331-Erstfassung als schwach auf den Ein-/Ausgabe-Beinen erlebt hat, der wird den Kapazitätsgewinn begrüßen.

Die "Show-Ankündigung" (vgl. Seite 1) kann gleichwohl nicht darüber hinwegtäuschen, daß die 4331 von Anfang an falsch konfiguriert war (oder die 4341)! Aber daran hat man sich beim Marktführer beinahe schon gewöhnt. Erst die 8100-Schlappe, dann das /38-Debakel jetzt das 4331-Verwirrspiel: Die IBM hat mit ihren Ankündigungen in der letzten Zeit wahrlich kein Glück. Bei dem 3790-Nachfolger machte das Programmiersprachen-Dilemma (warum kein Cobol?) die Anwender rebellisch; der Datenbankcomputer kam erst gar nicht von der Startrampe weg; die neue "kleine 370" (IBM-Aussage) bereitet - obwohl in bezug auf den Auftragseingang zunächst ein Renner - der "blauen Garde" Kopfschmerzen. Grund: Die 4331 kommt im 370-Modus nicht auf die erhoffte Leistung - "native". Qualitäten werden ihr ohnehin nicht abverlangt. Erste IBM-Niederlagen: Zwei 4331-Anwender stiegen kurzentschlossen auf Honeywell Bull-Maschinen um. Die COMPUTER- WOCHE berichtete: "Unruhe an der 4331-Front" (CW 18 vom 2. Mai 1980, Seite 1). Wie konnte es dazu kommen?

Die Crux für die Anwender besteht darin, daß Papiertigern - und das sind die meisten Maschinen bei Ankündigung - nicht anzusehen ist, wie sie sich im Echt-Betrieb von Alt-Programmen verhalten - ob also unter Emulation Performance-Einbußen in Kauf genommen werden müssen. Zwar ist es die Regel geworden, daß neue Hardware von alten Betriebssystemen unterstützt wird - an die logischen Folgen (Durchsatz unter Nennleistung) mag indes niemand so recht glauben.

Ein Gegenmittel könnten Benchmarks sein. Aber welcher Hersteller liefert sich schon freiwillig dem Lügendetektor aus? Und welcher Anwerder ist bereit, die Kosten eines Benchmark-Tests zu übernehmen? Also wird blind bestellt. Schließlich kann man später immer noch vom Vertrag zurücktreten- und einen neuen unterschreiben. Gerade IBM gibt sich da sehr kulant.

Weniger Skrupel zeigte der Mainframe zeigte der Mainframe-Reise in der Vergangenheit, seinen Kunden die - systembedingte - Änderung von Anwendungsprogrammen zuzumuten. Kunden, die nacheinander eine 360, ein System/3 und eine 370 im Einsatz hatten, können ein Lied davon singen.

Die Modell 2-Ankündigung gibt Anlaß zu der Vermutung, daß IBM das Betriebssystem DOS sterben lassen will. Indiz: Die neue Hardware wird auch von OS/VS1 unterstützt. Steht DOS-Anwendern eine Radikal-Operation bevor? IBM wird über kurz oder lang diesen Eingriff vorschlagen - auch wenn DOS-Fans das nicht wahrhaben wollen. Wetten, daß...