File-Transfer für IBM-Rechnernetze:

Checkpoint-Restart bereitet noch Probleme

02.12.1983

Die Übertragung großer Dateien in einem Netzwerk gehört zum täglichen Brot einer DV-Abteilung, bereitet aber immer noch Kopfzerbrechen, wenn es um die Auswahl des geeigneten Verfahrens geht. William P. Schmidt, freier EDV-Berater aus München und Autor des folgendes Beitrages, schildert die Erfahrungen, die er in einem Projekt für einen international tätigen Hersteller aus der Halbleiterindustrie sammelte. Der Auftraggeber betreibt verschiedene IBM-Rechenzentren in mehreren Ländern.

Ein wichtiges Projektziel war der Datenaustausch zwischen den Netzwerkknoten. Insbesonders sollten Band- und Plattendateien schnell, einfach und kostengünstig zwischen den IBM-Rechenzentren übertragen werden.

Verschiedene Projektvorgaben waren dabei zu erfüllen. So sollte es möglich sein, Dateien unterschiedlicher Organisation, wie SAM, PDS, ISAM, VSAM und BDAM, zu übertragen. Wert wurde auch auf eine einfache Handhabung für RZ-Produktion und Endbenutzer gelegt. Datenübertragungen sollten überdies vom Bildschirm aus auszulösen sein. Das Verfahren muß sich sowohl für kleine Nachrichten als auch für große Produktionsbestände eignen, so ein Wunsch des Auftraggebers.

Der Ablauf der Übertragung soll er zudem ohne Operationseingriff erfolgen und die übertragenen Daten automatisch komprimiert werden, um von der Kostenseite her eine optimale Leistungsausnutzung zu erreichen. Auch ein Checkpoint-Restart-Verfahren wurde gewünscht, um bei eventuell auftretenden Leitungs-oder Rechnerausfällen die Wiederholungszeiten zu kürzen. Das Verfahren sollte Übertragungen von und zu jedem gängigen IBM-Betriebssystem erlauben.

Statistiken über das Geschehen waren vorzusehen. Es sollten Programm-Exits vorhanden sein, um Datenschutz zu gewährleisten und um das Verfahren mühelos installationsspezifischen Belangen anzupassen. Schließlich war es uns wichtig, das Verfahren auch vor der geplanten Umstellung auf SNA einsetzen zu können.

Eine Marktübersicht der vorhandenen Produkte zeigte drei Hauptgruppen von Programmen:

- RJE Workstation-Programme

- NJE-Jobnetworking-Programme und

- ACF/VTAM-Applikationen.

Die RJE-Workstation-Programme gibt es seit 1969. Mittlerweile werden fast alle Betriebssysteme unterstützt. Diese Programme können nur im BSC-Modus arbeiten. An Produkten vorhanden sind die Hasp RJE-Workstation von Guide/Share, die DOS-RJE-Workstation und OS/VS1 SRJES von IBM sowie Tracs von der Software Module Marketing GmbH aus Düsseldorf.

Eine eingehende Untersuchung dieser Produkte hat gezeigt, daß sie kaum irgendwelche Anforderungen erfüllen können. Sie wurden deshalb bei der weiteren Auswahl nicht weiter berücksichtigt.

Das IBM Network Job Entry wurde bereits 1974 für MVS/JES 2 angekündigt. Inzwischen sind NJE-fähig MVS/JES 3, VM/SP, OS/VS 1 und seit Ende 1982 auch DOS/VSE und SSX/VSE.

NJE selbst überträgt nur Daten in Form von Lochkarten und Druckzeilen, bietet aber die Voraussetzung für Produkte, die NJE als Trägersystem für Dateiübertragung benutzen.

IBM bietet auf diesem Sektor die Produkte JEP/FTP, BDT, JNF/FT, SSX/VSE File Transfer. TSO/E IDTF und VM Sendfile/Receive. Zusätzlich ist noch NTP von der CSS Software Service aus Oberpframmern auf dem Markt.

Das JNF - Job Networking Feature - bietet eine NJE-kompatible Schnittstelle für OS/VS 1 . Die File Transfer Facility von JNF erlaubt nur die Übertragung von Dateien zwischen OS/VS 1 -Knoten. Dieses Produkt war deshalb für den Auftraggeber nicht interessant und wurde auch nicht weiter berücksichtigt.

Die File Transfer Facility von SSX/VSE bietet die Möglichkeit, Dateien zwischen SSX und DOS, SSX und MVS, SSX und SSX zu übertragen, nicht aber beispielsweise zwischen MVS und MVS oder MVS und DOS. Da dieses Produkt nur eine begrenzte Anwendung erlaubt, wurde es auch nicht weiter untersucht.

