Real existierende Hard- und Software Teil 1

Client-Server- Architekturen verändern die DV-Landschaft

07.12.1990

LAS VEGAS/MÜNCHEN - "Die Revolution ist in vollem Gange", behauptet Charles E. Exley, CEO und Chairman der NCR Corp. Er gehört zu denen, die die EDV-Branche glauben machen wollen, Mainframes seien out und müßten, ihren angestammten Platz über kurz oder lang zugunsten von leistungsstarken Netzwerk-Systemen auf Basis von Client-Server-Strukturen räumen. Die Hardwarevoraussetzungen für verteilte Datenverarbeitung - dies zeigte auch die Herbst-Comdex l990 wieder - sind in der Tat mittlerweile geschaffen.

Exley, hat sein Unternehmen in Erwartung kommender großer Umwälzungen schon mal auf die neuen Gegebenheiten eingeschworen. Im September l990 stellte NCR seine Vision der kommenden DV-Welt vor, die im stolz präsentierten "System-3000" kulminierte: Ein abgestuftes Hardwarekonzept, das - ausschließlich auf Basis von Intel-CPUs - vom Laptop über Mehrprozessor-Servermodelle bis zu hochparallelen und mit maximal 4096 Prozessoren bestückten Supersystemen die gesamte Spannweite heutigen Computer umfaßt.

Der Chef des mit Registrierkassen groß gewordene Unternehmens glaubt, mit der Rechenleistung heutiger PCs nicht auf Sand zu bauen: "In letzter Konsequenz wird sich jedes Unternehmen von seinen Mainframes verabschieden und auf Mikros umsteigen", glaubt Exley und hofft deshalb auch, seine mit der "System-3000"-Familie begründete Strategie, die völlig auf dem Client-Server-Prinzip beruht, möge auch wirklich erfolgreich am Markt einschlagen - und sich für NCR auszahlen.

Mit seinem Optimismus steht er nicht allein. Auch Paul Cubbage vom Marktforschungsunternehmen Dataquest sieht für die Zwitterrolle der PCs als Server-Muskelprotze und als Arbeitsplatz-Clients im LAN-Verbund eine große Zukunft.

Er verweist auf British Petrol, General Motors und McDonalds, die im Zuge des Trends zum Downsizing auf unternehmensweite Unix-Systeme umgestiegen sind Cubbage will damit unterstreichen, daß die Industrie erfolgreich beweise, offene Mehrprozessor-Systeme erfüllten in idealer Weise die Erfordernisse der Unternehmens-DV-Strukturen: "Sie sind portabel, lassen sich leicht vernetzen, können ohne weiteres erweitert werden und besitzen große Interoperabilitäts-Potentiale."

Bis vor einem Jahr schien die Client-Server-Debatte jedoch lediglich akademischer Natur - es fehlten sowohl die Hardware- als auch die Softwareprodukte zur Verwirklichung PC-gestützter DV-Landschaften. Wie so häufig, scheinen die Hardware-Entwickler vorgearbeitet zu haben. Ginge es lediglich um die Verfügbarkeit von entsprechend leistungsstarken Computern, müßten Großrechnerhersteller langsam schlaflose Nächte bekommen. Es gibt kaum einen namhaften Hersteller, der nicht inzwischen einen Mehrprozessor-Server anbietet.

Bereits 1988 - ein Jahr nach der Vorstellung des ersten 386-PCs - präsentierte Zenith Data Systems auf der Comdex einer geschlossenen Gesellschaft ihren sogenannten "Z-1000"-Computer, ein System mit mehreren 386-CPUs. Die Architektur des damals noch nicht unter die Bull-Fittiche genommenen Hardwareherstellers war allerdings nicht in der eigenen F&E-Küche entstanden, sondern entsprang einer Übernahme der "SMP"-Technologie (Symmetrical Multiprocessing Technology) der Corollary Inc.

Server mit Mainframe-Power

Die Mehrprozessor-Hardware-Architektur dieses im Juli 1985 als TI-Spin-off gegründeten Unternehmens bildet mittlerweile auch die Grundlage für DECs gerade erst vorgestellten Multiprozessor-Rechner "Application DEC 433MP", ALRs gegenüber dem Systempro um 30 Prozent kostengünstigeren "Powerpro", Mitacs "Series 500" und Zeniths Mehrprozessor-PCs. Weitere Servermaschinen, die in der Rechen-Power an Mainframes heranreichen und aufgrund ausgefallener Doppelbus-Architekturen und ausufernder Peripherie-Speichermedien vor allem die Datenhaltung, -sicherung und deren Transport nach ähnlichen Charakteristika zu leisten imstande sind wie Großrechner, stelle Unternehmen wie Netframe Systems, Parallan, Epoch Systems Inc. sowie AT&T her.

Die Tricord Systems Inc. etwa behauptet von ihrem "Powerframe"-Server, er sei aufgrund der besonderen Busarchitektur zehnmal schneller als Compaqs Systempro. Tricord-President James D. Edwards strebt jedoch nach noch höheren Weihen rechnet vor, sein Produkt habe bei einigen Tests sogar IBMs 3090-400-Großrechner hinter sich gelassen - zu einem Preis von 35 000 Dollar.

Vertreter der RISC-Technologie andererseits verbinden die erhöhte Leistungsfähigkeit dieser CPU-Architektur mit den Vorteilen des Multiprozessor-Designs: Sun-Adepten verlassen sich auf die Sparc-Chips und das "OS/SMP"-Betriebssystem in der Version 4.0D - der Multiprozessor-Variante von Sun-OS, auf der alle Sun-Applikationen ablauffähig sein sollen. Zu ihnen gehören etwa Solbourne Inc. ("5E/900 Enterprise Server") und ICL ("DRS 6000").

Unter anderem auch wegen der maximalen externen Speicherkapazitäten von 27,5 GB für die Datenhaltung - einem Punkt von entscheidender Signifikanz für Großrechner-Anwendungen - versteht man, daß Solbournes Vizepräsident Europa, Barrie Murray-Upton, Mainframes am liebsten gleich den Totenschein ausstellen würde: "Beim Einsatz moderne Technik wie etwa relationale Datenbanken zur Lösung kaufmännischer oder unternehmerischer Probleme könnte ein 5E 900-Rechner sogar Mainframes übertreffen, allerdings mit Investitionskosten, die nur bei zehn bis 20 Prozent derselben liegen."

Concurrent ("Serie 8000") hält es mit den Mips-Chips, Encores "Serie 90"-Echtzeitrechner bedienen sich der Motorolas 88000-CPU und die IBM stellte kürzlich ihr Modell 95 aus der PS/2-Linie vor. Das - die große Ausnahme - ist jedoch ein Mehrprozessor-Server. Auf Anfrage bemerkte Big Blue in puncto Mehrprozessor-Version nur prinzipiell sei diese Technologie möglich. (wird fortgesetzt).