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CeBIT: Siemens IC kalkuliert mit dem Aufschwung

13.03.2003
Durch eine konsequente Restrukturierung hat sich Siemens (IC) nach eigener Ansicht in eine gute Ausgangsposition für einen wiedererstarkten Markt gebracht.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Durch eine konsequente Restrukturierung hat sich der Siemens-Konzernbereich Information and Communications (IC) nach eigener Ansicht in eine gute Ausgangsposition für einen wiedererstarkten Markt gebracht. Von einem baldigen Aufschwung zeigten sich die Münchner bei ihrem CeBIT-Auftritt überzeugt.

Auch in diesem Jahr gab sich das Siemens-Management in Hannover mit großem Bahnhof die Ehre. Neben dem zuständigen Zentralvorstand Volker Jung waren wieder die IC-Bereichsvorstände Thomas Ganswindt (Information and Communication Networks = ICN), Paul Stodden (Siemens Business Services = SBS) sowie Rudi Lamprecht (Information and Communication Mobile = ICM) angereist. Letzterem war es einmal mehr vergönnt, die tragende Rolle vor der internationalen Presse zu spielen, denn Lamprecht konnte etwas vorzeigen - und das in zweierlei Hinsicht. Seine Division, zuständig für die Entwicklung, Produktion und den Vertrieb von Handys und Netzinfrastruktur für Mobilfunk-Provider, ist in den schwarzen Zahlen. Gleichzeitig hatte der Siemens-Manager etwas zum Anfassen dabei: eine Sammlung neuer Multifunktions-Handys vom Einsteigermodell "A55" bis zum "SX1", das die Features einer digitalen Kamera, eines MP3-Players, Organizers und Mobiltelefons im Pocket-Format vereint und den Anspruch

der Münchner untermauern soll, sich bei mobilen Endgeräten eine Vorreiterrolle zu erobern.

Flankiert wurde die kurze Produktdemonstration von markigen Worten Lamprechts. "Angeblich ist der Markt gesättigt, davon sind wir nicht überzeugt", lehnte er sich aus dem Fenster. Wo stehe geschrieben, dass Kunden nicht mehrere Handys besitzen könnten, wenn sie diese als "Mode-Accesoire" sehen, analog zu Brillen, Handtaschen oder Armbanduhren? Lamprecht hob in diesem Zusammenhang auf die neu kreierte "Xelibri"-Marke ab - ein Label, unter dem die Münchner zweimal pro Jahr jeweils vier Billigmodelle auf den Markt bringen wollen, die sich im Design stark unterscheiden und technisch weitgehend auf die Basisfunktionen Sprachübertragung und Short Message Service (SMS) beschränken.

Neben der "Designführerschaft" im Endgerätegeschäft will Siemens ICM nach den Worten Lamprechts aber auch seine grundsätzliche Position im Handy-Markt festigen und ausbauen. Manche sagten, "der Markt sei schwierig, für mich ist er interessant". So habe man in Europa den Anteil bei Mobiltelefonen auf derzeit rund 15 Prozent ausgebaut und sei damit hinter Nokia die Nummer zwei. Gleichzeitig sei es gelungen, in den Zukunftsmärkten Asien sowie Nord- und Lateinamerika Boden gutzumachen. Weltweit dürften nach den Schätzungen Lamprechts im laufenden Jahr rund 430 Millionen Handys verkauft werden, was einem Wachstum von gut fünf Prozent entspräche.

Auch im Ausrüstergeschäft für Mobilfunk-Provider haben sich die Münchner viel vorgenommen. Mit über 9000 ausgelieferten UMTS-Basistationen sei man, so Lamprecht, inzwischen einer der "führenden Supplier". In einem nächsten Schritt gehe es jetzt darum, die Zusammenarbeit mit den Netzbetreibern "fundamental zu verändern". Gedacht sei unter anderem an eine Verlagerung der eigenen Werkbank zum Kunden, also die stärkere Einbeziehung in die Produktentwicklung und gemeinsame Definition entsprechender Roadmaps, beschrieb Lamprecht diesen derzeit auch bei anderen Telco-Ausrüstern zu beobachtenden Trend. Grundsätzlich solle sich die engere Zusammenarbeit vor allem auf den Ausbau von Services wie Messaging, Entertainment, Payment sowie ortsbezogene Dienstleistungen auswirken, hieß es weiter.

