Coddsche Ideen zur relationalen DB verwirklicht:Oracle bald auch auf PCs

14.10.1983

Ehrgeizige Ziele offenbarte Bo Ryden, Präsident der Oracle-Corporation Europe, in mehreren Seminaren für Anwender. Das relationale Datenbanksystem Oracle. das den Forderungen des Erfinders des relationalen Modells. Edgar F. Code. einem IBM-Fellow des San José Research Laboratory. genügen soll, 8011 nämlich auf den gängigen Mikrorechnern (IBM-PC, DEC Professional, Apple Lisa) im selben Umfang wie auf den großen Maschinen installiert werden. Es werde als Herzstück des von der Oracle-Corporation angepeilten Konzepts des "Information-Centres" dienen.

Mit der Umbenennung der für das relationale Datenbanksystem Oracle zuständigen Entwicklungsabteilung der Relational Software Inc. in Oracle-Corporation und der Neuordnung der europäischen Vertriebsgesellschaft Tom Pedersen Inc. in Dänemark (jetzt: Oracle-Corporation Europe) scheinen auch neue Ideen Platz gegriffen zu haben. Codds Blick in die Zukunft anläßlich der Verleihung des Turing Award im November 1981, hat wohl Anregung gegeben. Code sah gerade relationale Datenbanken mit ihrer Tabellenstruktur prädestiniert dafür, Datenbanknetze über Rechner zu verteilen. Diese Coddsche Anregung ist im Konzept des "Information-Centres" der Oracle-Corporation zu sehen.

Bo Ryden stellte rückblickend die Entwicklungsgeschichte von Oracle vor. Eine Oracle-Corporation innerhalb der Relational Software Inc. wurde 1977 gegründet, um ein relationales Datenbanksystem marktfähig zu machen, das auf dem von IBM unter Code entwickelten System/R basierte. Die erste Auslieferung erfolgte im Juni 1979. Mittlerweile sind weltweit 350 Systeme installiert (Europa: 85 seit November 1980.

Dank der Portabilität (die Software ist voll in "C", der Sprache der Bellt Laboratories, geschrieben) steht sie auf vielen Maschinen zur Verfügung. Ryden verwies darauf, daß dieses System als eines der ganz wenigen die Coddschen Anforderungen erfüllt.

Denn Code verlangt die Darstellung von Information in Relationen, oder einfacher ausgedrückt, in Tabellen. Er stellt strenge vorderungen, um diese "Informationsmengen" mit Hilfe von Mengenoperationen verarbeiten zu können. Es dürfen auch keine Zugriffspfade zu Informationswerten zu sehen sein, wie es bei hierarchischen Datenbanken der Fall ist. So bietet die auf eine IBM-Entwicklung zurückgehende und mittlerweile wohl Industriestandard darstellende Abfragesprache SQL (Structured Query Language) die Möglichkeit, die von Code geforderten Mengenoperationen nachzubilden.

Bei Oracle besteht die Möglichkeit, Benutzern nur Teilinformation aus einer oder mehreren Relationen zur Verfügung zu stellen. Diese "virtuellen Tabellen", auch "Views" genannt, sind kein wesentliches Kriterium für eine relationale Datenbank. Code regt jedoch ihre Implementierung aus Datenschutzgründen an, denn sie bieten die Möglichkeit, den Zugriff auf ausgewählte Daten zu gestatten und Unbefugten den Zugang zu sperren. Ryden vermerkt hierzu, daß ein an einer schwedischen Universität entwickeltes, den Coddschen Anforderungen genügendes, relationales Datenbanksystem nur deswegen vor dem Verteidigungsministerium keine Anerkennung fand, weil keine "views" vorgesehen waren. Ein wichtiges Kriterium zur Gewährleistung der Datensicherheit war nicht erfüllt.

Chris Woolridge, Manager der für IBM-Produkte zuständigen Entwicklungsabteilung der Oracle-Corporation, ging in einem Referat speziell auf technische Aspekte einer soeben abgeschlossenen Implementierung von Oracle auf IBM-Mainframes unter MVS ein.

Dabei stellte er das Konzept des "Information-Centre" vor: ein Netz aus einem Hostrechner (IBM, DEC VAX) und mehreren Mikros (IBM-PC, DEC Professional, beide mit mindestens 512 KB Speicherausbau). Mit SQL als "natürlicher" Abfragesprache, einem "User-friendly-Interface" zu Datenbankmanipulationen, diversen Tools zur Ausgabe von Ergebnissen (auch mit Grafiken) soll Oracle komplett bis Anfang 1984 auf den Mikros laufen. Die Software auf Hostrechner und PC ist identisch.

Die Vorteile dieser verteilten, relationalen Datenbanken sind nach Woolridge:

- einheitliches Konzept hinsichtlich Abfragesprache und Tools (das zum Industriestandard werden kann),

- weniger relevante Informationen können auf PCs gehalten werden,

- ein "Copy-Management" kann in einer einheitlichen und konsistenten Weise eingerichtet werden,

- das nichtprozedurale Abfragen durch SQL verhilft zu einfachen Implementierungen von DB-Anwendungen. Ein billiges und leicht durchzuziehendes Prototyping wird möglich sein, daß es auf dem PC mit kleinen Datenbeständen durchgeführt werden kann.

Die praktische Vorführung der Oracle-Features bewies: Was an Leistungen beschrieben ist, geht auch in der Praxis. Daß auf dem noch schnell aufgebauten IBM-PC noch nicht alles zur Verfügung stand, ist natürlich, da mit der Auslieferung dieser "kleinen" Versionen erst im nächsten Jahr zu rechnen ist.

Oracle ist hiermit die erste prexisorientierte Datenbank, die auf dem von IBM entwickelten Relationenmodell basiert. Die von Oracle-Corporation erweiterte Abfragesprache SQL ist aufwärtskompatibel zum IBM-Produkt SQL/DS. Hat der Marktfuhrer hier bewußt eine gute Erfindung zurückgehalten, um seinen eingeführten Systemen alter Prägung nicht das Wasser abzugraben? Seit Beginn dieses Jahres scheint er aufgewacht zu sein.

*Willi Bolkart ist Referent für Veröffentlichungen in Softwaretest e. V.,Ulm

Anm. d. Red.: Eine Broschüre, die die Coddschen Anforderungen an das relationale Model beschreibt, aber auch in verständlicher Form die Probleme der Informationsgruppierung in Tabellen(Normallformen für relationale Datenbanken) erläutert, kann zum Preis von 20 Mark (plus Versandkosten) über Softwaretest e. V., Hirschstraße 16,7900 Ulm bezogen werden.