Comdex-Panel blickte in die Kristallkugel Spracheingabe im Wordprocessor waere der naechste Kassenschlager

02.12.1994

LAS VEGAS (qua) - Die Softwarebranche wurde in diesem Jahr von drei Themen bestimmt: Groupware, Application-Suites und Online- Services. Zu diesem Schluss kamen die Teilnehmer eines "Power Panel", das anlaesslich der diesjaehrigen Comdex/Fall stattfand. Interessante neue Anwendungen erwarten die Diskutanten vor allem in den Bereichen Multimedia, Spracherkennung und Netz-Management.

Die Podiumsdiskussion lief unter dem Titel "Crystal Ball" (Kristallkugel). Beleuchtet werden sollten die DV-Trends des kommenden Jahres. Noch unter dem Eindruck der Sybase-Powersoft- Fusion fielen William Keiper, President und CEO des Netzsoftware- Anbieters Artisoft Inc. mit Sitz in Tucson, Arizona, dazu in erster Linie die Konsolidierungstendenzen auf dem Softwaremarkt ein.

Widerspruch erntete Keiper jedoch von Philippe Kahn, Chairman, President und CEO der Borland Corp., Scotts Valley, Kalifornien: "Die Konsolidierung ist abgeschlossen", behauptete der Borland- Chef. "Wer jetzt noch selbstaendig ist, will es bleiben." Damit spielte Kahn auf die Geruechte an, das von ihm gegruendete Unternehmen stehe zum Verkauf.

Das zu Ende gehende Jahr 1994 wurde von Kahn zum Jahr der Suites und der Online-Services erklaert. Mit den integrierten Anwendungspaketen griff der Borland-CEO einen der wettbewerbsintensivsten Produktbereiche heraus. Und die Online- Dienste, insbesondere das Internet, waren auf der diesjaehrigen Herbst-Comdex das meistdiskutierte Thema ueberhaupt.

Mit der Anwendung ist es aber augenscheinlich noch nicht weit her. Zu diesem Ergebnis kam eine Studie, die das Marktforschungsunternehmen Gallup Organization mit Sitz in Princeton, New Jersey, bei IT-Managern von Fortune-1000- Unternehmen durchgefuehrt hatte.

Multimedia und Netz-Management

Auf die Frage, in welchem Bereich die naechste Applikation mit wirklich durchschlagendem Erfolg kommen werde, stimmten die Ergebnisse einer Blitzumfrage im Auditorium sowie die Gallup- Studie ueberein: Zwei Fuenftel der Befragten nannten den Bereich Multimedia, 15 beziehungsweise 31 Prozent votierten fuer den Sektor Netz-Management.

Chip Lacy, CEO des Distributionsunternehmens Ingram Micro mit Sitz in Santa Ana, Kalifornien, wurde konkreter. Sein Kandidat fuer die naechste herausragende Softwareneuerung hiess: Spracherkennung in Textverarbeitungssystemen. Schuetzenhilfe leistete Kahn. "Richtig, das Tippen stellt ein grosses Hindernis dar", unterstrich der PC- Software-Experte.

Ein Thema, an dem im kommenden Jahr wohl niemand vorbeikommen wird, ist das neue Microsoft-Betriebssystem Windows 95. Erwartungsgemaess schieden sich hier die Geister der Diskussionsteilnehmer. Fuer den PC-Distributor Lacy ist die Frage, ob das Produkt puenktlich - sprich: im Mai oder Juni - verfuegbar sein wird, von existentieller Wichtigkeit fuer die gesamte Branche. "Wenn sich Windows 95 verspaetet, wird dies einen depressiven Effekt auf den Markt ausueben." Die durch eine moegliche Verzoegerung von Windows 95 ausgeloeste Stagnation hemme die Entwicklung von Anwendungssoftware. Hier erhielt Lacy jedoch Kontra von Borland- Chef Kahn, der sich damit bruestete, seine Produkte fuer das neue Microsoft-Betriebssystem nahezu fertig zu haben.

Einen anderen Grund, auf eine schnelle Freigabe von Windows 95 zu hoffen, nannte Artisoft-CEO Keiper. Er moechte moeglichst bald wissen, inwieweit die in das Microsoft-Betriebssystem integrierten Netz-Features dem eigenen Betriebssystem Konkurrenz machen: "Es ist sehr schwer, zum Wettbewerb gegen eine blosse Aura anzutreten." Hier wirke sich ein altbekanntes Prinzip aus: Fear, Uncertainty and Doubt oder kurz: FUD.