Ähnlich selbstbewusst wie Lamprecht - wenn auch unter ganz anderen Vorzeichen - gab sich in Hannover ICN-Chef Ganswindt. Der Manager bekräftigte das Ziel seiner Division, die seit zwei Jahren das großen Sorgenkind des Siemens-Konzerns ist, im vierten Quartal des Geschäftsjahres 2003 in die schwarzen Zahlen zurückzukehren. "Wir haben Ordnung geschaffen", nahm Ganswindt noch einmal Bezug auf den drastischen Abbau der Mitarbeiterzahl von 54.000 auf rund 37.500 (zum Ende des ersten Quartals) in seinem Verantwortungsbereich, und man sei dabei, die Kapazitäten "der Marktlage weiter anzupassen". Neben den unumgänglichen Kosteneinsparungen (1,8 Milliarden Euro im Geschäftsjahr 2002, weitere 1,7 Milliarden Euro sind die Vorgabe für 2003) sei jedoch Wachstum für den angestrebten Turnaround "wichtig".

Ganswindt zeigte sich überzeugt, in den nächsten Monaten mit den für das Festnetzgeschäft der Münchner nach wie vor essenziellen Lösungen "Hipath" und "Surpass" Marktanteile gegen Wettbewerber wie Lucent, Nortel oder Cisco gewinnen zu können. Allerdings gebe der Markt nach wie vor ein differenziertes Bild ab. Während die Firmenkundensparte eine stabile, profitable Entwicklung aufweise, kämpfe man im klassischen Carrier-Geschäft mit einem anhaltend schwierigen Umfeld.

In die gleiche Kerbe schlug SBS-Vorstand Stodden, der eine sehr nüchterne Perspektive des IT-Dienstleistungsmarktes skizzierte. Dieser werde auch in diesem Jahr nur schwach wachsen, nicht zuletzt aufgrund stagnierender IT-Budgets der Anwender. Mit einer nachhaltigen Erholung sei erst im kommenden Jahr zu rechnen; mittelfristig könne man dann aber zumindest wieder mit Wachstumsraten im hohen einstelligen Bereich kalkulieren, führte der SBS-Chef in Hannover aus. Ob sich dann jedoch auch wieder die Anforderungen der Kunden ändern werden, ließ Stodden offen. Derzeit hätten jedenfalls Kostensenkung und schnelle Rentabilität oberste Priorität. Erstreckte sich ein typischer Amortisationszyklus bei IT-Projekten noch vor kurzem auf drei bis vier Jahre, habe sich diese Zeitspanne mittlerweile halbiert, schilderte Stodden. Der SBS-Chef wörtlich: "Was wir nicht vorrechnen können, können wir nicht verkaufen."

Trotz solcher skeptischen Töne gibt es für den zuständigen IC-Konzernvorstand Jung keinen Anlass zur Schwarzmalerei. Die ITK-Industrie habe eine rasante Talfahrt hinter sich, rüste sich nun aber "wieder für den Aufstieg". Jung bezog sich damit indirekt auch auf aktuelle Schätzungen des Dachverbandes Bitkom, dessen Präsident er ist und der für 2004 deutschlandweit wieder ein Wachstum von gut drei Prozent in Aussicht gestellt hat. Der Konzernbereich IC, der im Geschäftsjahr 2002 mit 26,5 Milliarden Euro rund ein Drittel zum Siemens-Gesamtumsatz beigesteuert hat, sei jedenfalls, wie Jung betonte, für den bevorstehenden Aufschwung gut vorbereitet. Auf die "globale Wachstumsschwäche" habe man frühzeitig und umfassend reagiert, zwei von drei Bereichen seien bereits wieder in den schwarzen Zahlen. Dank der globalen Aufstellung, einer behutsamen Finanzierungspolitik und einem "klaren Portfolio", das sich auf IP-Konvergenz, Breitbandzugänge, mobile

Endgeräte und Netze sowie E-Business konzentriere, sei man in einer besseren Position als vergleichbare Mitbewerber. (gh)