VTAM gibt es ebenfalls seit 1974. Zur Zeit werden MVS, VS 1, DOS und SSX unterstützt. VM wird noch nicht direkt unterstützt, obwohl IBM neulich eine Absichtserklärung abgab, dies in der Zukunft zu verwirklichen. Mit VTAM-Applikationen können beliebige Daten übertragen werden. IBM bietet hier CDNDT und FTP V.2 an.

Wir haben alle Produkte eingehend und intensiv miteinander verglichen. Die grafische Darstellung der Untersuchungsergebnisse zeigt die Ab(..)dung.

Bezogen auf die Anforderungen ergab die Untersuchung ein unterschiedliches Bild.

Bei der Forderung, alle Datei-Organisationen zu übertragen, versagten alle Produkte außer NTP, das jede Dateiart verarbeitet.

Ob die Handhabung einfach ist, ist letztlich eine subjektive Ansicht. Wir meinten, nur IDTF, VM Sendfile/Receive und NTP lassen sich leicht handhaben.

Es sind auch die gleichen Produkte, die eine Online-Bedienung vom Bildschirm aus anbieten. IDTF und VM Sendfile/Receive sind nicht in der Lage, große Datenmengen zu bewältigen. Kleine Datenmengen, wie etwa Nachrichten, können alle Programme übertragen.

Einen operatorfreien Ablauf bieten alle Systeme außer den zwei VTAM-Applikationen. Allerdings erreichen nur die VTAM-Anwendungen eine optimale Leistungsausnutzung von Haus aus. NJE kann jedoch in allen Implementierungen außer MVS/JES drei SDLC-Leitungen betreiben.

Rund die Hälfte der Produkte komprimieren die Daten, bevor sie auf die Leitungen geschickt werden.

Es ist bedauerlich, daß NJE kein Checkpoint-Restart-Verfahren anbietet. Dies können nur die VTAM-Applikationen. NTP wurde hier mit (..)m "JEINö versehen, da es doch die Möglichkeit beinhaltet, lange Übertragungen automatisch in mehreren kürzeren Segmenten zu übertragen. Bei einem Leitungsausfall muß dann nur das letzte aktive Segment wiederholt werden.

Die Unterstützung der IBM-Betriebssysteme sieht wie folgt aus:

- FTP/JEP unterstützt DOS, MVS und VS 1.

- BDT unterstützt MVS und bedingt VS 1 und VM.

- IDTF unterstützt nur MVS unter TSO/Extensions.

- VM Sendfile/Receive Kommandos werden nur unter VS/SP unterstützt.

- NTP unterstützt MVS, VM, VS1 unter VM, und soll ab Anfang 1984 auch DOS/VSE unterstützen.

- CDNDT unterstützt MVS, VS 1 und DOS.

- FTP V2 unterstützt MVS und DOS.

Statistiken sind bei BDT, NTP und den VTAM-Applikationen vorhanden.

IDTF bietet ein und NTP bietet fünf User-Exits. BDT, IDTF und NTP sind im BSC- und SNA-Modus betriebsfähig.

Nur eins der Produkte erfüllte die wichtigsten Anforderungen des Auftraggebers: NTP. Die entscheidenden Gründe dafür liegen darin, daß das Produkt automatisch jede Dateiorganisation überträgt und MVS und VM überstützt, die bei der auftraggebenden Firma eingesetzt sind. Die fehlende VM-Unterstützung der meisten anderen Produkte ist zu bemängeln.

Da NTP das NJE als Trägersystem verwendet, kann im BSC- und ebenso im SNA-Modus übertragen werden. Das heißt, daß das System eingesetzt werden konnte, bevor das Netzwerk auf SNA umgestellt wurde.

NTP wurde Ende 1982 installiert und in die Produktion übernommen. In der Regel finden etwa 60 Übertragungen täglich pro Netzwerkknoten statt.

Ein offener Wunsch bei NTP bleibt Checkpoint-Restart. Dieses Verfahren wäre günstig im Falle von Leitungs- oder Hardwareausfällen, um die Wiederholungszeiten zu kürzen.

NJE bietet kein Checkpoint-Restart . Die vorhandenen VTAM-Applikationen, die Checkpoint-Restart anbieten, lassen noch viel zu wünschen übrig. Vor allem versagen sie in den Punkten "Benutzerfreundlichkeit" und "einfache Handhabung". Auch das Spooling der Daten fehlt vollkommen bei den VTAM-Applikationen. Ohne eine Möglichkeit, die Daten zu spoolen, wenn keine Leitungsverbindung zwischen den beiden Rechnern besteht, kann keine Produktion weiter laufen. NTP bietet unter JES und RSCS ein automatisches Spooling .

Auf dem Wunschzettel für die Zukunft steht auch die Forderung, die NTP-Funktion von angeschlossenen Personal Computern benützen zu können.